Künstler-Duo regt zum Nachdenken an

Sechs Monate haben Edith Payer und Markus Waitschacher im letzten Jahr in Smartno verbracht. Die Künstlerin und der Kulturanthropologe zeigen derzeit die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit im Living Studio der Stadtgalerie Klagenfurt. Sie wollen zum anders Schauen und zum Nachdenken anregen.

Ausgestellt ist zum Beispiel ein ganz besonderer Apfel, wie man ihn wahrscheinlich noch nie gesehen oder wahrgenommen hat: Übrig geblieben ist nur die Schale, durch ein großes Loch auf der Seite sieht man in das Innere, auf das perfekt erhaltene Kerngehäuse.

„Der Apfel ist ein Beispiel dafür, dass er nicht Abfall ist, aber gleichzeitig ist er von Insekten in so einen irrsinnigen Zustand gebracht worden, dass es wichtig ist, dass man so etwas präsentiert und den Blick auf das Detail lenkt“, sagt Edith Payer.

SSC Ausstellung Smartno Edith Payer Markus Weitschacher

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Ein verdörrter Apfel wird zum Kunstobjekt erhoben

Scheinbarer Abfall wird zum Kunstobjekt

Sie stellt gemeinsam mit Markus Waitschacher Gegenstände aus, wie sie normalerweise weder in einem Museum, noch in einer Galerie zu sehen sind.

Sendungshinweis:

„Servus, Srečno, Ciao“, 16.2.19

Markus Waitschacher: „Meistens sind es wertvolle oder besondere Gegenstände, etwas Außergewöhnliches. Bei uns funktioniert es quasi umgekehrt: Wir nehmen Gegenstände, die Menschen entweder bewusst nicht mehr haben wollten oder verloren haben. Also Gegenstände, die vielleicht in der Gesellschaft eher als wertlos klassifiziert werden. Natürlich kann man auch im umgekehrten Sinne aus den Gegenständen, die jemand nicht haben möchte, natürlich auch sehr viel rauslesen über diese Person oder die jeweilige Kultur.“

SSC Ausstellung Smartno Edith Payer Markus Weitschacher

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Fundgegenstände aus Smartno

Große Bandbreite an Fundstücken

Was haben die Künstlerin und der Kulturanthropologe alles gefunden? Die Bandbreite ist sehr groß. Sie reicht von liegen gelassenen Messern, Bürsten, Haargummis, Medikamentenverpackungen oder Schlüsselanhänger. 
„Das sind die üblichen Dinge, die man entweder unbewusst verliert oder einfach ganz bewusst irgendwo liegen lässt, weil einem nicht bewusst ist, wie lange diese Gegenstände in der Landschaft liegen bleiben“, so der Kulturanthropologe.

Manches ist aber für die Goriska Brda charakteristisch, sagt Markus Waitschacher. Auf ihn wirkt die Landschaft dort „hypergenutzt“: „Es wird sehr vieles angebaut. Es gibt auch sehr viel Tourismus. Das merkt man auch ein wenig anhand der Gegenstände, die man dort findet.“

SSC Ausstellung Smartno Edith Payer Markus Weitschacher

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Hohlschnüre aus dem Weinbau

Hohlschnüre: Vom Acker in die Vitrine

So zählten zu ihren Fundstücken auch viele Gegenstände, die im landwirtschaftlichen Zusammenhang verwendet werden, sagt Markus Waitschacher: „Wir haben eine größere Sammlung an Knoten aus sogenannten Hohlschnüren aus Plastik angelegt. Mit ihnen montiert man Weinreben an ihre Halterungen und ‚erzieht‘ sie dadurch, wie auch der Fachausdruck dafür heißt.“ In der Ausstellung sind diese Plastikknoten auf einem Quadrat aus Erde in einer Vitrine zu sehen. Plötzlich sehen auch sie völlig anders aus.

Edith Payer und Markus Waitschacher thematisieren natürlich, was auch in jeder Ausstellung in einem Museum eigentlich Thema ist. Ein Gegenstand wird gezeigt und ihm damit eine bestimmte Bedeutung gegeben, die er ohne diese Zuschreibung oder die Geschichte, die mit ihm erzählt wird, vielleicht gar nicht hätte.

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Markus Waitschacher und „seine“ Brosche

Neue Bedeutung für Weggeworfenes

Eines der Ausstellungsstücke ist Markus Waitschachers Lieblingsgegenstand: „Ich glaube, das ist eine Brosche, die jemand selbst gestaltet hat. Ich weiß aber nicht, wofür diese Brosche eigentlich gestanden ist oder was sie bedeutet hat.“

Das sei für ihn das Interessante an den meisten Gegenständen in der Ausstellung, sagt der Kulturanthropologe: „Wir als Betrachter oder als Finder interpretieren selbst eine gewisse Bedeutung hinein und laden diese Gegenstände mit Bedeutung auf.“

Die Künstler

Edith Payer wurde in Wolfsberg geboren und lebte bis zu ihrem 14. Lebensjahr im Lavanttal und bis nach der Matura in Velden. Sie absolvierte ihr Studium an der Akademie der Bildenden Künste Wien, wo sie bis heute lebt. 2017 erhielt sie das Atelierstipendium des Bundeskanzleramts in Shanghai.

