Inklusion: Aus für Sonderschulen

Bis zum Jahr 2020 darf es laut UN-Behindertenrechts-Konvention keine Sonderschulen mehr geben. Beeinträchtigte Kinder müssen in Inklusionsklassen unterrichtet werden. In der „Streitkultur“ Montagabend war man sich einig, dass das derzeitige Schulsystem geändert werden muss.

Rund 2.000 Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichsten Behinderungen und Störungen besuchen in Kärnten eine Pflichtschule. Die geplante Schließung der Sondererziehungsschule Harbach in Klagenfurt sorgte erst kürzlich für heftige Diskussionen - mehr dazu in Sonderschule Harbach bis 2015 gesichert.

Sendungshinweis:

Radio Kärnten Streitkultur, 10.12.2013

Inklusion heißt Teilnahme an Regelschule

Rund 80 Prozent der beeinträchtigten Schüler würden bereits in Inklusionsklassen unterrichtet werden, sagte Dagmar Zöhrer, Landesschulinspektorin im Bereich der Sonderpädagogik. Sie verteidigte das oftmals kritisierte Modell der Inklusion: „Es gibt unterschiedlichste Zugänge Inklusive-Modelle zu schaffen. Es gibt nicht nur ein Inklusionsmodell. Es ist mir schon wichtig zu sagen, dass Inklusion Teilhabe am Regelbereich meint. Und es ist nicht möglich, in einer Sondereinrichtung diese Teilhabe zu ermöglichen, damit kann ich nie ein inklusives Angebot machen.“

„System muss erst fit gemacht werden“

Zöhrer räumte ein, dass das derzeitige Schulsystem nicht für jedes Kind das richtige Setting bieten könne. Es müsse für gewisse Kinder auch in Regelschulen Kleingruppen geben. Es müsse gelingen, Unterstützungspersonal zu bekommen, so Zöhrer. Derzeit stehe dies den Schulen nicht zur Verfügung, das System sei überfodert. Wenn alle Kinder in die Regelschule gehen, sei das nicht Inklusion, sondern damit sei gemeint, dass jedes Kind bestmöglich gefördert werde. Sie sollen nicht aus dem System herauskippen, sondern man müsse das System für diese Kinder fit machen.

Inklusivunterricht kostet mehr Geld

Behindertenanwältin Isabella Scheiflinger begrüßte die Bemühungen für die Schaffung von Inklusionsklassen. Sie warnte aber davor, Sonderschulen voreilig zu schließen: „Die Eltern muss man anhören, die Erfahrungen der Lehrer und die Sorgen der Schüler muss man ernst nehmen, das gilt es jetzt in dem Prozess umzusetzen. Ein klares Bekenntnis muss es auch geben: Wenn man den Inklusivunterricht ehrlich umsetzen will, dann wird das auch mehr Geld kosten.“ Inklusion bedeute, dass man von vornherein für alle Kinder Maßnahmen setzen muss, um allen gerecht zu werden. Manchmal werde der Begriff Inklusion falsch verwendet, so Scheiflinger.

Inklusion sei ein sensibler Prozess, das müsse man berücksichtigen. Strategien und Strukturen müssen umgestaltet werden, dazu müssten sie gesetzlich verankert werden. Aufgrund der jetzigen gesetzlichen Grundlagen könne nur ein bestimmter Teil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam unterrichtet werden.

„UNO verlangt keine Hau-Ruck-Aktion“

Scheiflinger betonte, dass die UN-Behindertenrechtskonvention nicht verlange, dass man Hau-Ruck-Aktionen starte und Sonderschulen schließe. Man müsse strategische Planungen entwickeln, mit Fachleuten, Eltern und Kindern, so Scheiflinger. Im Umsetzungsprozess erwarte sie sich, dass man auch Eltern und Lehrern zuhöre. Eltern haben Gründe, wenn sie ihre Kinder in eine Sonderschule geben wollen. Probleme könne man in Regelschulen lösen, wenn man Ressourcen schaffe, aber es bedürfe einer kompletten Strukturänderung. Man brauche mehr Personale und eine ehrliche Diskussion, so Scheiflnger.

Elternberatung und Bildung nicht vergessen

Zwei Komponenten dürfe man beim Inklusionsunterricht der Zukunft nicht außer Acht lassen, sagte Doris Trattnig Sax, Leiterin des Fachbereichs Bildung in der Diakonie De La Tour: „Das sind die Eltern und die Nachmittagsbetreuung. Derzeit ist es möglich, die Eltern zur Nachmittagsbetreuung dazu zu holen. Da gibt es enge Zusammenarbeit mit Elternberatung und Elternbildung. Dabei gelingt es auch, unser Know-How den Eltern nach Hause mitzugeben.“ Inklusion betreffe den Unterricht und auch den Nachmittag, so Sax. Sie betonte, dass viele Kinder in der Regelschule gemobbt werden, viele kamen traumatisiert nach Harbach. Man versucht dort, die Kinder zu stärken, um einen Regelschulbesuch möglich zu machen.

„Vorhandene Strukturen ändern“

Für den Personalvertreter der Pflichtschullehrer, Stefan Sandrieser, müssten für einen komplett inklusiven Unterricht erst die Rahmenbedingungen an den Schulen geschaffen werden - personell und räumlich. Weiters forderte Sandrieser, dass auch die AHS inklusiven Unterricht anbieten müssen. Zur Zeit habe man in Schulen die Strukturen nicht, um mit schwierigen Schülern richtig umgehen zu können. Die Vorstellungen über Inklusion werde immer noch mit den derzeit vorhandenen Strukturen in den Schulen verbunden - dies dürfe nicht passieren. Strukturen an Schulen und in den Köpfen müssen neu überdacht werden, so Scheiflinger.

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