Lebenserinnerungen: Nur Technik im Kopf

Der 80-jährige Klagenfurter Herbert Huber ist ein technisches Multitalent. Während seines langen Berufslebens steuerte er Loks und Schiffe, erforschte die Verkehrsgeschichte Kärntens und arbeitet als Gutachter, unter anderem beim tödlichen Bootsunfall 2016.

Huber beschäftigt sich nicht nur mit Geschichte, sein Leben ist Teil davon: „Ich bin am 4. April 1938 zur Welt gekommen, an dem Tag war Adolf Hitler in Klagenfurt und hat zur Bevölkerung über die bevorstehende Volksabstimmung gesprochen. Jede Mutter, die an diesem Tag einen Sohn geboren und ihn Adolf getauft hat, hat ein Sparbuch mit 2.000 Reichsmark bekommen. Das war der Gegenwert eines KdF-Wagens, später VW-Käfer.“ Seine Mutter habe das aber nicht getan, so Huber.

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ORF/Peter Matha

Herbert Huber im Gespräch mit Peter Matha

Sie habe gesagt, mit diesem Menschen bringe es nichts. Daher habe sie nur einen Strauß weißer Nelken bekommen. „Aber diese Sparbücher waren fünf Jahre gesperrt und sind 1943 zwangsweise in Kriegsanleihen umgewandelt worden.“ Somit waren sie dann wertlos.

Herbert Huber Mann der Technik

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Mit acht fuhr Herbert Huber mit der Beiwagenmaschine des Vaters umher

Liebe zur Technik kam schon in Kindheit

Die Liebe zur Technik kam bei Herbert Huber schon früh: „Mein Vater war damals Landesmontageleiter bei der KELAG. 1952, nach der Hauptschule, war für mich klar, dass ich in die Staatsgewerbeschule wollte, Abteilung Elektrotechnik. Der Wunsch ist in Erfüllung gegangen, 1957 habe ich maturiert.“

Der Vater hatte damals auch ein Motorrad, eine Beiwagenmaschine, und seit er acht Jahre alt war, fuhr der Sohn damit umher. Auch mit dem Dienstwagen des Vaters fuhr Herbert Huber.

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Nach dem Führerschein kam er in den Dienst der Bundesbahn, zunächst als Fahrdienstleiter. In der Steiermark zahlte die Industrie viel höhere Gehälter in der Industrie, daher sei er auch dorthin gegangen. Friedberg-Fehring sei seine erste Strecke gewesen, dort fuhren fast nur Kärntner. Der Traum war es aber, Lokführer zu werden, so Huber. 1959 war es soweit, er wurde nach St. Veit zur Ausbildung zum Heizer in Dampfloks versetzt. Nach drei Monaten absolvierte er die staatliche Dampfkesselwärterprüfung, dann die staatliche Dampflokführerprüfung. Danach folgten die E-Lok- und Diesellokausbildung samt Prüfungen.

„Lokführer hatten mehr Freiheit“

„Man hat viel mehr Spielraum gehabt. Die Lokomotiven, Dampfloks überhaupt, hatten damals keine schriftlichen Aufzeichnungen während des Betriebes, Schutzmagneten gab es auch nicht. Der Lokführer hatte viel mehr Freiheiten, obwohl eine Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit bei mir nie gemacht wurde, das ist zu gefährlich.“ Er steuerte die großen Fahrzeuge aber nicht nur, Hubert kannte auch die Maschinen in- und auswendig. Nicht zuletzt dank älterer, erfahrener Lokführer.

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Dampfschiff „Thalia“ vor Verschrottung gerettet

1965 wechselte er zu den Stadtwerken Klagenfurt und wurde ein Jahr später Betriebsleiter. Es habe Autobusse und Schifffahrt gegeben, daher machte er die Schiffsführerausbildung und dürfe Schiffe aller Bauart und Größen führen, auf Binnenseen und Flüssen außer auf Wasserstraßen. Damals habe Bürgermeister Außerwinkler das Dampfschiff „Thalia“ verschrotten wollen, der Generaldirektor der Stadtwerke habe zu Huber gesagt, er solle ausrechnen, was es kosten würde, das Schiff wieder flott zu machen.

Hubert kam auf 385.000 Schilling, ihm seien dann 400.000 Schillig bewilligt worden. Um 386.000 Schilling habe er die Thalia saniert. „Bei der ersten Fahrt 1969 hat Kapitän Mathias Juritsch, der das Schiff seit 1938 gesteuert hat, gesagt, so schön ist es noch nie gelaufen.“

Immer wieder trifft man Herbert Huber auch bei Gericht als Sachverständiger für die Bereiche Straßenverkehr, Eisenbahn- und Schifffahrtswesen. Er sei der einzige zertifizierte Sachverständige für Eisenbahnwesen in Kärnten. Heute sei er aber in diesem Bereich kaum mehr im Einsatz: „Die ÖBB streiten nicht mehr.“ Zuletzt war er im Einsatz nach dem tödlichen Bootsunfall auf dem Wörthersee.

