Wie Schildkröten über den Winter kommen

Seit Millionen von Jahren gibt es auf der Erde Schildkröten. Je größer sie sind, desto höher ist ihre Lebenserwartung. So werden Galapagosschildkröten zwischen 150 und 200 Jahre alt. Reptilienexpertin Helga Happ gibt Tipps, wie die Urtiere den Winter heil überstehen.

Im Reptilienzoo leben die beiden Riesenschildkröten Bibi und Poldi. Nach hundert Jahren Partnerschaft leben sie seit 2012 getrennt. Das Weibchen war plötzlich auf ihren Partner losgegangen. Man versuchte zunächst eine Trennung auf Zeit, die dann aber dauerhaft wurde. Diese „filmreife“ Liebesgeschichte zwischen den Riesenschildkröten war im Vorjahr in aller Munde - mehr dazu in Schildkrötenliebe: Die Hoffnung stirbt zuletzt (kaernten.ORF.at; 7.6.18).

Es gibt im Reptilienzoo am Wörthersee aber auch noch andere gepanzerte Exemplare, wie die Seychellen-Schildkröten Elvis, Snorre und Faxe. Ihre Zeitrechnung ist einfach eine andere, erklärt Besitzerin Helga Happ: "Mit 25, 26 machten sie ihre ersten Paarungsversuche. Da setzt gerade erst die Geschlechtsreife ein. Mit 150 sind sie gerade einmal „mittelalterlich.“

Speiseplan variiert je nach Jahreszeit

Rote Tomaten zum Beispiel finden sie besonders ansprechend. Aber auch Schildkröten müssen auf ihre „Linie“ achten, so wie Poldi, die Galapagos-Riesenschildkröte, sagt Happ: „Wenn man seine Hinterbeine ansieht sieht man, dass er zu dick ist. Sie haben regelrechte Speckwülste. Unsere Riesenschildkröten werden sehr gut ernährt. Das ist nicht unbedingt immer günstig - so wie bei uns Menschen auch. Im Winter bekommen sie Heu und im Sommer sehr viele Blätter, Gras. Nicht nur das saftige kurze, sondern auch das lange, trockene Gras. Da hat er dann keine Freude mit uns.“

Bibi Poldi Riesenschildkröten Happ

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Riesenschildkröte Poldi muss auf seine Linie achten

Extreme Temperaturunterschiede meiden

Die Tiere sind in unseren Breiten nicht heimisch. Weil das definitiv nicht ihre Klimazone ist, müssen einige Vorkehrungen getroffen werden, um den Vierbeinern das Überwintern zu erleichtern, sagt Happ: „Das Gehege muss sauber sein - kein Kot und kein Harn. Das Futter muss frisch sein, es darf nicht verschimmelt und verrottet sein.“

Auch die Temperatur sei wichtig, sagt die Reptilienexpertin: „Warme Stellen zum Verdauen und kühle Stellen zum Rasten. Ein Teil des Bodens ist beheizt und der andere nicht, damit sie es sich aussuchen können. Im Winter gibt es UV-Lampen - im Sommer haben sie das Sonnenlicht, das ist ja am Gesündesten.“

Man muss sich im Vorfeld sehr genau erkundigen, um die Bedürfnisse der einzelnen Tiere genau zu kennen, sagt Helga Happ: „Es muss die Temperatur passen - es muss ein Temperaturgefälle da sein und eine gewisse Luftfeuchtigkeit. Wüstentiere brauchen eine feuchte Ecke. Wenn man diese Voraussetzungen erfüllt ist Reptilienhaltung nicht schwer.“

Panzerpflege mit Melkfett

Kurzes Lüften hilft, aber Vorsicht vor direktem Zug, unterstreicht die Expertin. Wichtig ist auch die Pflege des Panzers der Riesenschildkröten: „In ihrer Heimat fressen die Schildkröten viele ölhaltige Samen, die sie bei uns nicht bekommen. Daher pflegen wir den Panzer mit Melkfett. Das verklebt die Poren nicht - da kann der Panzer weiter atmen und dennoch ist es eine gewisse Pflege und ein Schutz für den Panzer.“

Happ Schildkröten

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Gerade wenn es warm ist brauchen Schildkröten eine Abkühlung

Wassertiere waren früher als Fastenspeise erlaubt

Laut Happ würden Berichte aus dem Mittelalter besagen, dass Schildkröten schon lange in Kärnten heimisch sind bzw. praktisch als heimisch gelten. Die Frage sei, ob sie als Nahrung eingeführt wurden oder ob sie schon heimisch waren und als Nahrung angeboten wurden.

