Tagung: 80 Prozent der Insekten ausgestorben
Aus dem Kreislauf der Natur sind Insekten nicht wegzudenken, drei Viertel aller Tiere sind Insekten. Der in Fachkreisen international bekannte Entomologe Andreas Segerer von der Zoologischen Staatssammlung München warnte am Samstag bei der Tagung in Klagenfurt eindringlich vor dem Insektensterben. Für die Insekten sei es nicht „5 vor 12“, „es ist schon fast 12.00 Uhr.“

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Schmetterlinge sind die viertgrößte Tiergruppe der Welt
Ihr lautloses Sterben lässt sich am besten mit den Schmetterlingen veranschaulichen, der viertgrößten Tiergruppe der Welt. Segerer; „Schmetterlinge sind Bio-Indikatoren, sie zeigen den Zustand der Umwelt an. Geht es den Schmetterlingen nicht gut, geht es vielen anderen Insektenarten ebenfalls nicht gut.“ Das dramatische Insektensterben würden viele Studien beweisen, sagte Segerer. „In Bayern gibt es erste Studien aus dem Jahr 1766, den Beginn der industriellen Revolution. Schon damals wurde festgestellt, dass 13 Prozent der Schmetterlingsarten in Bayern verschwunden waren.“
Ökosysteme brechen zusammen
Wenn es immer weniger Insekten gibt, dann habe das natürlich auch unmittelbare Auswirkungen auf die Tierwelt und auf den Menschen. „Insekten haben eine fundamentale Rolle in den Ökosystemen. Ihr dramatisches Aussterben greift natürlich auf andere Tierarten über, zum Beispiel auf Vögel, die sich von Insekten ernähren.“ Insekten sind außerdem unerlässlich für den Menschen, 80 Prozent der Nutzpflanzen werden durch Insekten bestäubt.
Lebensräume der Insekten vernichtet
Der Insektenforscher nannte drei Hauptgründe für das Aussterben der Insekten. Erstens: Die Lebensräume der Insekten wurden und werden vernichtet. „Wenn aus einer Wiese ein Gewerbegebiet wird, ist dieser Lebensraum für Tiere verloren.“ Schutzgebiete seien zwar eine gut gemeinte Sache, sie werden aber immer mehr zu „Inseln“. Segerer: „Wenn zwischen diesen Inseln weite Beton- und Agrarwüsten liegen, können die Insektenarten ihre Inseln nicht mehr erreichen. Auch dadurch brechen Populationen zusammen.“

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Das könnte die Zukunft sein: Insekten nur mehr in Schaukästen
Drittens führte der Einsatz von chemischen Mitteln überregional und großräumig zu Veränderungen der Landschaft. Als Beispiele nannte Segerer Kunstdünger, Industrieabgase und Pestizide. „Diese Stoffe bleiben nicht vor Ort, sie finden auch ihren Weg in Naturschutzgebiete und verändern dort die Insektenwelt negativ.“
Schädlinge breiten sich aus
Verfälscht wird das Bild des Insektensterbens durch viele Schädlinge, die in letzter Zeit in das Licht der Öffentlichkeit gerückt sind, zum Beispiel Miniermotte, Buchsbaumzünsler oder die Bettwanzen. „Ein paar wenige Arten, wie die Bettwanze, vermehren sich explosionsartig, weil es für sie nun bessere Lebensbedingungen gibt“, sagt Christian Wieser, Leiter der zoologischen Abteilung im Landesmuseum. „Der Mensch ist wie eine Monokultur – er dient manchen Arten als Nahrungsreservoir. Für die Bettwanze ist der Mensch ein gedecktes Buffet“ - mehr dazu in Bettwanzen als treue Begleiter des Menschen.

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Schädlinge wie die Bettwanze breiten sich aus
Bei den meisten Arten gehe die Population aber wegen der Zerstörung ihrer Lebensräume zurück. Das Insektensterben sei nicht erst innerhalb der letzten Jahre passiert. Die Natur verzeihe viel, aber irgendwann sei es zu viel, so Wieser: „Die Natur puffert gewaltig viel ab. Aber wenn sie kippt, dann ist das unumstößlich.“

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Insektenforscher Christian Wieser
Was jeder Einzelne tun kann
Aber es gebe noch Möglichkeiten, das Ruder herumzureißen, sagte Zoologe Andreas Segerer, vor allem in Bezug auf landwirtschaftliche Monokulturen. „Dazu bräuchte es aber konsequente Maßnahmen.“ Aber jeder Einzelne könne etwas für die Insekten tun, meint Wieser. Statt monotoner Rasenfläche bräuchten Insekten blühende Pflanzen: „Und man kann zum Beispiel im Garten einen kleinen Bereich nur einmal im Jahr mähen. Der Rasenroboter muss ja nicht ständig über jeden Quadratzentimeter fahren.“
Links:
- Neues Projekt erforscht Insektensterben (salzburg.ORF.at, 10.7.2018)
- Experten warnen vor Insektensterben (ooe.ORF.at, 27.3.2018)