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Streitbar und verärgert über Fehler

Auch Privat gilt für ihn, Fehler und Dummheiten aufzuzeigen. Es ärgert ihn, wenn Medien Zug- und Lokführer miteinander verwechseln. Da sollte man besser recherchieren, sagt Huber. Heute fahren die meisten Züge im Personennahverkehr ohne Zugbegleitmannschaft. Der Lokführer sei der einzige ÖBB-Bedienstete am Zug. Die in den Medien oft genannte Südbahn sei auch nicht die Südbahn - die führe von Wien-Graz-Laibach nach Triest. „Was hier fälschlicherweise als Südbahn bezeichnet wird, ist die Kronprinz-Rudolf-Bahn, die von Amstetten nach Pontafel (Italien) gebaut wurde. Aus strategischen Gründen wurde sie nach Udine weiter gebaut.“

Bedenken zu eingleisigem Karawankentunnel

Huber ist streitbar und er sagt seine Meinung. Wenn in seiner Anwesenheit Falsches berichtet werde, könne er nicht ruhig bleiben. Aber auch die ÖBB kritisiert er. Er habe Bedenken geäußert, den Karawankenbahntunnel von Rosenbach nach Aßling auf ein Gleis zurückzubauen. „Auf der ganzen Welt beseitigt man Engstellen, hier will man auf ein Gleis rückbauen, das hat mir nicht gefallen, aber die Entscheidung treffe nicht ich.“ - mehr dazu in Karawankenbahntunnel wird saniert.

Auch auf der Gailtalbahn war Herbert Huber als Lokführer unterwegs: „Die Gailtalbahn wurde in der k.u.k-Zeit gebaut. Damals durfte eine Nebenbahn nur gebaut werden, wenn sie mehr als 30 Kilometer lang war. Diese waren aber weder von Arnoldstein nach Hermagor noch von Hermagor nach Kötschach-Mauthen einzuhalten. So wurden die Bahnen durch das Tal geschlängelt, damit sie auf 30,5 Kilometer kamen.“ Heute ist Herbert Huber noch für die Nostalgiebahnen unterwegs.

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Als ein Kleinkind auf den Schienen saß...

Eine Erinnerung hat ihn nie verlassen: Als er beinahe mit seinem Zug ein Kind überfahren hätte. Er sei damals mit einem Dieseltriebwagen 5042 und drei Beiwagen nach Kötschach-Mauthen und retour gefahren: „Als wir uns so durchs Tal geschlängelt haben, habe ich auf dem Gleis plötzlich eine Gruppe Kinder sitzen gesehen. Ich habe sofort äußerste Schnellbremsung mit Sand und das Signal gegeben. Die Kinder sind aufgesprungen und in die Wiese gelaufen. Ich habe die Bremse wieder gelöst, es ging leicht abwärts und als ich um die letzte Kurve komme, sehe ich ein kleines Kind am Gleis sitzen. Da hatte ich selbst noch zwei kleine Kinder, äußerste Schnellbremsung und zum Herrgott gebetet. Aber es hat nicht gereicht, ich bin über das Kind drübergefahren, wenn auch nur ein kurzes Stück. Ich war fertig, ich hab auch geweint.“

Er habe dem Zugführer Bescheid gegeben, dass er ein Kind überfahren habe. Der sei hinausgegangen und plötzlich habe der Kollege ans Seitenfenster geklopft: „Da steht er mit einem Lächeln und sagte, komm raus, das musst du dir anschauen. Ich habe an seinem Geisteszustand gezweifelt, bin aber hinausgegangen. Da sitzt ein ca. eineinhalbjähriger Bub auf dem Schienenkopf. Ich habe ihn mit dem hölzernen Bahnräumer rund einen Meter vor mir hergeschoben. Es ist nicht zu beschreiben, was ich empfunden habe.“ Der Bub war unverletzt. Er habe das Kind auf den Arm genommen und einem der größeren Kinder in die Hand gedrückt und furchtbar geschimpft.

Andere hatten nicht soviel Glück

Er habe nachgeforscht, wer das Kind war, das im Gailtal soviel Glück hatte. Doch leider habe er nie erfahren, wer der heute rund 60 Jahre alte Mann war. Er würde sich freuen, von ihm zu hören, sagte Huber.

Herbert Huber hat Tränen in den Augen als er erzählt, dass ihm am selben Tag der Fahrdienstleiter berichtet habe, dass der Zug von Venedig nach Wien den dreijährigen Sohn des Bahnwärters in Thörl-Maglern überfahren und getötet hatte. Dieses Schicksal, ein Kind zu töten, sei ihm erspart geblieben, dafür habe er dem Herrgott gedankt, sagt Huber.