Gruppe von Büromitarbeitern
yurolaitsalbert – stock.adobe.co
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Soziales

Floskeln: Alles gut? Alles gut!

„Alles gut“ als Frage oder Antwort, je nach Betonung, ist eine Formulierung, die nicht nur bei Jugendlichen gerade modern ist. Sie reduziert die zwischenmenschliche Höflichkeit auf ein Minimum, näheres Nachfragen oder Antworten sind gar nicht erwünscht.

Nathalie Genser, klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin und Familientherapeutin, sieht dieses kurz angebunden Sein so: „Der Schnelllebigkeit unserer Zeit mag das entsprechen. Zweiwortsätze verwenden aber üblicherweise Menschen im zweiten Lebensjahr. Das heißt, es ist eigentlich etwas sehr Infantiles, einander mit dermaßen reduzierten Fragen als auch Antworten zu begegnen.“

Nicht mehr als eine Floskel

Genser beschäftigt sich mit dem Miteinander der Menschen. Genau betrachtet ist „alles gut“ weder Ja noch Nein. Es wird als Frage an ein Gegenüber verwendet: „Ich glaube, es ist im Alltagssprachlichen eher eine Floskel, auf die man dann möglicherweise mit ebenso ‚alles gut‘ antworten kann. Wobei alles natürlich eine enorme Pauschalierung ist. Wie sollte denn gerade in der Jetztzeit alles gut sein bei all den berechtigten Sorgen, die Menschen sich machen?“

Sendungshinweis:

Radio Kärnten Vormittag; 29.11.2023

„Alles gut“ – man reißt sich zusammen

Es hänge davon ab, wer mit wem rede, sagte Genser: „Wenn ein Jugendlicher in diese Richtung gefragt wird, beinhaltet das oft so ein bisschen ‚lass mich in Ruhe, ich möchte jetzt nicht antworten‘. Das ist die etwas höflichere Formulierung. Unter Erwachsenen ist es vielleicht ein Appell, wenn dahinter ein Rufzeichen zu stellen ist. Dann verlangt es vielleicht vom Gegenüber auch ein nicht Eingestehen von Schwäche, eine Selbstoptimierung. Sich zusammenreißen, wie Leute oft sagen. Also ganz das Gegenteil von in sich hineinfühlen und achtsam bei sich sein. Sondern ein Wegwischen der Alltagssorgen, der tieferliegenden Themen, die Menschen vielleicht haben.“

Sendungshinweis:

Radio Kärnten Mittagszeit; 29.11.2023

Weg von der persönlichen Ebene

„Alles gut“, das derzeit durch die deutschsprachige Welt schwappt, hat noch eine Steigerung, die Verdoppelung „Alles gut, alles gut.“ Genser meint dazu: „Das heißt insbesondere, keine Zeit, lassen sie mich in Ruhe mit zu lästigen Fragen. Lassen sie uns weggehen von der persönlichen Ebene hin zu Sachebene, wobei die Beziehungsebene ja immer vordringlicher ober der Sachebene steht. Im Alltag gibt es oft Belange, wo wir die zur Seite stellen, weil es uns oft erdrücken würde, mit all dem Persönlichen zu antworten, das uns am Herzen liegt.“

„Auf so etwas antworte ich gar nicht“

Wie reagiert die Therapeutin auf die Frage „alles gut“: „Ich glaube, auf so etwas antworte ich nicht einmal. Vielleicht, wenn es ein nahestehender Mensch wäre, hast du Zeit, magst du tatsächlich meine Gedanken, Empfindungen hören? Ansonsten würde ich es vielleicht mit einem Nicken wegwischen, wenn ich das Gefühl hätte, ich habe jetzt gar nicht Lust oder Zeit, einem Gegenüber all das zu offenbaren, was mir gerade am Herzen liegt.“

„Alles gut“ als deutsche Form des englischen „How are you“, das ebenso wenig eine detailliertere Antwort erwartet und eine Floskel darstellt. Die richtige Antwort hier: „Fine, thanks, you?“ Kurze Fragen und Antworten für eine Welt, die keinen tiefschürfenden Austausch möchte.