Konflikt um Totenbeschau spitzt sich zu

Der Konflikt um die Totenbeschau zwischen Gemeinden und Land Kärnten spitzt sich zu. Ein Gesetzesentwurf des Landes, wonach Notärzte eine Vorbeschau durchführen sollen, stößt bei der Ärztekammer auf großen Widerstand - laut dem Land soll sich für Notärzte aber nichts ändern.

In Kärnten müssen Hinterbliebene oft stundenlang auf einen Arzt und die Totenbeschau warten. Vor allem an Wochenenden und an den Feiertagen wird es immer schwieriger, weshalb jetzt die Notärzte einspringen sollen. Das Land hat einen entsprechenden Gesetztesentwurf vorgelegt, wonach Notärzte eine Art Vorbeschau durchführen sollen. Diese drohen nun aber mit der Niederlegung ihrer freiwilligen Tätigkeit. Auch die niedergelassenen Ärzte protestieren und fordern eine bessere Entlohnung.

Land verweist auf „etliche pietätlose Situationen“

Beim Land versteht man die Aufregung nicht: Laut Sozial- und Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) sollen Notärzte nur dann eine „Toten-Vorbeschau“ durchführen, wenn sie vor Ort sind. Sie fühlt sich bewusst missverstanden. Für Notärzte werde es keinen Mehraufwand geben: „Wir hatten etliche pietätlose Situationen. Vor kurzem ist vor einem Gemeindeamt ein Bürger verstorben und musste stundenlang dort liegen. Um das zu verhindern wäre es nötig, dass der Notarzt bestätigt, dass dieser Mensch verstorben ist und diese Leiche pietätvoll verbracht werden kann.“

Ärztekammer: Notärzte sind für Lebende da

Die Präsidentin der Ärztekammer, Petra Preiss, hatte Mittwochvormittag am Rande einer Pressekonferenz Kritik geübt: „Notärzte sind überhaupt nicht dafür da, diese Arbeit zu machen. Sie sind dafür da, sich um schwererkrankte lebende Menschen zu kümmern und zu reanimieren. Sie werden an anderen Orten gebraucht. Eine Totenbeschau - auch als Vorbeschau, die sich im wesentlichen ja gar nicht von der endgültigen unterscheidet - ist zeitaufwändig.“

Außerdem könne man im Fall einer erfolglosen Reanimation aus rechtlichen Gründen nicht die eigene Arbeit beurteilen, so Notärzte-Referent Roland Steiner: „Meine Kollegen und alle systemverantwortlichen Notärzte haben gesagt, wenn das Gesetz kommt, werden sie keine Notarztdienste mehr machen.“

Bundesweites Problem „politisch vernünftig“ lösen

Eine solche Vorbeschau sei weder einem Notarzt noch seinen potenziellen Patienten zuzumuten, so Preiss. Bei der Totenbeschau handle es sich um einen freiwilligen Dienst. Auf die Frage, welche Vorraussetzungen erfüllt werden müssten, um den Dienst zur Zufriedenheit der betroffenen Ärzte zu lösen, sagte Preiss: „Wir sind nicht das einzige Bundesland, in dem Schwierigkeiten auftreten. Das könnte man österreichweit politisch vernünftiger regeln.“ Die zweite Lösung sei natürlich die adäquate Entlohnung für eine „emotional aufwändige Tätigkeit“. Die Betroffenen müssten „zumindest das Gefühl“ haben, dass die Gesellschaft ihrer Arbeit „wertschätzend“ gegenüberstehe.

Weniger Totenbeschauer „je mehr Ton entgleist“

Kollegen hätten die Tätigkeit als Totenbeschauer bereits zurückgelegt. Preiss: „Ich verstehe, dass das für Angehörige eine schreckliche Situation ist, wenn Tote unbeschaut liegenbleiben. Es hat diese Situationen gegeben und es wird diese Situationen - wenn sich nichts ändert - deutlich vermehrt geben, weil ich glaube, je mehr der Ton entgleist und je mehr wir uns anhören müssen, dass wir erpresserisch handeln, weil wir eine adäquate Lösung dieses Problems fordern, desto weniger werden die Leute bereit sein, so weiter zu machen.“

Falls Gesetz kommt drohen Notärzte mit Rücktritt

Auch von Seiten der Notärzte gibt es Proteste: Es heißt, der freiwillige Notarzt-Dienst werde aufgegeben, wenn man die Totenbeschau noch mit übernehmen müsse. Preiss: „Auch das ist von der Plattform beschlossen worden. Wenn dieses Gesetz in dieser Form kommt, werden tatsächlich Notarztwägen stehen - weil es nicht mehr möglich sein wird, Leute zu finden, die sich unter diesen Bedingungen freiwillig zum Notarztdienst melden.“

