„Altershirndruck“ - die unbekannte Demenz

Nicht jeder Gedächtnisverlust ist gleich Alzheimer. Kommen drei typische Symptome zusammen, handelt es sich um einen Altershydrozephalus, eine Störung der Gehirnwasser-Zirkulation. Die Symptome sind Gangstörungen, Gedächtnisprobleme und Inkontinenz. Die Störung ist gut behandelbar.

Laut Primar Giles Vince von der Neurochirurgie am Klinikum Klagenfurt ist der Altershydrozephalus eine besondere Form der Nervenwasser-Zirkulationsstörung. Dies ist ein Zustand, bei dem das Nervenwasser nicht ordentlich von den Hirnwasserkammern abfließen könne. Für Betroffene beginnt manchmal ein jahrelanger Weg von einem Arzt zum anderen, weil die Störung oft nicht richtig diagnostiziert oder mit Parkinson und Alzheimer verwechselt wird.

Altershirndruck Betroffener

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Der Urologe wollte Herrn K. schon an der Prostata operieren lassen.

„Über Stufen drübergestolpert“

Herr K. schilderte im ORF seine Erkrankung: „Ich bin immer langsamer gegangen, bei jeder kleinen Stufe bin ich drübergestolpert, habe oft das WC aufsuchen müssen und das Merken ist ganz schlecht geworden.“ Freunde scherzten, er hätte wohl Alzheimer.

Der Hausarzt schickte ihn zum Urologen, der gleich einen Termin für eine Prostataoperation ansetzen wollte. Herrn K. kam der Zufall zu Hilfe: Ein Arzt im Bekanntenkreis erkannte die drei typischen Symptome Gangstörung, Gedächtnisprobleme und Inkontinenz und riet zu einem sofortigen MRT. Es sei dann schnell klar geworden, dass es sich um den Altershydrozephalus handelte, schilderte der Betroffene. Eine Störung, von der weder er noch seine Familie je gehört hatten.

Altershirndruck Hydrozephalus

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Dieses kleine Ventil wird in den Schädel operiert. Moderne können von außen eingestellt werden, wie es der Patient benötigt.

Ventil und Schlauch werden eingesetzt

Im Klinikum Klagenfurt wurde eine Punktion des Nervenwasserkanals durchgeführt und durch die künstliche Ableitung ging es ihm rasch besser. Daher entschied er sich auf Anraten seiner Ärzte zum Setzen eines so gekannten Shunts, einer künstlichen, permanenten Ableitung. Operativ wird ein Ventil in den Schädel eingesetzt, ein Ableitungskatheter führt unter der Haut bis in den Bauchraum, wo das Hirnwasser vom Körper aufgenommen wird. Das Ventil ist von außen steuerbar, sodass die Ärzte den Abfluss je nach Bedarf regeln können.

Altershirndruck Hydrozephalus

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Der kurze Schlauch auf dem Tisch kommt an das Ventil in den Kopf, der längere Schlauch wird unter der Haut eingesetzt und läuft bis in den Bauchraum, wo das Nervenwasser aufgenommen wird. Die lange Nadel gehört zur Verpackung.

Der Vorstand der Neurologie am Klinikum Klagenfurt, Jörg Weber, betonte, dass grundsätzlich jede Demenz „bis zum Beweis des Gegenteils“ als heilbar zu gelten habe. Man könne nicht jede Demenz gleich in die Schublade Alzheimer stecken, so Weber. Denn gerade der „Altershirndruck“ täusche eine Alzheimererkrankung gewissermaßen nur vor, sei aber gut behandelbar, so Weber.

130 Kärntner betroffen

In Kärnten sind statistisch etwa 130 Personen vom Altershydrozephalus betroffen, rund 30 finden den Weg ins Klinikum und von diesen erhalten rund zehn einen Shunt eingesetzt. Es ist keine Volkskrankheit, aber die Behandlung gibt Betroffenen ihre Lebensqualität zurück.

Sendungshinweis:

Kärnten heute, 24.2.2014

Die Mediziner kennen nur einige Ursachen für die Störung der Nervenwasserzirkulation: Dies können Schläge gegen den Kopf sein oder auch Infektionen wie Gehirnhautentzündung, die oft jahrzehntelang zurückliegen und sich dann im Alter mit den genannten Symptomen zeigen. Warum diese Zirkulationsprobleme überhaupt auf Gedächtnis, Blase und Motorik Einfluss haben, ist ebenfalls noch nicht erforscht.

Gute Prognose

Die Prognose nach dem Setzen eines Shunts sei gut, so Weber. Vor allem die motorischen Probleme bessern sich oft binnen weniger Wochen, Besserungen seien auch bei den Gedächtnisproblemen und der Inkontinenz möglich, wenn auch nicht immer im selben Ausmaß. Es hänge wie bei vielen Krankheiten von einer frühzeitigen Diagnose ab.

Weber betonte, dass man direkt in die Ambulanz der Neurologie kommen könne, wo weitere Untersuchungen angesetzt werden. Herr K. hat seit einigen Monaten nun einen Shunt, der operativ eingesetzt wurde. Bei ihm besserten sich alle Symptome. Petra Haas/kaernten.ORF.at

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