Bomber in der Luft
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Chronik

Als die ersten Bomben auf Klagenfurt fielen

Am 16. Jänner 1944 ist Klagenfurt vom ersten alliierten Bombenangriff getroffen worden. 224 Menschen kamen ums Leben, es folgten 47 weitere Angriffe. Am Ende lagen 68 Prozent der Stadt in Schutt und Asche. Walter Rubenthaler und Hellmut Schandl wurden als Kinder Zeugen der Angriffe und gehören zu den wenigen Menschen, die noch davon erzählen können.

Der 16. Jänner 1944 ist ein sonniger, sehr kalter Wintertag – ein Sonntag. Als in Klagenfurt kurz vor Mittag die Sirenen heulen, geht alles seinen gewohnten Gang. Fehlalarme gehören seit einem guten Dreivierteljahr zum Alltag. Niemand rechnet noch mit einem echten Bombenangriff. Deshalb geht auch an diesem Tag niemand in den Keller oder Schutzbunker. Ein fataler Irrtum. Der erste Bombenangriff ist verheerend und kostet 224 Menschen das Leben.

80 Jahre Bombenangriff auf Klagenfurt

Schandl: Als Bomben einschlagen, gerade beim Spielen

Hellmut Schandl ist acht Jahre alt, als 400 Meter weiter die ersten Bomben einschlagen. Er spielt damals mit anderen Kindern auf der Geyerschütt in Klagenfurt. „Wir gehen hinaus spielen. Die Sirene bläst ja ohnehin immer. So sind wir also dann hinausgelaufen und haben gespielt. Aber auf einmal hat es geknallt. Drei-, vierhundert Meter weit weg haben die Bomben eingeschlagen. Der Bahnhof war das Hauptziel. Und das Hauptziel waren dann noch die Flugzeugwerke, Motorenwerke in der Kempfstraße.“ Aber auch der Stadtteil St. Ruprecht und die Rosentaler Straße werden getroffen.

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Zerbombte Häuser in Klagenfurt
StadtKommunikation
Zerstörte Gebäude in Klagenfurt
Zerbombter Bahnhof in Klagenfurt
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Zerbombter Bahnhof
Zerbombte Häuser in Klagenfurt
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Zerstörtes Haus
Bomben schlagen auf dem Boden ein
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Bomben schlagen auf dem Boden ein
Kreuzberglbunker
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Eingang zum Kreuzberglbunker

Rubenthaler: „Haben in Ruhe weitergegessen“

Auch Walter Rubenthaler bleibt an diesem 16. Jänner 1944 mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern seelenruhig beim Mittagessen sitzen: „Wir saßen bei der Nudelsuppe, als die Bomben kamen. Die wenigsten gingen in den Keller, wir auch nicht. Und um 12.14 Uhr kamen die ersten Bomben auf Klagenfurt. Es wurden 224 Menschen getötet, weil alle geglaubt haben, uns trifft es nicht.“

90 alliierte Bomber nehmen bei diesem ersten Angriff von Italien aus Kurs auf Klagenfurt. Der 16. Jänner ist aber nur der Anfang, von da an ändert sich alles.

Walter Rubenthaler
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Walter Rubenthaler heute

Schlimme Erinnerungen an die Kindheit „im Bunker“

„Und dann“, erinnert sich Schandl, „kamen eben diese eineinhalb Jahre von 16. Jänner bis April. In der Nacht angezogen im Bett liegen, damit man schnell in den Keller kommt, wenn die Sirene bläst. In der späteren Zeit sind wir dann eigentlich bald vom Bunker im Kreuzbergl gar nicht mehr weggekommen. Da sind wir halt in der Früh hingegangen, weil es war ja immer Alarm. Und dann haben wir oben gespielt vorne heraußen, einige Male haben wir sogar oben genächtigt. Oft waren es täglich zwei, drei Angriffe.“

Rubenthaler ergänzt: „Wir sehen im Fernsehen jetzt immer die Kriege in der Ukraine, in Israel, im Gazastreifen. Und ich weiß genau, wie es diesen Leuten dort geht. Es muss genauso schlimm sein, wie wir es auch erlebt haben.“

Nach dem Bombardement: Die ersten Leichen

Als dieser erste Angriff vorbei waren, seien die Kinder nach draußen gelaufen. Hellmut Schandl schildert seine Erlebnisse so: „Als die Entwarnung kam, sind wir hinausgekommen und – das sehe ich heute noch von mir – oben war ein Geländer im ersten Stock, das ist heruntergehangen und auf diesem Geländer sind zwei Leichen gelegen.“

Hellmut Schandl
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Hellmut Schandl beim Gespräch

Verschüttet in Keller: Getöse, Gerumpel und Staub

Bei einem Bombenangriff verschüttet zu werden, bleibt Schandl erspart, nicht so Rubenthaler. Wo früher in der Völkermarkter Straße 10 sein Geburtshaus war, steht heute ein Hotel. Der einst offene Innenhof wurde überbaut, die Wohnung seiner Kindheit gibt es aber noch und auch den Keller, in dem er gemeinsam mit seiner Familie und vielen anderen Menschen eingeschlossen wird.

