Essstörungen: Wenn der Körperkult krank macht

Körperkult und übertriebene Schönheitsideale sorgen für eine weiter steigende Zahl an schweren Essstörungen, 7.500 Österreicher unter 20 sind betroffen. In Kärnten wurde deswegen am Montag Österreichs erste Spezialklinik für Essstörungen eröffnet.

Rund 200.000 Menschen in Österreich erkranken mindestens einmal in ihrem Leben an einer Essstörung. Rund 7.500 Österreicher unter 20 Jahren leiden an einer akuten Essstörung, über 90 Prozent davon sind Mädchen. Auf diese alarmierenden Zahlen macht die Diakonie Waiern anlässlich des „Tages der psychischen Gesundheit“ am Dienstag aufmerksam. Am Montag eröffnete die Diakonie in Feldkirchen Österreichs erste Spezialklinik für Betroffene, die „Sarepta“ – mehr dazu in Neue Spezialklinik für Magersüchtige.

Wenn Menschen sich zu Tode hungern

Magersucht, auch Anorexie, und die Ess-Brechsucht Bulimie zählen zu den schwersten Essstörungen. Es wird geschätzt, dass 15 Prozent der Magersüchtigen den körperlichen Folgen der Essstörung, wie Herzrhythmusstörungen und Nierenversagen, erliegen. „Aufgrund der hohen Mortalitätsrate von bis zu 15 Prozent brauchen von Magersucht betroffene Menschen dringend eine Möglichkeit der stationären Behandlung“, sagt Gustav Raimann, Ärztlicher Leiter der neuen Diakonie-Klinik. Verhaltenstherapie sei deswegen wichtiger Bestandteil der Behandlung, „Übungen zum Selbstwert und zur Identität nehmen den größten Raum in der Gruppentherapie ein.“

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Im Krankenhaus Feldkirchen wurde die neue Spezialklinik eröffnet

Wichtige Themen der Therapie sind auch die Abgrenzung von den Erwartungen anderer, so Raimann: „Frau-Sein heute, Schönheits- und Schlankheitsideal, Perfektionismus, Selbst- und Körperakzeptanz nehmen wir zum Ende der Therapie hinzu“.

Kult um Schönheit und Körper

„Der Kult um Schönheit und Körper stellt einen idealen Nährboden für die Entwicklung von Essstörungen dar“, so Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie Österreich und Psychologe. „Essstörungen sind keinesfalls Ernährungsprobleme, sondern ernstzunehmende psychische Erkrankungen“, so der Experte. Das problematische Essverhalten sei vielmehr ein Ausdruck dafür, dass belastende und herausfordernde Situationen nicht bewältigt werden können.

Nur mit allgemeiner Lebenshilfe könnten die Betroffenen deswegen geheilt werden, sagte Schenk: „Mein Leben meistern zu können, Anerkennung und Wertschätzung zu erleben, mich selbst als wertvoll zu erfahren – all das brauchen wir persönlich wie gesellschaftlich als Gegengift.“

Hilfe für Betroffene

In der neuen Spezialklinik werden je zwölf Patienten aus ganz Österreich über einen Zeitraum von sechs Wochen stationär aufgenommen, danach folgt eine sechsmonatige ambulante Nachbetreuung.

In Linz betreibt die Diakonie zwei Wohngruppen für Betroffene, speziell für Jugendliche ab zwölf Jahren und für junge Erwachsene bis ca. 30 Jahren – mehr dazu in Neues Beratungszentrum in der Spattstraße (ooe.ORF.at). Bulimie und Anorexie sind heimtückisch. Du glaubst, du hast die Krankheit im Griff, und plötzlich braucht es nicht viel, und die Krankheit hat wieder dich im Griff", erzählt Andrea Boxhofer von der Diakonie Spattstrasse. Vorrangige Ziele sind ein positives Selbstbild zu entwickeln, genussvolles Essen wieder zu erlernen und ein gesundes Gewicht zu erreichen.

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