Antikes Kräuterwissen aus Görz entdecken

In Görz können Interessierte eine Zeitreise zurück in jene Zeit erleben, als es in der Stadt noch zahlreiche Gewürzhandlungen gab. Nur Wenige haben das Wissen um die Heilkraft aus der Natur bis heute erhalten.

Sie tragen klingende Namen wie „Teriaca“, „Lauroceraso“ und „Semada“ - es handelt sich um alte, heilende Rezepturen, die in und um Görz verbreitet waren. Verkauft wurden sie in vier Gewürzhandlungen der Stadt, die Vorläufer der heutigen Apotheken waren, erklärt Führerin Sabrina Pellizon.

SSC Apotheke in Görz Gewürzhandlung

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Einst „Künstler“ der Heilmittelerzeugung

Sie alle sind mittelalterlichen Ursprungs. Die Zubereitung der „alchemischen Mischungen“ - wie sie damals genannt wurden - wurde unter der Bevölkerung als richtige „Kunst“ angesehen. Nur den „Spezieri“, den Gewürzhändlern, war es einst vorbehalten, diese Heilmittel herzustellen, sagt Sabrina Pellizon: „Sie waren profunde Kenner der therapeutischen Wirkung von Kräutern: Sie wussten genau, wie man Pflanzen und Kräuter pflücken, bewahren und vermischen sollte, um sie zu Arzneien zu verarbeiten.“

SSC Lauroceraso Kirschlorbeer

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In diesem Behälter wurde der „Lauroceraso“ verkauft

Destillat aus Kirschlorbeeren sorgt für Mandelaroma

In den alten Gewürzhandlungen war die Auswahl groß: Neben Kräutern und Gewürzmischungen wurden dort auch auch Parfüms, Farben, Wachs für Kerzen, Seifen, Papier, Tinte und selbstgemachte Süßspeisen angeboten - zum Beispiel verfeinert mit „Lauroceraso“, also Kirschlorbeere.

SSC Lauroceraso Kirschlorbeer

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k&k-Hoflieferant für Präparate aus Kirschlorbeer

Die Apotheke zum Braunbären war früher darauf spezialisiert, daraus ein Destillat herzustellen. Es wurde sogar bis an den Wiener Hof geliefert, auch wenn es sich eigentlich um ein Gift handelte, sagt Apothekerin Giulia Provvidenti: „Sein Geruch und Geschmack erinnern an Mandeln. In geringen Dosen wurde der Lauroceraso früher verwendet, um Speisen zu verfeinern.“ Heute ist er vor allem für die Herstellung von Kosmetika gefragt - also für Cremen, die einen leichten Mandelduft haben. Die benötigen Mengen werden aber nur mehr industriell hergestellt.

SSC Apotheke in Görz Gewürzhandlung

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Händisch wird hier nach wie vor in einer aufwändigen Prozedur Melissengeist hergestellt - er soll bei Unruhezuständen, Schwäche und Verdauungsbeschwerden helfen.

SSC Apotheke in Görz Gewürzhandlung

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Selbst Casanova schwörte auf „Teriaca“

Das wichtigste Raum der Gewürzhandlung war das „Laboratorium“, wo die Rohstoffe verarbeitet wurden. Hinter den Gewürzhandlungen gab es oft weitläufige Garten, wo die Spezieri ihre Kräuter und Gewürze selbst anbauten. Auf mehreren Etappen gilt es, die noch sichtbaren Spuren aus dieser Zeit zu erkunden. Sabrina Pellizon zeigt Interessierten die noch verbliebenen Spuren der „Ars Galenica“, der antiken Apothekerkunde. Es gibt auch viele Legenden, die damit in Verbindung stehen. Auf der Piazza della Vittoria etwa wurde im Mittelalter der Überlieferung nach ein wahres Allheilmittel hergestellt: „Teriaca“.

Laut Sabrina Pellizon handelte es sich um einen Geheimtipp: „Das Medikament war aus gut 70 Zutaten gemacht - darunter auch aus Fleisch weiblicher Vipern. Die Zutaten mussten hier auf der Piazza drei Tage lang ‚ausgestellt‘ werden, damit sich die Leute von ihrer Qualität überzeugen konnten. Amtsärzte überwachten dann die Zubereitung.“ Auch von Giacomo Casanova erzählt man sich, dass er nach seinem Besuch hier in Görz auf dieses Heilmittel schwörte.

„Semada“ reinigt das Blut und stärkt

Eine weitere ehemalige Gewürzhandlung ist die „Farmacia all’orso bianco“. Sie besteht seit dem 17. Jahrhundert und wird in dritter Generation von Familie Tavasani betrieben. Eine alte Rezeptur, die auf die man hier spezialisiert ist, ist jene der „Semada“.

Apotheker Andrea Tavasani erklärt, dass sie vorwiegend in der Gegend um Görz und Triest zu finden ist: „Sie gilt als erfischend und beruhigt alles, was den Körper aufheizt, wie scharfe Speisen oder Viren usw..“ Zwei bis drei Mal pro Jahr wird eine Kur empfohlen.

SSC Apotheke in Görz Gewürzhandlung

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„Je mehr man rührt desto besser“

Andreas Mutter Carla Tavasani verbrachte schon als Kind jeden Nachmittag in der Apotheke ihres Vaters und schaute ihm bei der Zubereitung der „semada“ über die Schulter: Gummiarabikum wird mit Wasser vermengt - dann kommt Mandelöl hinzu - ein bisschen erinnert es an die Zubereitung von Maionese, denn auch hier gilt die Faustregel: Je mehr man rührt, desto besser ist es. Melisse sorgt für einen erfrischenden Geschmack.

Sendungshinweis:

„Servus, Srečno, Ciao“, 4.5.19

Noch heute schwören viele Gorizianer auf die reinigende Wirkung der „semada“, sagt Carla Tavasani: „Sie nehmen sie beim Jahreszeitenwechsel oder wenn sie länger an Infektionen oder Entzündungen gelitten haben - sie reinigt das Blut.“ Familie Tavasani will ein Museum aufmachen, wo die Besucher dann mehr über die Tradition der „spezierie“ in Görz erfahren können.

Bis dahin bietet Sabrina Pelizzon regelmäßig geführte Stadtrundgänge zu ihnen an - die nächsten Termine sind am 18.5. und am 22.6. geplant.

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