Eine Bombe trifft im März 1944 das Nachbarhaus, so Rubenthaler: „Und dann war ein Getöse, ein Gerumpel und – Staub. Wir konnten nichts mehr sehen. Wir hatten im Keller ein großes Fass mit Wasser, da tauchten wir unsere Taschentücher, Schals oder was immer wir hatten, ein, hüllten es vor das Gesicht und warteten ab. Und auf einmal war da Stille, der ganze Eingang war voller Schutt und Gerümpel vom Nebengebäude. Wir konnten nicht hinaus. Und da haben wir beim Notausgang mit einem Schaufelstiel geklopft und ‚Rettet uns, rettet uns‘ geschrien. Wir mussten aber über eine Stunde oder länger warten. Die haben den Schutt weggeschaufelt, und wir konnten dann nach langer Zeit den Keller durch den Notausstieg verlassen. Kaum waren wir gerettet, die Angst noch im Gesicht, gab es schon wieder einen Fliegerangriff.“

Bombardierungen: Todesangst brennt sich in die Seele ein

An das Gefühl, bombardiert zu werden, erinnern sich beide Männer – sie sind heute um die 90 Jahre alt – noch so, als wäre es gestern gewesen. Rubenthaler, damals zehn Jahre alt, schildert einen der Angriffe so: „Man hört die Bombe, denn die hat ja am hinteren Ende eine Floder, wie einen Propeller. Und dieses Geräusch wird immer lauter und lauter, und wir haben uns geduckt, und die Leute haben geweint, die Kinder haben geschrien. Wir haben gewusst, es könnte aus sein.“

Schandl ergänzt: „Genau diese Szenen, die sind ja heute noch im Hinterkopf. Das löschen sie ja nicht aus. Das wurde dann ein bisschen verdrängt im Laufe der Zeit, aber dann später ist das immer wieder hochgekommen. Bei mir ist es so, dass ich heute noch, wenn in der Nacht die Sirene heult, denke, es ist Alarm, und springe auf, nur bis ich dann merke, dass es keiner ist.“

23 alliierte Flugzeuge abgeschossen

Bei Kriegsende im April 1945 ist die Zerstörung dann allgegenwärtig. 1.500 Klagenfurter Wohnungen und Häuser liegen in Schutt und Asche. Insgesamt 68 Prozent der Stadt sind zerstört, 550 Menschen sind tot. Auch die Alliierten erleiden Verluste. Die Fliegerabwehr schießt 23 Flugzeuge über Klagenfurt ab. Wie lautet die Botschaft der Kriegskinder von einst an heutige Generationen?

„Wir haben darüber auch jahrelang nicht gesprochen“, so Schandl. „Das wollten wir nicht. Das war eigentlich wahrscheinlich die beste Therapie, die Lebensmittelversorgung. Der Hunger, betteln gehen. Und auf jeder Ecke, nach dem Krieg vor allem, sind dann die Invaliden herumgestanden. Mit einem Fuß weg, der andere mit einem Auge weg, der andere mit einer Hand weg. Deprimierend. Damals war es üblich, das war halt so. Aber wenn man das heute betrachtet, muss man sagen, lieber Herr Gesangsverein, die Zeit möchte ich nicht noch einmal erleben. Wir diskutieren auch öfters, warum hat man aus den zwei Weltkriegen nichts gelernt? Es geht ja heute genauso weiter und noch schlimmer. Gegen das gibt es kein Kraut.“

Rubenthaler: Heutige Jugend hat es gut

Rubenthaler richtet einen Appell an die jüngeren Generationen: „Die heutige Jugend sollte eigentlich viel zufriedener sein. Es geht ihr gut, so gut wie heute ist es uns nie gegangen. Und wir sind jetzt noch froh, dass wir in eine Zeit hineinwachsen durften, wo wir sagen können, wir haben wunderschöne 40 Jahre oder mehr erleben dürfen. Wir haben alles selbst machen müssen, und die Jugend bekommt heute alles. Die hat es im Übermaß und ist unzufrieden. Sie sollen zufrieden sein, und vor allen Dingen: Die heutige Jugend soll keinen Krieg mehr erleben.“ Rubenthaler und Schandl sind zwei unfreiwillige Zeitzeugen des Krieges und der ersten Bombardierung von Klagenfurt.