Süchtig nach dem Netz

Surfen, Online-Spiele oder Chats werden für immer mehr Menschen zur Sucht. Experten schätzen, dass schon mehr als 300.000 Österreicher Internet- oder spielsüchtig sind. Auf dem Weg zurück in die Realität hilft nur eine gezielte Therapie.

Es beginnt mit einem kleinen Spiel am Handy und endet mit nächtelangen Computersitzungen. Vor allem Jugendliche können sich für virtuelle Rollenspiele begeistern, zudem hat mittlerweile fast jeder Zugang zum Internet, sei es über Laptop, PC oder Smartphone. „Ohne“ geht nichts mehr. Beim heute 22-jährigen „Andreas“ begann die Spielsucht während seiner Lehrzeit. Vier Jahre lang tauchte er in eine Scheinwelt ab, in der Hexenmeister, Elfen, Mönche und Krieger sein Leben bestimmten. "Wenn ich am nächsten Tag nicht arbeiten musste, habe ich bis 4.00 oder 5.00 Uhr morgens gespielt. Dann schlief ich bis 11.00 Uhr und ging wieder arbeiten. Wenn ich frei hatte, ging unter 15 Stunden spielen nichts. Die längste Session ging über mehr als zwei Tage“.

Wenig Schlaf, wenig Essen, wenig Hygiene

Wenig Schlaf, wenig Essen, wenig Hygiene, wenig Kontakte nach außen - so beschreibt Andreas diese Zeit im Nachhinein. Die beinahe ständige Verfügbarkeit des Internets führt dazu, dass immer mehr Menschen von Internet- oder Spielsucht betroffen sind. Bettina Quantschnig, Leitern der Spielsuchtambulanz in Villach: "Wenn man durch die Stadt geht, ist es offensichtlich: Junge Menschen aber auch Erwachsene sind ständig am Handy, beim Mails-Checken, beim SMS-Schreiben, auf Facebook. Diese ständige Überaktivierung ist etwas Hochproblematisches.“

Entzug ohne lebenslange Abstinenz

In der Spielsuchtambulanz hat man sich auf die Behandlung von sogenannten verhaltensabhängigen Süchten spezialisiert. Es geht nicht um Alkohol oder Ecstasy, es ist die Kauf-, Spiel oder Internetsucht, mit der die Patienten hier zu kämpfen haben. Dementsprechend schwierig ist ein Entzug, so Bettina Quantschnig, denn: „Man kann einem Internet-Süchtigen der heute 20 Jahre alt ist, nicht sagen: Sie dürfen nie wieder das Internet benutzen. Es wird darum gehen, dass er sein problematisches Verhalten nicht mehr zeigt und lernen muss, eine Medienkompetenz zu entwickeln.“

Welche Funktion das Spielen erfüllt

Die Flucht aus der Realität ist ein gemeinsames Merkmal dieser verhaltensabhängigen Süchte. Krankhaft wird es dann „wenn sich der Lebensschwerpunkt von Menschen verschiebt, von dem Realen hin zur virtuellen Welt – dann gibt es ein Problem. Es hängt nicht davon ab, wie oft jemand ins Casino geht, sondern welche Funktion das Spielen erfüllt. Wenn das Glücksspiel dazu dient, Befindlichkeit zu verändern, dann ist zumindest ein Problemverhalten anzunehmen.“

Halbes Jahr Wartezeit für Therapie

Die Spielsuchtambulanz in Villach ist eine kostenlose Anlaufstelle. Rund 70 Patienten werden derzeit in Einzel- oder Gruppentherapien betreut. Spielsucht ist ein Problem, das unsere Gesellschaft in Zukunft noch viel stärker beschäftigen wird. Wer es nicht alleine schafft, kann im Sonderkrankenhaus de La Tour auch eine stationäre Entwöhnung machen. Ein halbes Jahr warten Patienten aus ganz Österreich derzeit auf eine Therapie.