Was unter Strommasten wächst und gedeiht

„Artenvielfalt unter Strom“ heißt ein Projekt des Naturwissenschaftlichen Vereins Kärnten. Dabei geht es um den Lebensraum und die Rückzugsorte für Tiere und Pflanzen, der unter Strommasten geschaffen werden kann.

Die Freifläche unter jedem Strommast ist rund 25 Quadratmeter groß. Dort könnten sich Tiere und Pflanzen weitgehend ungehindert entfalten, sagte Zoologe Andreas Kleewein. „Das Projekt ‚Artenvielfalt unter Strom‘ soll darstellen, wie in speziellen Bereichen bei Füßen von Hochspannungsmasten die Artenvielfalt doch erheblich sein kann, wenn man die Vegetation aufkommen lässt oder sie auch entsprechend pflegt.“ Die bisherigen Ergebnisse zeigten, dass keine oder nur wenig Pflege die Artenvielfalt unter Strommasten fördert.

Artenvielfalt unter Strom

Andreas Kleewein

25 Quadratmeter Freifläche für die Artenvielfalt unter Strommasten

Masten im Görtschacher Moos im Fokus

Da es in Kärnten Gebiete gibt, die intensiv landwirtschaftlich genutzt werden, sind nur wenige Rückzugsorte für Tiere und Pflanzen vorhanden. Biologen sprechen davon, dass Strukturen fehlen. Dazu zählen laut Kleewein Büsche, Einzelbäume, Hecken und auch Alleen. Genau solche Strukturen können die Bereiche unter Srommasten sein.

Die Idee zum Projekt „Artenvielfalt unter Strom“ wurde 2014 geboren und zwei Jahre später umgesetzt. Seit 2016 werden zwei Mastfüße im Westen und im Osten des Görtschacher Mooses im Gailtal beobachtet. Im Mittelpunkt stand die botanische Erhebung, also jene von Pflanzen. Auch Schmetterlinge wurden genau beobachtet.

Artenvielfalt unter Strom

Andreas Kleewein

Experten untersuchen Entwicklung der Arten

Beim Mast West wurde eine Wiese stehen gelassen, beim Mast Ost wachsen Büsche. Einmal im Jahr, zwischen Ende Juni und Anfang Juli, werden die Lebensräume unter den beiden Masten von fünf Experten genauer untersucht, so Kleewein: „Da waren die Pflanzen zum einen in der Blüte und sind gut bestimmbar, andererseits sind auch die Schmetterlinge voll entwickelt und zeigen eine starke Flugaktivität.“

Vergleicht man die beiden Standorte in ihrer Artenzusammensetzung, sehe man bei den Schmetterlingen, dass es beim Mast Ost weniger Arten gibt als beim Mast West auf der einmal im Jahr gemähten Wiese, so Kleewein. Beim verwachsenen Mast wurden 64 Schmetterlingsarten und auf der Wiese sogar 82 Arten gezählt. Bei Gehölzen würden sich generell weniger Schmetterlinge aufhalten, da sie lieber die Wiese als Lebensraum nutzen. 13 der Arten stehen auf der Liste der in Kärnten bedrohten Schmetterlingsarten.

Irgendwann muss gemäht werden

Bei den Pflanzen konnten bei beiden Mastfüßen gleich viele Arten nachgewiesen werden. Der Experte gibt zu bedenken, dass auch ein Mastfußbereich, der sich durch natürliche Sukzession - also das natürliche Aufkommen von Pflanzen - ohne den Einfluss der Menschen im Laufe der Jahre entwickelt hat, wo Büsche wachsen und Pflanzen natürlich im Randbereich dieses Mastfußes zu einem Lebensraum geworden sind, irgendwann beschnitten werden müsse. Das diene dazu, dass die Techniker des Stromanbieters freien Zugang zum Mast haben.

Artenvielfalt unter Strom

Andreas Kleewein

Störungen können neue Vielfalt bringen

Wenn man diese Gehölze dort entfernt, bestehe die Möglichkeit, dass sich neue Arten ansiedeln, sagte Andreas Kleewein vom Naturwissenschaftlichen Verein Kärnten: „Schon der berühmte amerikanische Ökologe Howard T. Odum hat gesagt, es braucht manchmal eine Störung, damit es wieder zu einer neuen Vielfalt kommt. Somit ist nicht zwangsläufig eine Änderung dieses Mastfußbereiches in Bezug auf seine Ausstattung negativ, sondern es kann auch positiv sein.“

Die Wiese unter dem Strommast wird sehr spät gemäht, damit sich die Samen der Pflanzen gut verbreiten können. „Auch die Insekten - mit ihren Larven bis hin zum erwachsenen Insekt - können sich entwickeln und werden nicht durch eine frühe Mahd vernichtet. Dadurch wird die Artenvielfalt an diesem Standort gefördert.“ Das gemähte Gras wird weggebracht. Würde es liegen bleiben, würde der Boden gedüngt. In der Folge würde es wieder zur Artenverarmung kommen.

Projekt läuft noch zwei Jahre

Um noch aussagekräftigere Ergebnisse zu erzielen, werde das Projekt noch zwei Jahre laufen, sagte Kleewein. Es sollen weitere Standorte beobachtet werden, etwa im Mölltal. Neben Schmetterlingen werden auch Mollusken wie Schnecken untersucht.

Das Projekt „Artenvielfalt unter Strom“ ist einzigartig in Österreich, Kärnten ist Vorreiter. Wünschenswert wäre, dass auch an anderen Standorten in Österreich Mastfüße untersucht werden könnten, damit es möglich ist, Vergleiche zu ziehen, so Kleewein.