Die europäischen Sumpfschildkröten zum Beispiel landeten aus der Not heraus auf dem Speiseplan: „In der Fastenzeit war das Fleischessen verboten. Da wichen die Leute auf die Wassertiere aus. Nicht nur Fische waren erlaubt, sondern auch Schildkröten und Biber.“ In alten Kochbüchern findet man auch noch Rezepte für die Tiere, die lebend auf den Märkten gekauft wurden.

Aliens Schildkröten Schmuckschildkröten

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Schmuckschildkröten

Schmuckschildkröten mit „Frostschutzmittel“ im Blut

Die amerikanischen Rotwangen-Schmuckschildkröten wurden eingeschleppt, so Happ: „Sie haben ein Frostschutzmittel im Blut. Sie gehen noch unter dem Spiegeleis herum - also wirklich erschreckend. Sie zählen zu den invasiven Tierarten, die bei uns überleben können.“

Zu den natürlichen Feinden der amerikanischen Rotwangen-Schmuckschildkröte zählen Kaimane und Alligatoren. Im Vergleich zu den europäischen Sumpfschildkröten sind die amerikanischen Rotwangenschildkröten viel zutraulicher. Von den Landschildkröten gibt es in Europa drei Arten: „Die griechische, die maurische und die Breitrandschildkröte.“ Keine davon sei bei uns heimisch, sagt Happ. Warum Einzelne im Reptilienzoo jetzt schon munter ist kann verschiedene Gründe haben. Plusgrade in den letzten Tagen wären eine Erklärung.

Happ Schildkröten

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Helga Happ im Schildkrötengehege

Mit leerem Darm fällt der Winterschlaf leichter

Im Internet gebe es hunderte Anleitungen zur Schildkrötenüberwinterung. Dies sei tatsächlich ein schwieriges Thema, räumt die Expertin ein: „Wichtig ist, dass die Tiere im Herbst den Darm leer haben - also dass man sie nicht im Warmen bis zur letzten Sekunde füttert und sie dann ins Kalte setzt.“

Idealer sei es, sie im Garten zu lassen. Dort würden sie dann von selbst das Fressen einstellen: „Wenn man sie dann noch einmal ein warmes Bad nehmen lässt können sie noch genügend Wasser aufnehmen und die letzten Nahrungsreste ausscheiden.“ Dann kann man sie in eine große Kiste geben mit feuchter Erde auf den Boden. Happ: „Sie brauchen eine gewisse Grundfeuchtigkeit, Laub, Stroh und ein bisschen Erde, damit sie ein dunkles Versteck haben. Dann stellt man diese Kiste in einen frostsicheren Raum. Ideal wären zwischen fünf und acht Grad Temperatur.“

Kranke Tiere verfallen nicht in Winterstarre

Die Tiere von Helga Happ sind im Winter in Boxen in einem großen Container: „Man merkt sofort, ob es gut oder ‚verdächtig‘ riecht und eine gestorben ist. So habe ich sie mit Augen, Ohren und Nase besser unter Kontrolle. Ohren deshalb, weil Schildkröten, die nicht gesund sind, nicht überwintern. Sie gehen nicht in die Winterstarre, sondern sie krabbeln in der Kiste herum. Wenn sie dann nach acht bis zehn Tagen noch nicht in der Winterstarre sind sollte man sie unbedingt aus der Kiste nehmen - das ist ein Zeichen dafür, dass sie nicht gesund sind.“ Eine Untersuchung beim Tierarzt wäre ratsam.

Die Winterstarre ist eine gefährliche Zeit. Junge Tiere sollten laut Happ nicht so lange eingewintert werden wie ältere Tiere: „Es reichen ein bis zwei Monate, weil sie noch so wenige Reserven haben.“ Beim Aufwecken sollte man behutsam vorgehen: „Nicht vom Kalten ins Warme bringen. Man muss einen Übergang schaffen, dass sie von einem acht Grad warmen Raum einmal in einen 15 Grad warmen Raum gebracht werden und dass sich dann die Temperatur nur langsam erhöht.“

Für Schildkröten herrscht Meldepflicht

Wer sich für Schildkröten interessiert, sollte bedenken, dass nicht alle Arten so klein bleiben wie am Tag der Anschaffung. Und nicht nur das: „Schildkröten darf eigentlich jeder halten. Er hat nur die Pflicht, die Tiere zu melden.“ Die EU untersagt Zucht und Handel von 37 Tierarten, die sich außerhalb ihres natürlichen Lebensraums ausbreiten. Dazu zählen auch amerikanische Schmuckschildkröten. Diese „Aliens“ fressen heimische Biotope leer und gefährden die europäische Sumpfschildkröte - mehr dazu in „Alien“-Tiere gefährden heimische Arten (kaernten.ORF.at; 27.3.17).