... „dann ist diesem System nicht mehr zu helfen“

Falls es so weit käme, sei das etwas, was sie „ganz extrem bedauern“ würde, so Preiss, weil der Notarztdienst in Kärnten „ein gut funktionierendes System“ sei, das mit viel Engagement aufrechterhalten werde. „Wenn man diese Leute dadurch belohnt, dass man ihnen mit diesem Gesetz einen Schlag ins Gesicht versetzt, dann ist dem System nicht mehr zu helfen.“

Prettner: Keine Änderung durch Vorbeschau

Nach der ganzen Aufregung meldete sich Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) zu Wort. Es sei gar nicht vorgesehen, dass Notärzte als Totenbeschauer eingesetzt werden. Im neuen Bestattungsgesetz, das sich derzeit in Begutachtung befinde, sei in keiner Weise die Rede davon, dass Notärzte künftig die Totenbeschau vorzunehmen hätten. Notärzte würden laut Prettner weiterhin ausschließlich zu Notfällen gerufen. Einzig und alleine für den Fall, dass der Patient während eines Notarzteinsatzes verstirbt, sei vorgesehen, dass der Notarzt den Tod bestätigt.

Tote könnten würdevoll gebettet werden

Prettner: „Damit könnte künftig die Lage der Leiche verändert werden, sprich der Tote auf einen anderen, würdevollen Platz gebracht werden, bis in der Folge der Totenbeschauarzt die tatsächliche Totenbeschau durchführt“. Nach derzeitiger Gesetzeslage dürfe der Leichnam nicht verlegt werden. „Das führt oft zu Situationen, die alles andere als würdevoll sind. Beispielsweise wenn ein Mensch auf der Straße oder am Gehsteig verstirbt.“

Den von Notärzten und Totenbeschauärzten angedrohten Boykott wies Prettner scharf zurück, dies wäre eine pietätlose Grenzüberschreitung.

FPÖ fordert mehr Geld für Totenbeschauer

Für FPÖ-Obmann Gernot Darmann ist der Unmut der Kärntner Ärzte verständlich. Für eine Totenbeschau würden diese nur ein Drittel des Honorars ihrer steirischen Kollegen erhalten: „Es ist eine verantwortungsvolle Arbeit, die kein Mediziner gerne macht und sie sollte adäquat und marktkonform bezahlt werden."

Darmann verweist darauf, dass ein Totenbeschauer derzeit 53,20 Euro erhält, das Land aber mehr als das Doppelte davon - 107,30 Euro - als Gebühr für Hinterbliebene vorschreibe. Es mache „keinen guten Eindruck“, wenn das Land bei ärztlichen Leistungen „Körberlgelder“ einplane, welche die Gemeinden verrechnen müssen.

Darmann regt eine Entlastung der Gemeinden an. Bezirkshauptmannschaften sollten die Aufgabe, Totenbeschauer zu bestellen, übernehmen. Sie hätten Zugang zu allen Ärzten in einem Bezirk. Abzulehnen sei der „Versuch“ von Sozial- und Gesundheitsreferentin Beate Prettner, „Ärzte zu zwingen, Leichen frei geben“ oder die Idee, Notärzte zu verpflichten.

Team Kärnten: Streit hilft niemandem

Team Kärnten-Chef Gerhard Köfer sagte in einer Reaktion, dass sich Land und Gemeinden bewegen sollen. „Die Erhöhung des Honorars für Kärntens Ärzte für die Totenbeschau ist mehr als berechtigt und notwendig. Andere Bundesländer gehen mit diesem Thema weitaus professioneller um, wobei eine bundeseinheitliche Regelung wünschenswert wäre.“ Beim vorgelegten Gesetzesentwurf sieht Köfer Änderungs- und Handlungsbedarf. Prettner und die Spitze der Ärztekammer sollen gemeinsam nach Lösungen im Sinne der Bürger suchen. Der Mangel an amtlich beeideten Totenbeschauern in Kärnten sei unübersehbar und der aktuelle Zustand den Hinterbliebenen nicht mehr zumutba, sagte Köfer.

ÖVP: Politischer Streit unzumutbar

In dieselbe Kerbe schlug schließlich auch die ÖVP. In einer Aussendung hieß es von Silvia Häusl-Benz, Gesundheitssprecherin im ÖVP-Landtagsclub: „Die Totenbeschau soll rasch, unbürokratisch und pietätvoll durchgeführt werden. Es ist unsere Aufgabe bei der Totenbeschau eine für die Angehörigen würdevolle und pietätvolle Situation herzustellen. Politischen Streit ist den Betroffenen unzumutbar.“