Das Phänomen Dalai Lama

Friedensaktivist, Charisma, fernöstliche Spiritualität – der Dalai Lama fasziniert weltweit die Menschen. Was aber macht das Phänomen „Dalai Lama“ aus? Soziologen orten eine „Charismatisierung“ und gesellschaftliche Projektion.

Ausstrahlung, Charisma, Faszination – das sind Begriffe, die allesamt schwer zu fassen sind, die aber Millionen Menschen bewegen können. Wenn der Träger dieser Eigenschaften darüber hinaus zum Symbol für positive Entwicklungen, für das friedliche Zusammenleben wird, dann zeigt sich der gesellschaftliche Stellenwert von Persönlichkeiten wie des Dalai Lama.

Der Dalai Lama ist ein religiöser Würdenträger, der verschmitzt lächelnd eigene Unzulänglichkeiten eingesteht und von Streichen aus seiner Jugend berichtet. Seine Botschaften formuliert er klar und pointiert. „Wo der Verstand aufhört, beginnt die Wut“, lautet etwa eine davon.

„Prototyp eines Friedensaktivisten“

Eine in Tibet geborene und heute in Indien lebende Studentin sagt über das Phänomen Dali Lama: „Er ist der Prototyp eines Friedensaktivisten. Ich bin stolz, wenn ich im Fernsehen sehe, wie viel Wertschätzung er in aller Welt genießt.“

Er spreche vor allem darüber, wie man das Glück – abseits von Macht und Konsum - finden könne. Seine Botschaft sei allgemein gültig, weil alle Menschen auf der Suche nach Glück seien.

„Authentisch, unmittelbar und sehr herzlich“

Aber nicht nur was, sondern auch wie er es sagt, mache die Beliebtheit des Dalai Lama aus, sagt die Tibetaktivistin, Autorin und Filmemacherin Maria Blumencron: „Der Dalai Lama überzeugt durch seine Fröhlichkeit. Er ist authentisch, unmittelbar und sehr herzlich. Auch seine Spontanität und seinen Humor lieben die Menschen.“

Dalai Lama

APA/Gert Eggenberger

Prozess der „Charismatisierung“

Der Dalai Lama tritt würdig und doch unkonventionell auf, das ist eines seiner Markenzeichen. Dies teile er mit anderen, medial omnipräsenten Persönlichkeiten, meint der deutsche Soziologe Martin Endress. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem Prozess der „Charismatisierung“: „Unser Leben wird so sehr durch die Alltäglichkeiten verschlungen, dass wir derartigen Charismatisierungen – im Sport, der Musik oder der Politik – immer wieder begegnen.“

Projektion gesellschaftlicher Bedürfnisse

Ein Teil des Dalai-Lama-Mhythos liege in einer solchen Charismatisierung-Dynamik. Weiters mache die Faszination des Dalai Lama seine fernöstliche Spiritualität aus und dass er ein Symbol des politischen Widerstandes sei, sagt Endress.

Es sei auch legitim zu fragen, ob diese Faszination auch eine Art Projektion sei – die positive Reaktion einer Gesellschaft, die hier ihre Bedürfnisse nach Freundlichkeit, Humor und Authentizität verwirklicht sieht.

Brigitte Krautgartner, ORF Wien.

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