Kärnten wollte Vorzeigeland für Atomkraft sein

1978 hat sich Österreich in einer Volksabstimmung knapp gegen Atomkraft entschieden. Das AKW Zwentendorf ging nie in Betrieb. Damals waren auch in Kärntner Tälern einige AKWs geplant. Bei der Volksabstimmung waren 55 Prozent der Kärntner dafür.

Seit 40 Jahren ist das Atomsperrgesetz im Verfassungsrang, der Siedewasserreaktor in Zwentendorf wurde mit mehr als fünf Milliarden Schilling Baukosten (nach heutiger Kaufkraft gerechnet rund eine Milliarde Euro) zur teuersten Ruine Österreichs. Bereits zu Baubeginn sorgte ein Erdbeben für Probleme, 1972 wurde das Fundament beschädigt, es musste abgerissen und neu gebaut werden.

Andreas Kuchler AKW Zeitgeschichte

Andreas Kuchler

Andreas Kuchler

„Man wollte vorne dabei sein“

Bis zum knappen Nein der Bevölkerung österreichweit hatte man große Pläne für die Atomkraft und plante auch einige AKWs in Kärnten. Man wollte im Nachkriegseuropa vorne dabei sein, sagte Andreas Kuchler. Der studierte Zeitgeschichtler beschäftigt sich mit der Geschichte der Energiegewinnung im Land: „Es war keine Notwendigkeit. Der Druck, in die Kernenergie zu investieren, kam von der Politik, von der Bundesregierung, und nicht von den Energieversorgern.“

Auslöser für das Kernkraftengagement Österreichs sei die Weltkraftkonferenz 1955 gewesen. Am selben Tag sei auch die Österreichische Studiengesellschaft für Atomenergie ins Leben gerufen worden. „Österreich wollte in der ersten Liga der Atomenergiestaaten mitspielen.“

AKW Drau Standort Kärnten

ORF

An der Drau hätte ein AKW gebaut werden sollen

Obervellach, Edling und Arnoldstein

Ein AKW in Zwentendorf in Niederösterreich wurde gebaut, eines in S. Panthaleon in Oberösterreich war geplant. Das dritte wäre dann höchstwahrscheinlich in Kärnten gestanden: „Ab Mitte der 1950er Jahre gab es Standortuntersuchungen in ganz Österreich. In Kärnten gab es Untersuchungen in St. Andrä im Lavanttal, wo später ein thermisches Kraftwerk stand. Von den Draukraftwerken wurden auch Flächen im Bereich des Stauraumes Edling gesichert.“

Es seien auch zwei weitere Standorte im Gespräch gewesen, so Kuchler: „Obervellach im Mölltal und Arnoldstein im Gailal. Auch hier in der Nähe zu Flüssen, ich bezweifle aber, dass die Möll und die Gail in diesen Bereichen die Kapazität haben, die entsprechende Kühlwasserleistung für ein Kernkraftwerk zu leisten.“

„Es sollte so rasch wie möglich gehen“

Die Kriterien für einen Standort waren Nähe zur Industrie als Stromabnehmer und ein Fluss, der genügend Kühlwasser für den Reaktor liefern konnte. Das war in Edling gegeben. Die geringe Entfernung zu Völkermarkt reichte damals als Sicherheitsabstand: „In den 1950er und 1960er Jahren hat es ja noch keine schweren Reaktorunfälle gegeben, deswegen war man sehr zuversichtlich, hat sich kaum Gedanken etwa über Endlagerstätten gemacht. Das waren Randthemen.“ Man wollte so rasch wie möglich Werke in Österreich realisieren.

Atomunfall in der Schweiz

1957 schon gab es die ersten schweren Atomunfälle in Sellafield in Großbritannien und in Kyschtym in der Sowjetunion. Fünf Jahre später gab es nur wenige hundert Kilometer von Österreich entfernt eine Kernschmelze, so Kuchler: „Es hat Kernenergieunfälle gegeben, auch in der Schweiz 1960, davon weiß man wenig. Das Glück dort war, dass ein Supergau in einem Bergstollen stattfand und nicht nach außen drang. Daher konnte eine größere Katastrophe verhindert werden.“

Es handelte sich dabei um einen Versuchsreaktor, der in eine Felskaverne gebaut wurde. Wasser in der Kaverne hatte für Korrosion gesorgt, die die Kühlung beeinträchtigt hatte. Als der Reaktor nach einer Revision hochgefahren wurde, schmolz ein Brennelement, radioaktives Material flog durch die Kaverne. Sie konnte rechtzeitig verschlossen und das Personal in Sicherheit gebracht werden. In Kärnten stimmten 20 Jahre später fast 55 Prozent für die Atomkraft.