Urteil bringt Almtierhalter in Bedrängnis

Ein zivilrechtliches Urteil in Tirol schlägt hohe Wellen. Ein Landwirt wurde nach einer tödlichen Kuhattacke zu Schadenersatz verurteilt. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, könnte es auch in Kärnten massive Auswirkungen auf die Almtierhaltung geben.

In dem Zivilprozess gegen einen Tiroler Bauern ging es um einen Unfall im Sommer 2014. Eine 45 Jahre alte Frau war damals auf einem Wanderweg mit ihrem Hund unterwegs, als die Kühe plötzlich auf sie zuliefen und die Frau zu Tode trampelten. Die Hinterbliebenen klagten auf Schadenersatz. Nun wurde das schriftlich ergangene Urteil bekannt. Der Landwirt soll 490.000 Euro bezahlen. Im Urteil hieß es, er hätte das Gebiet, in dem seine Kühe grasten, einzäunen können - mehr dazu in tirol.ORF.at.

Folgen für alle Almen in Österreich möglich

Der betroffene Landwirt will gegen das Urteil berufen. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, könnte das für die Almtierhaltung generell in Österreich massive Auswirkungen haben. Der Anwalt des Tiroler Landwirts, Ewald Jenewein, sagte, das hieße, dass in letzter Konsequenz sämtliche Wege, die von Fußgängern frequentiert werden, eingezäunt werden müssten. „Das ist auch aus Sicht eines Sachverständigen nicht zumutbar.“

Erste Kritik an dem Urteil gab es in Kärnten von Agrareferent Martin Gruber (ÖVP). Mit dem Urteil werde eine jahrhundertelange Praxis und Tradition der Almbewirtschaftung infrage gestellt, sagte der Landesrat in einer Aussendung am Freitagvormittag.

Kärnten: Schlag ins Gesicht für Almwirtschaft

Landesrat Gruber sagte, der tödliche Ausgang dieses Einzelfalls sei tragisch. „Aber die angebliche Begründung des Gerichts, der Almbauer hätte den Weg abzäunen und den Unfall verhindern können, ist ein Schlag ins Gesicht für die gesamte Almwirtschaft.“ Die komplette Abzäunung von Almen oder Wegen sei unzumutbar und unrealistisch.

„Sollen wir zum Beispiel in Kärnten die gesamte Nockalmstraße einzäunen“, fragte Gruber in der Aussendung. Ein Kilometer Zaun würde zwischen 4.000 Euro und 8.000 Euro kosten, je nachdem ob es sich um Stacheldraht oder einen Elektrozaun handelt. Die Zäune müssten regelmäßig gewartet und überprüft werden. „Das wäre für die Viehhalter völlig unwirtschaftlich und ein sehr großer Aufwand“, sagte Gruber.

Verbotsschilder auf den Almen

Gruber stellte zudem klar: „Gerichtsurteile sind zu respektieren. Aber ich hoffe dennoch darauf, dass diese Entscheidung in der zweiten Instanz revidiert wird und kein Präzedenzfall geschaffen wird. Denn das hätte eine fatale Signalwirkung." Viehhalter würden ihre Tiere entweder gar nicht mehr auftreiben oder Verbotsschilder auf ihren Almen aufstellen.

Den Preis für dieses Urteil würden am Ende nicht nur die Almbauern, sondern auch die österreichische Tourismuswirtschaft bezahlen. „Schließlich müssten in letzter Konsequenz alle Wanderwege eingezäunt oder für Touristen gesperrt werden“, sagte der Agrarreferent.

Landwirtschaftskammer: fatale Auswirkungen

Heftige Kritik kam auch von der Landwirtschaftskammer (LK). Bei Rechtskraft dieses Urteils würden fatale Auswirkungen auf Almwirtschaft und Tourismus drohen, sagte LK-Präsident Johann Mößler. Mario Deutschmann, Jurist in der Kärntner Landwirtschaftskammer wies darauf hin, dass das Gericht in Tirol entgegen der Expertise eines Sachverständigen entschieden hat, der meinte hat, ein Einzäunen aller Almflächen sei nicht zumutbar. „Es wird spannend, wie die weite Instanz entscheidet“, sagte Deutschmann. Es seien einerseits die Bestimmungen des Forstgesetzes bezüglich des freien Betretungsrechtes für jedermann zu beachten. Ähnliche Regelungen würden auch für das Ödland, die Alm- und Weideflächen gelten. „Hier muss man sagen, dass das freie Betretungsrecht nur für das Ödland gilt und Mäh- und Weidegebiete vom freien Betretungsrecht nicht mit umfasst sind“, so Deutschmann. Die gesetzlichen Bestimmungen würden eindeutig vorsehen, dass - wenn es keien anderslautenden vertraglichen Regelungen geben würde - es den Touristen und Wanderern nicht gestattet sei, die Almen zu betreten.

Vom Bauernbund hieß es, Schadensersatzforderungen würden die Almbäuerinnen und Almbauern in Zukunft ruinieren. Das Urteil würde „das Aus für unsere Almen“ bedeuten.

Wirtschaftskammer: Einschränkungen für Tourismus

Auch die Kärntner Wirtschaftskammer (WK) warnte in einer Aussendung vor Auswirkungen des Urteils auf den Kärntner Tourismus. „Die Grundeigentümer sind jetzt schon stark sensibilisiert. Wenn die Gefahr, für Unfälle juristisch zur Verantwortung gezogen zu werden, weiter steigt, dann werden die Betroffenen daraus die Konsequenzen ziehen und das Erlebnis Natur für Gäste einschränken, wo es geht“, sagte der Geschäftsführer der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft, Wolfgang Kuttnig in einer Aussendung am Freitag.

Eine Folge könnte sein, dass Landwirte nicht mehr erlauben, dass Wanderer ihre Gründe überqueren, sagte Kuttnig. Denn das freie Wegerecht nach dem Forstgesetz gelte für den Wald, nicht aber für freie Weideflächen. „Dadurch wären aber sehr viele Wanderziele nicht mehr erreichbar und viele Bergtouren nicht mehr möglich. Von den Auswirkungen auf die Feriengastronomie ganz zu schweigen.“

WK: Hausverstand benutzen

Kuttnig appellierte an den „Hausverstand der Urlauber“. „Wer auf einem Forstweg mit dem Mountainbike stürzt, sollte den Fehler bei sich und nicht und nicht beim Wegerhalter suchen. Wer mit seinem Hund wandern will, muss in der Nähe von Mutterkühen eben besonders aufpassen. Und wer bei der Skitour ein Problem hat, kann nicht die Bergretter dafür verantwortlich machen.“

Fridolin Feistritz Bock Rechtsstreit Italien Angriff Alm

Dieter Mörtl

Problembock Fridolin

Bock sorgte in Kärnten für Klage

Einen Rechtsstreit wegen einer Verletzung durch Almtiere gab es auch in Kärnten. Ein Schafwidder soll im Jahr 2015 auf einer Alm eine italienische Urlauberin auf italienischer Seite der Grenze angegriffen haben. Die Gemeinde als Besitzer soll für die Kosten haften - mehr dazu in Bilateraler Rechtsstreit über „Problembock“ (kaernten.ORF.at; 18.5.2015). Der bilaterale Rechtsstreit ist nach wie vor im Gange.