Erdbebenforschung am Grund der Kärntner Seen

Um Erdbeben besser vorhersagen zu können, untersuchen Geologen die Tiefen der Kärntner Seen. Denn dort haben Erdbeben deutliche Spuren hinterlassen. Die Daten sollen bei der Erstellung von Gefahrenzonenplänen einfließen.

In den Tiefen der heimischen Seen schlummern noch viele Unbekannte, die es zu erforschen gilt. Diesen Unbekannten waren Geologieforscher der Universität Innsbruck kürzlich mit einem Forschungsboot auf den Kärntner Seen unterwegs. Die Wissenschaftler aus Österreich, Belgien und Italien analysierten die Seeböden und suchten nach Spuren vergangener Erdbeben. Die Kärntner Seen eignen sich dafür besonders gut, da die seismischen Aktivitäten hier zahlreich waren und noch immer gut sichtbar sind.

Erdbebenforschung Wörthersee Geologen

ORF

Die Forscher arbeiten mit einer seismischen Methode und entnehmen überdies Bohrkerne

Das Forschungsprojekt ist auf vier Jahre ausgelegt. Die Geologen hoffen, Schlüsse auf die Häufigkeit von großen und sehr großen Erdbeben im Alpenraum ziehen zu können. Die gesammelten Daten sollen bei der Erstellung von Gefahrenzonenplänen einfließen und die Vorhersagbarkeit von Erdbeben verbessern. „Die Frage ist auch, ob der Rückgang der Vergletscherung und die dadurch verringerte Stabilität die großen Erdbeben erst möglich gemacht haben“, erläutert Projektleiter Jasper Moernaut.

Deutliche Erdbebenspuren in den Tiefen der Seen

Die Geologen Christoph Daxer, Moernaut und Maddalena Sammartini vom Institut für Ozeanografie und Geophysik Triest untersuchten am Wörthersee Sedimentablagerungen. Denn der See sei wie ein „Archiv für vergangene Erdbeben“, sagt Daxer. Diese hätten Rutschungen verursacht, die nun untersucht werden.

„Die Sedimente sind wie Jahresringe bei einem Baum“, erklärt auch Projektleiter Moernaut. „Am Land unterliegt ein Erdrutsch der Erosion, oder Menschen tragen das Geröll weg und bauen Straßen. Am Seegrund gibt es das alles nicht.“ Und die Zusammensetzung der Erdrutschsedimente unterscheidet sich deutlich von den üblichen Ablagerungen.

Geologen Erdbebenforschung Wörthersee

ORF

Bohrkern der Sedimente aus 80 Meter Tiefe

Verheerendes Beben im Jahr 1348

Kärnten eignet sich für die Erdbebenforschung besonders gut, fand doch hier 1348 eines der größten Erdbeben im Alpenraum statt. Vor 670 Jahren erschütterte das massive Erdbeben den Raum Kärnten und Friaul. Verheerende Schäden waren die Folge. Damals stürzte ein Teil des Villacher Hausbergs Dobratsch herunter und verschloss das Gailtal, woraufhin sich die Gail zu einem See aufstaute.

„Große Erdbeben gibt es alle 200 oder 300 Jahre. Die letzten 800 Jahre sind durch historische Quellen relativ gut dokumentiert“, erklärt Moernaut. Aber wie oft gibt es ein Beben, das Berge einstürzen lässt? Ein Beben wie 1348? Die Forscher suchen nun nach ähnlich großen Erdbeben vor 1348 und ob sie zyklisch vorkommen bzw. künftig vorkommen können.

Erdbebenforschung Wörthersee Geologen

ORF

Man erhofft sich bessere Voraussagen für die Zukunft und besseres Erkennen von Gefahrenzonen

„Karte“ vom Seegrund wird erstellt

Zwei Methoden wenden die Forscher dafür an, so Daxer. Einerseits durch eine seismische Methode, bei der akustische Wellen in den Untergrund geschossen und von dem Grund reflektiert werden. Das könne man sich dann am Computer anschauen und Sedimentstrukturen erkennen. Die zweite Methode sei das Ziehen von Bohrkernen. Das machen die Geologen an der tiefsten Stelle des Sees, 80 Meter ist der Wörthersee hier tief. Der Bohrkern wird entnommen und zur Analyse ins Labor geschickt. Bei der Probeentnahme sind die Geologen auch auf gutes Wetter angewiesen. Bei Wellen seien die Daten nicht brauchbar, sagt Moernaut.

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Geologen am Wörthersee

Man erhofft sich Erkenntnisse über die bessere Vorhersage von Erdbeben und Erstellung von Gefahrenzonenplänen.

Rückblick auf 14.000 Jahre

In der Veldener Bucht sind die Forscher bereits fündig geworden. Hier zeigen die Ablagerungen am Seegrund einen großen Erdrutsch an. Die Vermutung liegt nahe, dass das Erdbeben von 1348 der Auslöser gewesen sein könnte. Die Auswertung der Proben wird Gewissheit bringen. Die aktuell gezogenen Proben sind noch vergleichsweise klein. Plexiglasröhren, die mit einem Gewicht beschwert in den Boden gestoßen werden, fördern etwa die oberen eineinhalb Meter Seegrund zutage. Im kommenden Sommer wird in einem nächsten Schritt rund 15 Meter tief gebohrt. Moernaut: „Vielleicht 14.000 Jahre werden wir dann im Sedimentkern haben.“

Das Gesamtbudget von 400.000 Euro für das Forschungsprojekt wird in erster Linie durch eine Förderung des Wissenschaftsfonds gespeist. Weitere Unterstützung gibt es durch die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), welche den seismologischen und historischen Teil beiträgt, von Geologen der Universitäten Wien und Salzburg, sowie vom Kärntner Institut für Seenforschung.