Markus Waitschacher, in Klagenfurt geboren, ist aktuell Ausstellungskurator, Wissenschaftler und Kunstvermittler am Universalmuseum Joanneum Graz.

Überblick über Votivbilder aus Castelmonte

Das geschieht bei vielen Gegenständen in der Ausstellung. Zu sehen sind zum Beispiel auch Votivbilder aus Castelmonte. Seit vielen Jahren bedanken sich die Menschen bei der Gottesmutter Maria dafür, dass sie schwere Unfälle überlebt haben. Sieht man diese Darstellungen für sich alleine, erzählen sie eine ganz andere Geschichte. Zum Beispiel, welchen Gefahren die Menschen Tag für Tag ausgesetzt waren. Edith Payer sagt, ihr Aufenthalt in Smartno sei von einem stetigen Suchen und freudvollen Finden geprägt gewesen: „Wir waren ein paar Mal an der Adria und in den Natisone-Tälern oder am Sabotin. Dementsprechend haben wir sehr unterschiedliche Gegenstände gefunden.“

Neuer Blick auf Nachbarregion

Wenn eine Künstlerin wie Edith Payer und ein Wissenschaftler wie Markus Waitschacher ein halbes Jahr lang Gelegenheit haben an einem Ort wie Smartno zu arbeiten, dann entsteht nicht nur ein spannendes Projekt, sondern auch der eigene Blick verändert sich. Markus Waitschacher: „Der Tourismus, der in Smartno und in der ganzen Gegend sehr ausgeprägt ist, konnten wir in einem längeren Zeitraum beobachten. Ich war zwar selbst eine Art Tourist, aber trotzdem - durch das dort Leben und die Menschen kennenlernen - fühlt man sich doch heimisch und empfindet die anderen Touristen als Touristen und sich selbst natürlich nicht. Das war sehr interessant für mich.“

Edith Payer Smartno Geschäft

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Der Kontakt mit den Einheimischen erleichterte für Edith Payer as Eintauchen in die slowenische Kultur

Rückkehr macht Edith Payer „nostalgisch“

Edith Payer war das erste Mal länger in dieser Region. Dort über ein Stipendium, wie das der Landeshauptstadt Klagenfurt, leben und arbeiten zu können, hat für die Künstlerin eine ganz besondere Qualität: „Man hat sehr wenig Materialien mit. Man ist nicht so intensiv ausgestattet wie zu Hause im Atelier. Man hat einen besseren Fokus auf die Arbeit vor Ort und kann viel konzentrierter arbeiten. Man ist nicht so durch den Alltag abgelenkt.“

Bei unserem Besuch in Smartno für „Servus, Srecno, Ciao“ fühlte sich die Künstlerin „nostalgisch“ und es wurden Erinnerungen wach. Um diese Zeit liegt der Ort im Winterschlaf. Sie lernte ihn voriges Jahr gemeinsam mit ihrem Projektpartner zu einer Zeit kennen, während Ausflügler und Tagesgäste die engen Gassen füllen. Diesmal gab es nur ein Wiedersehen mit einer Bekannten, die ein kleines Geschäft voller duftender Seifen und Körperpflegeartikel betreibt. Smartno jetzt fast menschenleer zu erleben, habe aber auch seinen Reiz, sagt Edith Payer: „Es gibt eben diesen Makroblick und den Mikroblick. Wenn man sich die Landschaft anschaut, ist sie extrem malerisch. Wenn man aber genau die Wiesen und die Felder und auch die Weingärten untersucht, merkt man einfach, dass alles ziemlich kontaminiert ist. Das ist ist uns wichtig gewesen, das auch aufzuzeigen.“

Ausstellung bis 10. März zu sehen

Edith Payer und Markus Waitschacher waren von dem Aufenthalt in Smartno begeistert. Sie hoffen, dass noch viele Künstlerinnen und Künstler nach ihnen diese Gelegenheit bekommen werden. Die Ausstellung unter dem Titel „The Smartno Subject“ von Edith Payer und Markus Waitschacher ist bis 10. März im Livingstudio der Stadtgalerie Klagenfurt zu sehen.

SSC Ausstellung Smartno Edith Payer Markus Weitschacher

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Edith Payer und Markus Waitschacher im „Living Studio“ der Stadtgalerie

Kontakt und Öffnungszeiten:

LIVING STUDIO DER STADTGALERIE KLAGENFURT
Theatergasse 4, A-9020 Klagenfurt am Wörthersee

Öffnungszeiten: Täglich außer Montag von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr; Am 5. März (Faschingsdienstag) ist die Galerie geschlossen. Eintritt frei.

Telefon: +43 463 537-5545 oder -5532 stadtgalerie@klagenfurt.at

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