Kärntner Arzt „befreite“ die Frauen

Der St. Veiter Gynäkologe Hermann Knaus hat mit dem Japaner Ogino Anfang des letzten Jahrhunderts die Berechnung der fruchtbaren Tage von Frauen herausgefunden. Damit befreite er sie vom herrschenden Gebärzwang. Nun erschien eine Biographie.

Die „Knaus-Ogino“-Methode ist heute durch modernere Verhütungsmittel schon fast vergessen. Doch den Frauen in den 1920er-Jahren, für die Verhütung bestenfalls ein Glücksspiel war, gab die Methode erstmals die Möglichkeit einer Geburtenkontrolle. Damals galten 15 Schwangerschaften einer Frau als „naturgewollt“ und „natürlich“. Doch auch kinderlose Paare konnten mit der Errechnung der fruchtbaren Tage ihre Chancen erhöhen.

Hermann Knaus Verhütung Buch

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Eine im Verlagshaus der Ärzte jetzt herausgekommene erste Biografie des österreichischen Gynäkologen Hermann Knaus, der in St. Veit/Glan geboren wurde, zeigt, wie um 1928 bahnbrechende wissenschaftliche Arbeiten den Weg zur effektiven Kontrazeption ebneten. Geschrieben wurde das Buch von der Wiener Medienexpertin Susanne Krejsa MacManus und dem Gynäkologen Christian Fiala.

In Österreich lange unbekannt

Knaus fand nach jahrelangen Forschungsarbeiten etwa zeitgleich mit dem japanischen Gynäkologen Kyusaku Ogino als erster heraus, welche die fruchtbaren und welche die unfruchtbaren Tage im weiblichen Monatszyklus sind und wie man sie berechnen kann. Allerdings, ihm wurde ein typisch österreichisches Schicksal zuteil: Obwohl er zu den international bedeutendsten Medizinern Österreichs zählt, blieb der Gynäkologe für lange Zeit unbekannt und ungewürdigt.

Hermann Knaus mit Frau

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Hermann Knaus mit seiner Frau

Fast im Flugzeug abgeschossen

Beinahe wäre es überhaupt nie dazu gekommen. Am 6. Dezember 1917 war Knaus im Ersten Weltkrieg mit einem Flugzeug zur Aufklärung feindlicher Stellungen der Armee der Habsburger-Monarchie unterwegs. Das Flugzeug wurde durch Beschuss schwer beschädigt. „Leutnant Knaus erfasste die Situation und stieg, um das Flugzeug zu retten (...) zwischen die Tragflächen bis zu den mittleren Streben heraus, brachte dadurch das Flugzeug wieder ins Gleichgewicht, balancierte in dieser größte Kraft erfordernden Stellung durch 22 Kilometer, bis sie (...) knapp hinter den eigenen Reihen (...) den Boden erreichten, wo der Apparat zerschellte“, heißt es in dem Antrag auf Zuerkennung der Goldenen Tapferkeitsmedaille für Offiziere der Armee der Donaumonarchie.

Die Rolle des Gelbkörperhormons

Es folgten ein Studium der Medizin in Graz, die Ausbildung zum Gynäkologen sowie ein Forschungsaufenthalt in Großbritannien. International war man in der medizinischen Wissenschaft auch dabei, die Wirkung von Hormonen aufzuklären, ebenso die Regulationsmechanismen, welche sie bestimmen. Die Geschlechtshormone und deren Einfluss auf Schwangerschaft und Geburt waren ein großes Thema.

Ogino und Knaus entdeckten schließlich fast zeitgleich die Rolle des Gelbkörperhormons (Progesteron) in der Steuerung des Zyklus der Frau. Das Progesteron bereitet die Schleimhaut der Gebärmutter ab dem Eisprung auf die Aufnahme der befruchteten Eizelle vor und leitet durch sein Absinken bei nicht eingetretener Schwangerschaft die nächste Menstruation ein.

Bahnbrechende Erkenntnis

„Die Ovulation erfolgt bei Frauen mit physiologischen Genitalfunktionen stets am 15. Tag vor Eintritt der Menstruation“, war die erste bahnbrechende Erkenntnis des Gynäkologen, die er aus seinen Experimenten ableitete. Frauen mit einem regelmäßigen vierwöchigen Zyklus könnten in den ersten zehn Tagen und vom 18. Tag des Zyklus an nicht schwanger werden. „Der Zeitraum der Konzeptionsfähigkeit entspricht dem um drei Tage nach vorne und einen Tag nach hinten erweiterten Ovulationstermin“, formulierte Knaus als „Gesetz“.

Das Buch

Susanne Krejsa MacManus, Christian Fiala: „Der Detektiv der fruchtbaren Tage - Die Geschichte des Gynäkologen Hermann Knaus.“ Herausgegeben vom Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch, Band 1.272 Seiten, 20 Abbildungen, ca. 1100 Fußnoten, vollständige Liste von Knaus’ Publikationen, umfangreicher Anhang. Verlagshaus der Ärzte, 2016, ISBN 978-3-99052-146-5, € 29,90

Relativ genaue Methode

Im Wesentlichen erarbeitete der Gynäkologe in seinen Forschungen folgende drei grundlegende Erkenntnisse: Die auf wenige Stunden beschränkte Dauer der Befruchtbarkeit der weiblichen Eizelle, die auf wenige Tage beschränkte Dauer der Befruchtungsfähigkeit der männlichen Samenzelle und den konstanten Zeitabstand zwischen Eisprung und nachfolgender Menstruation.

Daraus entwickelte sich eine relativ genaue Methode zur Berechnung der „fruchtbaren Tage“ mit Konsequenzen in zweifacher Weise: für Schwangerschaftsverhütung oder zur Förderung einer Schwangerschaft. Die Erkenntnisse von Knaus setzten sich nur langsam durch. Für seine Verdienste wurde Knaus 1936 für den Nobelpreis vorgeschlagen.

Bedeutung für die Medizin

Die neue Biographie zeigt erstmals, welchen bedeutenden Einfluss Knaus auf die Gynäkologie und Geburtshilfe hatte, enthält eine Evaluierung seiner Verhütungsmethode aus heutiger Sicht und zeigt auf, welche seiner wissenschaftlichen Beobachtungen bis heute Bestand haben. Knaus hatte gegen die verschiedensten Widerstände unter seiner Kollegenschaft zu kämpfen und arbeitete im Minenfeld von Religion und Politik mit einer zwiespältigen Rolle zwischen Förderung und Distanzierung des Nationalsozialismus.

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