Polit-Analyse nach VfGH-Entscheid

Die Erfahrung der FPÖ mit Wahlaufhebungen ist laut Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle „gar keine so schlechte“. Andererseits könnte ausgerechnet der „Brexit“ den Gegnern Hofers eine Lehre sein und diese zusammenschweißen. Eine Analyse nach dem VfGH-Entscheid zur Bundespräsidentenwahl.

Die Bundespräsidenten-Stichwahl muss wiederholt werden, das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Freitag bekannt gegeben. Die Grünen akzeptieren den Entscheid und sind von einem erneuten Erfolg Alexander Van der Bellens überzeugt, die FPÖ sehen Norbert Hofers Chancen aufrecht, er sei „der bessere Kandidat“ - mehr dazu in Parteien sehen eigene Kandidaten vorn. (kaernten.ORF.at; 1.7.2016) Der genaue Termin der Stichwahl-Wiederholung - Ende September oder Anfang Oktober - soll kommende Woche feststehen.

Interview in Radio Kärnten

ORF-Kärnten-Redakteurin Isolde Nothnagl hat mit Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle im Radio Kärnten Mittagsjournal über die Auswirkungen des VfGH-Erkennntisses auf die Wahl im Herbst gesprochen.

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Isolde Nothnagl: War diese Entscheidung des VfGH in irgendeiner Weise für Sie absehbar?

Kathrin Stainer-Hämmerle: "Die Entscheidung ist sehr schlüssig. Man muss sagen, dass im Laufe des Verfahrens wirklich unglaubliche Missstände bei den einzelnen Bezirken und Behörden aufgedeckt wurden. Der VfGH hat auch an seinen bisherigen Prinzipien, der Rechtsprechung, festgehalten, also war es absehbar – auch, dass er die einzige Möglichkeit darin sieht, die Wahl zur Gänze aufzuheben.“

Nothnagl: Kann man schon irgendeine Prognose in Richtung Ergebnis abgeben? Hat die Entscheidung der FPÖ - die das Ganze ins Rollen gebracht hat - genutzt oder womöglich doch geschadet?

Stainer-Hämmerle: "Ein Wahlkampf entwickelt immer eine ganz eigene Dynamik, dem kann ich jetzt nicht vorgreifen. Das muss man abwarten. Die Erfahrung der FPÖ in Sachen Wahlaufhebung ist gar keine so schlechte. Nämlich 1970 und 1995 haben sie jeweils durch eine Aufhebung ein zusätzliches Mandat bei der Nationalratswahl bekommen und im letzten Herbst wurde in Hohenems in Vorarlberg auch eine Wahl wiederholt. Auch hier hat der Bürgermeister zu den Freiheitlichen gewechselt. Die Leute sind natürlich sehr empört, es freut sie nicht, noch einmal zur Wahl zu gehen. Auch das Misstrauen gegenüber den Behörden ist sehr hoch – und das ist natürlich eine Stimmung, die prinzipiell die freiheitliche Partei bevorzugt.“

Könnte sich das auch negativ auf eine mögliche Wahlbeteiligung auswirken? Stichwort: Wahlkampf über den Sommer?

Stainer-Hämmerle: „Ich glaube nicht, weil es doch sehr emotional wird – noch emotionaler als beim ersten Durchgang der Stichwahl. Jede Emotion, jede Empörung und auch Stimmungsmache und Polarisierung auf diese beiden Kandidaten wird eher auf beiden Seiten hochmobilisieren.“

Seit der Präsidenten Stichwahl am 22. Mai hat sich das politische Rad weitergedreht. Wird die Entscheidung Großbritanniens, aus der EU auszutreten, dem Kandidaten Norbert Hofer, dessen Partei sehr europakritisch ist, nützen?

Stainer-Hämmerle: „Es könnte pro-europäische Gruppierungen im Zusammenhalt stärken. Wir haben bei der letzten Wahl gesehen, dass die Motivation, Van der Bellen zu wählen, weniger an ihm als Person liegt als darin, einen freiheitlichen Kandidaten zu verhindern. Durch die Erfahrungen, was passieren könnte, sollte man hier nicht zur Wahl schreiten – Stichwort: Wenn junge Menschen in Großbritannien, die ja nicht so zur Wahl gegangen sind und es dadurch verabsäumt haben, diese Wahl für ihre Interessen noch zu kippen – könnte das eine Lehre sein, die auch Lager in Österreich vereint - gegen Norbert Hofer, muss man in diesem Fall sagen, die sonst nicht zusammen stehen würden.“

Gegen das System der Briefwahl hat der Verfassungsgerichtshof - wie es heißt - keine Bedenken. Der FPÖ ist die Briefwahl schon lange ein Dorn im Auge, wird es Ihrer Meinung nach dennoch eine Diskussion um eine mögliche Abschaffung der Briefwahl geben?

Stainer-Hämmerle: „Ich rechne nicht damit, dass eine Abschaffung gelingt und würde es auch als einen Rückschritt empfinden, solche Möglichkeiten der Stimmabgabe wieder einzuschränken. Sehr wohl aber in der Feinabstimmung des Gesetzes. Das man sich anschaut: Wo hatten die Behörden wirklich ihre Schwierigkeiten, warum haben sie sich so gezwungen gefühlt, die Unterlagen zu öffnen. Das Gesetz muss man sicher überarbeiten aber eine tatsächliche Abschaffung der Briefwahl, damit rechne ich nicht – weil es eine Einschränkung wäre, vor allem für mobile Menschen – ihre Stimme abzugeben.

Sind sie als langjährige Politbeobachterin eigentlich schockiert über die Schlampereien, die es bei der Wahl gegeben hat?

Stainer-Hämmerle: „Ein wenig schon, in diesem Ausmaß hätte ich es nicht erwartet. Bisher galt doch, dass Fehler passieren können, die sich aber aufheben. Es war aber dann doch sehr flächendeckend, wie einfach Gesetze ignoriert wurden - wahrscheinlcih auf Grund des Druckes, den vielleicht die Medien, auch die Bundeswahlbehörde und das Innenministerium erzeugt haben, weil man dieses Ergebnis unbedingt verkünden wollte. Ich denke, ein paar Stunden länger zu warten, hätte wahrscheinlich weniger geschadet, als jetzt diese Situation, wo die Wahl wirklich aufgehoben werden muss."

Versuchen wir, die Entscheidung des VfGH auf Kärnten herunter zu brechen. Kärnten hat seit kurzem mit Gernot Darmann einen neuen FPÖ-Parteichef. Wird er oder kann er dieses Ergebnis für sich nutzen?

Stainer-Hämmerle: „Die Landesbühne ist eine andere, es gelten andere Gesetze. Ich glaube, hier wird eher seine Rolle als Klubobmann eine Rolle spielen. Stichwort: Verhinderung der Neuwahl damals auf Landesebene (Anmerkung der Redaktion: Die FPÖ zog damals regelmäßig aus dem Landtag aus) allerdings beeinflusst jede Stimmung auch andere Wahlgänge. Ein Bundespräsident Norbert Hofer könnte natürlich beeinflussen bei der Landtagswahl, sowohl im positiven als auch im negativen. Ich denke hier liegen Chance und Risiko sehr nah beeinander.“

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