Forschung über online geteilte Trauer

Nach Terroranschlägen herrschen Schock, Trauer und Entsetzen. Über soziale Medien teilen Menschen diese Gefühle weltweit. Die Kommunikationswissenschaftlerin Katrin Döveling forscht mit internationalen Kollegen über das Phänomen „Online-Trauern“.

Die Kommunikationswissenschaftlerin am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Alpe-Adria-Universität forscht zu Emotionen in den Online-Medien. Aktuell stehen die globalen Effekte von terroristischen Anschlägen auf ihrer Agenda: In einem interdisziplinären und internationalen Projekt mit Kooperationspartnern aus Österreich, Deutschland, Finnland, Italien, Schweiz, Belgien, Frankreich, Dänemark, England, Jordanien, Ägypten, den Niederlanden, Griechenland und den Vereinigten Staaten plant sie, der Mediatisierung des Terrors auf den Grund zu gehen.

„Private Gefühle überwältigen Menschen“

"Trauer und Erschütterung sind zutiefst private Gefühle, mit denen der Mensch zuerst alleine konfrontiert ist und die ihn häufig überwältigen“, so Döveling. Wenn Terroranschläge die Städte Europas erschüttern wie in Paris 2015, Berlin 2016, Manchester und London 2017, reißt dies den Einzelnen aus seinem Alltag heraus und führt vor Augen, wie fragil die individuelle und kollektive Sicherheit sind.

„Die psychologischen und gesellschaftlichen Folgekosten des globalen Terrorismus sind kaum abschätzbar. Gerade deshalb müssen wir uns dieser Herausforderung in der Wissenschaft stellen." Döveling forscht seit mehr als zehn Jahren an den Schnittstellen zwischen Soziologie, Psychologie und Medien. Dabei befasst sie sich unter anderem mit dem neuen Phänomen des „Online-Trauerns“.

„Schock und Entsetzen werden ausgetauscht“

„Die Online-Medien ermöglichen es dem Individuum, Emotionen wie Schock und Entsetzen über den globalen Austausch zu regulieren. Der Mensch hat seit jeher das Bedürfnis, sich in hoch emotionalen Momenten mitzuteilen und so das Gefühl einer Solidaritätsgemeinschaft, eines Miteinander-Verbunden-Seins, zu empfinden“, so Döveling. So erklären sich für sie globale Wellen der Anteilnahme in den sozialen Netzwerken nach derartigen Anschlägen.

Emotionen im Web werden ausgewertet

Schließlich könne aus der gemeinsamen Trauerbewältigung auch eine „kollektive Katharsis“ hervorgehen, die das Leben im Alltag wiederum erleichtere. In einer interfakultären Kooperation mit der Fakultät für Technische Wissenschaften der Uni Klagenfurt werden im X-perience Lab aktuelle Methoden zu Erfassung von Emotionen in sozialen Netzwerken entwickelt und ausgewertet. Experten im IT-Bereich unter anderem aus den Niederlanden und der Schweiz unterstützen in der Programmierung neuer Analysetools, um global online-mediatisierte Emotionen zu erfassen. Die internationale Kooperation in den unterschiedlichen Kulturen ermöglicht zudem das Erfassen der kulturellen Spezifika.

Genug Daten für die Forscher

Datenmaterial gebe es genug, so die Kommunikationswissenschaftlerin: „Über Facebook, das mit mittlerweile allein im ersten Quartal 2017 über 1,9 Milliarden Nutzerinnen und Nutzern die größte Plattform darstellt, werden Emotionen innerhalb von Sekunden über den Globus geteilt.“ Das Forschungsteam will untersuchen, wie Facebook nach terroristischen Anschlägen genutzt wird, wie sich diese Nutzung über den Zeitraum der letzten Jahre entwickelt hat und ob sich trotz aller Homogenisierung der mediatisierten Online-Kommunikation kulturspezifische Unterschiede des Trauerns in global-terroristischen Zeiten nachweisen lassen.