Zeitreise durch Kataster-Karten der Monarchie

Hinter dem sperrigen Namen „franziszeischer Kataster“ verbirgt sich ein 200 Jahre altes Kartenwerk, das bis heute Basis für die Grundsteuer ist. Jeder Grundstücksbesitzer kann nachschauen, wie sich sein Grundstück über die Jahrhunderte verändert hat.

Unter Franz I. wurden die Kronländer auf den Quadratmeter genau vermessen, um zu wissen, wie viel die Untertanen an Steuer zahlen müssen. Was damals, ab 1817, ein jahrzehntelanges Unterfangen war, ist noch heute für Wissenschaftler interessant, denn man kann eine Zeitreise in die Vergangenheit der Kärntner Dörfer und Städte machen.

Der Direktor des Landesarchivs, Wilhelm Wadl, bewahrt die Karten in seinem „Allerheiligsten“ auf, wo Geschichte gut klimatisiert für die nächsten Jahrhunderte verwahrt wird. In einem Kartenschrank liegen die fast 200 Jahre alten Blätter über Kärnten.

KAGIS franziszeischer Kataster

ORF/Peter Matha

Von Hand gezeichnet und beschriftet, die alten Karten - der Schatz von Wilhelm Wadl.

„Steueraufkommen sollte erhöht werden“

Die Flurnamen auf den Karten sind ein bisschen verspielt verschnörkelt geschrieben, ansonsten sind die Karten klar gegliedert. Grenzen sind farblich gekennzeichnet und abgetrennt, zum Beispiel Wald, Wiesen, Teiche oder Gebäude. Diese Mühe machte man sich, um unabhängig, vom Ertrag eines Grundstücks, Grundsteuer kassieren zu können, so Wadl: „Natürlich sollte es das Steueraufkommen erhöhen. Damals hat man noch die Steuer aufgrund von Selbsteinbekenntnissen, die man teilweise überprüft hat, festgesetzt.“

800 Gemeinden von acht Geometern vermessen

Das ganze Land ist auf 53 mal 66 Zentimeter großen Blättern dargestellt. Gemessen wurde damals mit einem sogenannten Kartentisch in Zoll und Klaftern: „Der Fixpunkt für Kärnten liegt in der Nähe von Laibach, weil Kärnten damals verwaltungstechnisch an Illyrien angeschlossen war. Über 800 Katastralgemeinden wurden damals von acht Geometern in vier Jahren mit den damaligen bescheidenen technischen Möglichkeiten vermessen. Bis hin ins Hochgebirge.“

Es war ein gewaltiges Projekt der Monarchie, so Wadl. Entscheidend war, dass auch die örtlichen Autoritäten eingebunden worden waren: „Der Kataster ist auch das erste große Verwaltungswerk, bei dem es Bürgermitbestimmung gab. Bis hin zu den untertänigen Bauern. Denn in jeder Katastralgemeinde wurden Ortsausschüsse und Vertrauensleute bestimmt, die jedes Blatt mit ihrer Unterschrift bestätigten mussten.“

Zeitreise

Durch den Vergleich von „Franzi“ mit heutigen Luftbildern erkennt man die Veränderung der Landschaft.

Duplikate oft schöner als Originale

Die Originale liegen im Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen in Wien. Was im Klagenfurter Landesarchiv lagert, ist eine Duplikatmappe. Sie ist ebenso alt wie die Urmappe, oft sogar schöner ausgearbeitet, so Wadl. Das Liniennetz der Mappe sind Lithographien, die Flächenfärbung ist aber handkoloriert. Je nach verwendeten Farben waren sie lichtecht oder weniger. Es gebe Mappen, die ausgebleicht seien und andere, die wie neu aussehen.

Alte, oft vergessene Flurnamen findet man auf den Karten. Holzhäuser wurden gelb, Steinhäuser rosa, öffentliche Gebäude rot gefärbt. Das Ganze wird verbunden mit neuen digitalen Daten. Für Historiker wie Wilhelm Wadl ist es ein Werkzeug mit zwei Seiten: „Ein faszinierendes Hilfsmittel, aber es macht auch den gläsernen Menschen von heute aus.“

KAGIS franziszeischer Kataster

ORF/Peter Matha

Die Welt des frühen 19. Jahrhunderts

In Kärnten wird seit Jahren daran gearbeitet, dass der 200 Jahre alte Kataster digitalisiert ins Internet kommt. Im KAGIS (Kärntner geografisches Informationssystem) findet man ihn nach ein paar Klicks in einem etwas gewöhnungsbedürftigen Menü. Dann sieht man die Welt des frühen 19. Jahrhunderts, bekommt eine Vorstellung wie das Land damals ausgesehen hatte, wo einst Häuser standen, wo sich jetzt Brachland befindet oder umgekehrt. Laut Wadl erkenne man den Kulturlandschaftsverfall im Gebirge, die einsetzende Entsiedelung, auch die völlige Nutzungsänderung mit dem Ende des Ackerbaus in den Gebirgen. In den Städten die Siedlungsverdichtung. Es sei für Wissenschaftler aber auch für Laien, der sich mit seiner Umgebung beschäftigen will, faszinierend.

Entwicklung jedes Ortes zu verfolgen

Legt man online die jetzigen Grundstücksgrenzen über den alten Plan, was im KAGIS möglich ist, sieht man wie genau die Vermesser vor 200 Jahren fast immer gearbeitet haben: „Natürlich sind die Parzellengrenzen im Kataster heute schon längst nicht mehr identisch mit heutiger Nutzung. Der Kataster versteinert zum Teil frühere Zustände, das macht ihn so interessant, wenn man ihn aufeinanderlegt.“ Man könne auf der Ebene eines Dorfes oder Grundstückes alle Veränderungen der letzten 200 Jahre studieren.

KAGIS franziszeischer Kataster

ORF/Peter Matha

Wenn man jetzt zum Beispiele Mauerreste in einem Wald findet, wo einst ein Gebäude stand, kann man es mit den KAGIS-Werkzeugen wieder entstehen lassen. Manche Vermesser machten allerdings neue Orts- und Flurnamen amtlich: „Hauptsächlich waren das Militärgeometer, die oft nicht land- und sprachkundig waren. Daraus erklären sich in manchen Katastralmappen Verballhornungen und Verschreibungen bei Namen“, so Wald.

Bilder können günstig bestellt werden

Wem die digitalisierte Form des Katasters im Internet nicht reicht, bekommt beim Landesarchiv Besseres, so Wadl: „Wir haben von jedem Datenblatt hoch auflösende .tifs und auch hochwertige .jpgs. Wenn jemand ein schönes Blatt haben will, kann er es bestellen. Wir verlangen drei Euro bei Digitalkopien und schicken sie auch digital.“

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