Stadt lässt Bettlerunterkunft räumen

Im Magistrat Klagenfurt ist am Donnerstag ein Runder Tisch zur Bettlerproblematik abgehalten worden. Bürgermeister Christian Scheider (FPK) kündigte danach eine Räumung der Lagerhalle bis zum Wochenende an.

Bei dem Runden Tisch ging es am Donnerstag um die Frage, was mit jenen Personen, die sich immer wieder in Abbruchhäusern ansiedeln, getan werden könne. Jene Lagerhalle in der Klagenfurter Völkermarkterstraße, in der seit geraumer Zeit rund 40 Männer, Frauen und auch Kinder leben, soll in den kommenden Tagen geräumt werden.

„Der Grundstückseigentümer muss mit vor Ort gehen und dafür sorgen, dass die Menschen aus diesen Verhältnissen herauskommen. Es werden ein Arzt, die Jugendwohlfahrtsabteilung und die Exekutive dabei sein, damit das Lager geräumt werden kann. Man kann das den Anrainern nicht zumuten“, so Bürgermeister Christian Scheider.

Scheider: „Angebote der Stadt werden ignoriert“

Es wäre ein Armutszeugnis für die Stadt Klagenfurt, wenn sie keine Alternativen anbieten würde. „Wir haben ja auch ein Obdachlosenheim, das derzeit noch mehr als 30 Menschen aufnehmen könnte. Es gibt dann auch noch die Tagesstätte der Caritas, sowie den Sozialmarkt und die Volksküche. Wir werden das Angebot machen, nur haben wir in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass auf dieses Angebot meistens nicht zurückgegriffen wird.“

Pucher: „Fahrende wollen meist nur kurz bleiben“

Aus den Augen aus dem Sinn - ist das die Lösung für das Bettelproblem? Bei dem Thema gibt es viele Ängste, vor allem, weil Bevölkerung und Politiker glauben, dass viele Bettler nachkommen, wenn man ihnen hilft. Graz ist jene Stadt in Österreich, die am meisten Erfahrung mit den Bettlern hat und festgestellt hat, dass die meisten Bettler .,gar nicht hier bleiben wollen.

Pfarrer Wolfgang Pucher aus Graz beschäftigt sich seit 20 Jahren mit fahrenden Gruppen. Viele gehören der Volksgruppe der Roma an. Sie wollen sich gar nicht in Österreich niederlassen, sagt er: „Sie möchten eine Zeit lang um Hilfe bitten. Das heißt, um Geld betteln, damit sie zu Hause etwas menschenwürdiger leben können. Wir haben für die slowakischen Roma ausgerechnet, dass sie aus einer Gesellschaft kommen, in der für eine Person zum Leben am Tag 55 Cent übrig bleiben. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Das ist der einzige Grund, warum sie kurzfristig kommen. Wenn sie eine bestimmte Menge Geld haben, werden sie nach Hause fahren und wieder eine Zeit lang davon leben.“

Ansturm auf Notschlafstellen hält sich in Grenzen

Als ersten Schritt hat Pfarrer Pucher seine Pfarren dazu aufgerufen, ein oder zwei Personen oder eine Familie aufzunehmen. Das sei geglückt und wäre auch für Klagenfurt ein möglicher Weg, sagt Pucher. Ein zweiter Schritt wäre, eine Einrichtung zu erschaffen, in der sie menschenwürdig schlafen können.

Das Grazer Vinzinest nimmt seit 1996 Roma und Sinti auf. „Wir haben pro Jahr im Schnitt eine Zunahme von einer Person. Das ist gar nichts. In Graz können wir beweisen, dass es geht.“

Graz hätte Bedarf für eine dritte Notschlafstelle sagt Pucher, aber die beiden bestehenden hätten nicht dazu geführt, dass viele Bettler nachkommen: „Auch wenn das manche Zeitungen herbeigeschrieben haben - es stimmt nicht. Wir können das durch die Anzahl der Betten, wo wir die Leute unterbringen, belegen.“

Pfarrer will Mythos um „Bettlermercedes“ aufklären

Pfarrer Pucher war in vielen Dörfern in der Slowakei und kennt das Leben der fahrenden Gruppen. Er weist die Behauptung zurück, dass es sich lediglich um organisierte Bettler handeln würde: „Ein jeder kennt den ‘Bettlermercedes‘ und fast jeder hat ein Handy mit Fotomöglichkeit bei sich. Ich habe gesagt, dass ich in Graz einen Preis in der Höhe von 1.000 Euro jenem zahle, der mir einen ‘Bettlermercedes‘ inklusive Kennzeichen bringt. Keiner bringt mir ein Foto, aber es wird so propagiert, dass es ihn gibt.“

Ein Mitglied in fast jeder Familie habe ein Auto, mit dem nach Österreich gefahren werde: „Jener, der fährt, verlangt gerechterweise einen Anteil für das Her- und wieder nach Hause bringen. Das machen sie so untereinander aus. Sie sind meist miteinander verwandt. Dass sie untereinander das Geld aufteilen, ist in diesem familiären Denken durchaus normal. Wir sind viel egoistischer. Sie denken größer. In einer Großfamilie lässt keiner den anderen verhungern oder frieren.“

Vinzigemeinschaft nimmt sich fahrender Gruppen an

Puchers Mitarbeiter betreuen auch eine Nudelfabrik in Hostice in der Slowakei. 14 Frauen sind dort beschäftigt, sie betteln nicht mehr, sondern stellen Teigwaren her, die in ganz Österreich verkauft werden, in Kärnten auch über die Vinzigemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist auch schon mit dem Sozialpreis der Stadt für die Verteilung von Tee und Broten an Bedürftige ausgezeichnet worden.

Die Vinzigemeinschaft will sich in ganz Österreich wieder stärker einbringen, auch im Umgang mit den fahrenden Gruppen, sagt Pfarrer Pucher. Das sei vor kurzem bei der Präsidentenkonferenz in Bozen beschlossen worden.

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