Immer mehr leben (lieber) alleine

Wenn man von der klassischen Familienstruktur ausgeht, gibt es in Kärnten 94.000 Singles. Nicht alle sind aber echte Singles, sie ziehen es nur vor, trotz Partnerschaft alleine zu leben. Mehr als die Hälfte der Singles ist älter als 60, viele davon verwitwet.

Für Patrick Mandl aus Klagenfurt sind Hochzeit und Kinder nicht ausgeschlossen, momentan genießt der 27-Jährige aber noch die Vorzüge des Single-Daseins: „Ich finde, gerade in meinem Alter kann man seinen Fokus gerne noch auf berufliche Angelegenheiten legen - wenn es soweit sein soll, wird es soweit sein. Man muss nicht zwanghaft nach etwas suchen. Ich bin ja noch jung genug.“

Patrick Mandl Single

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Patrick Mandl will nichts überstürzen, aber schließt eine spätere Familiengründung nicht aus.

Statistik: Ehen halten im Durchschnitt zehn Jahre

Tendenziell gründen junge Kärntner immer später eine Familie und leben immer länger alleine. Stichwort: Lebensabschnittspartner, sagt Soziologe Dieter Bögenhold: „Es werden heutzutage immer weniger Ehen geschlossen. Parallel dazu werden die Ehen, die geschlossen werden, sehr viel häufiger geschieden. Nach zehn Jahren ist jede zweite Ehe nicht mehr existent.“

Die Statistik zeigt, dass sich seit 1960 die Zahl der Ein-Personen-Haushalte mehr als vervierfachte. Evelin Leiner von der Statistik des Landes Kärnten sagte, im Jahr 2017 waren es 52.000 Frauen in Kärnten und 42.00 Männer.

Singles in Kärnten Dating Plattformen

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Gudrun Wasserfaller möchte auch in einer neuen Beziehung keine Wohnung mehr teilen

Alleinerziehende als Sonderfall

Doch nur, weil jemand alleine lebt, heißt das nicht, dass er sich zwangsläufig in keiner Partnerschaft befindet oder freiwillig alleine ist. Alleinerziehende Mütter etwa seien streng genommen nicht „richtige“ Singles, aber so etwas ähnliches. Sie gehören zu den Gruppierungen, die statistisch betrachtet in Armutsuntersuchungen immer besonders auffällig als eine solche Risikogruppe sind, sagt Bögenhold.

Oft unfreiwillig allein

Die Hälfte der Kärntner, die alleine leben, ist älter als 60 Jahre, die meisten von ihnen verwitwet, geschieden oder getrennt lebend. So wie Gudrun Wasserfaller. Nach 25 Jahren Ehe und drei Kindern ist die 56-Jährige seit zweieinhalb Jahren Single: „Ob ich noch einmal eine Beziehung eingehen möchte oder werde, kann ich jetzt noch überhaupt nicht beantworten. Ich bin erfüllt mit dem was ich selber lebe. Was ich nicht mehr möchte ist, gemeinsam in einer Wohnung leben.“

Tinder App Handy

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Zusammenwohnen ein „Auslaufmodell“?

Die klassische Familie sterbe zwar nicht aus, sie verändere nur ihre Funktion, sagt Dieter Bögenhold. Das Bedürfnis nach einer Beziehung bleibe auch weiterhin bestehen, es hätten sich einfach die Modelle gewandelt, so Bögenhold. Generell verändere sich das Modell der Familie und des Zusammenwohnens, sagt Dieter Bögenhold. Die eigenen vier Wände stellen für viele einen geeigneten Rückzugsort dar. Deshalb sei es wichtig, für sich selber die geeignetste Lösung zu finden, sagt der Soziologe: „Das Ganze ist schillernd und zwiespältig. Da kommen bestimmte positive und negative Elemente miteinander in Konflikt.“

Dating im Internet immer beliebter

Die Menschen wechseln im Laufe ihres Lebens auch öfter die Partner. Digitale Datingplattformen zählen immer mehr Mitglieder. Dort würde sich zwar die Auswahl, aber nicht zwangsläufig die Chance erhöhen. Soziologe Dieter Bögenhold sagte dazu: „Es geht da sozusagen zu wie in einem völlig neuen Formen eines elektronischen Bazars, wo die Menschen sich feilbieten. Dieses romantische Ideal des Partnerfindens mit sich verlieben auf den ersten Blick - das findet definitiv nicht mehr statt.“

Es sei nicht zu erwarten, dass sich die Gesellschaft in naher Zukunft zurück zu alten Werten besinnen werde, sagt der Experte. Das sei in ganz Europa ähnlich. Welche Beziehungsform die Richtige ist, müsse jeder für sich alleine entscheiden, so Bögenhold.