Medikamente: Kritik am „Off-Label-Use“

Ein Arzt kann sich strafbar machen, wenn er ein in der Praxis erprobtes, aber eigentlich für andere Krankheiten zugelassenes Medikament nicht verschreibt. Dieser „Off-Label-Use“, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, wird auch in Kärnten kritisiert.

Bei der „zulassungsüberschreitenden Anwendung“ („Off-Label-Use" – Anm.) wird ein Medikament verschrieben, das eigentlich für andere Krankheiten, Dosierungen oder Altersgruppen vorgesehen ist. Zur Anwendung gelangen solche Off-Label-Medikamente, wenn die zugelassenen Präparate weniger wirksam sind oder mehr Nebenwirkungen aufweisen. Grund sind die strengen Richtlinien für die Zulassung von Medikamenten und hohen Kosten für Studien. So kann es vorkommen, dass Ärzte Epilepsie-Medikamente gegen das Borderline-Syndrom verschreiben oder Neugeborene mit zu hohem Gefäßdruck ein Medikament erhalten, das für Erektionsstörungen gedacht ist.

Ärzte sind haftbar

Wenn Zulassungen fehlen, befinden sich Pharmafirmen rechtlich auf der sicheren Seite. Sie haften bei Nebenwirkungen nur, wenn das Medikament bestimmungsgemäß gebraucht wurde. Nicht so die Ärzte, die ihre Patienten in einer rechtlichen Grauzone behandeln müssen und für Nebenwirkungen haftbar sind. Ein Arzt kann sich strafbar machen, wenn er ein in der Praxis erprobtes Off-Label-Medikament nicht verschreibt.

Sendungshinweis:
Radio Kärnten Frühjournal,
18. Oktober 2015

Kritik an dieser Praxis gibt es immer wieder. „Das macht in der Geriatrie Probleme und vor allem bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Die Pharmafirmen sind aus der Haftung und Ärzte sind quasi sogar verpflichtet, diese Medikamente zu verschreiben“, kritisiert auch Primar Wolfgang Wladika von der Klagenfurter Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Patientenanwalt: Langzeitfolgen ausgeklammert

Gerade im psychiatrischen Bereich wird die gängige Praxis der Off-Label-Medikation von der Patientenanwaltschaft kritisch gesehen. Auch Jugendliche werden mit Psychopharmaka behandelt, die für deren Alter nicht zugelassen sind, Langzeitfolgen blieben ausgeklammert, so Patientenanwalt Michael Scherf. Gegen die zwangsweise Verabreichung solcher nicht für sie zugelassenen Medikamente können sich Jugendliche, die in der Psychiatrie untergebracht sind, außerdem erst im Nachhinein wehren - und zwar per Antrag.

Vom Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie wird betont, dass Medikamente an Kinder und Jugendliche nur dann zwangsweise verabreicht würden, wenn die Gefahr einer Selbst- oder Fremdgefährdung besteht. Generell werde auf Überzeugungsarbeit gesetzt. Ganz ausschließen würden sich Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen aber nie lassen.