Neues Buch: Kärntner Slowenen im Widerstand

Viele slowenische Familien sind von den Nazis deportiert und in Lager gebracht worden. Einige von ihnen gingen in den Widerstand, darunter auch Menschen aus Ludmannsdorf. Andrej Mohar erzählt in seinem Buch „Stolz auf die Vorfahren“ ihre Geschichten.

Der langjährige ORF-Redakteur Andrej Mohar machte sich auf die Suche nach Schilderungen von Zeitzeugen und führte zahlreiche Interviews. Seine Recherchen fasste er in dem zweisprachigen Sammelband „Stolz auf die Vorfahren - Ponosni na prednike“ zusammen. Einen historischen Abriss steuerte Brigitte Entner vom Slowenischen wissenschaftlichen Institut/ Slovenski znanstveni institut bei.

Buch Stolz auf die Vorfahren Andrej Mohar

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Journalist Andrej Mohar führte zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen. Das Buch sei „Dankeschön“ an alle Aktivisten und ein Zeichen des Stolzes auf die Vorfahren.

Das Buch veranschauliche die enge Verbindung zwischen den Deportierten und Widerstandkämpfern auf der einen, und den Aktivisten und Wiederaufbauern des Kulturvereins Bilka auf der anderen Seite, so Andrej Mohar. Dieser feiert sein 105-jähriges Bestandsjubiläum. Das Buch sei ein Dankeschön an alle Aktivistinnen und Aktivisten, aber auch ein Zeichen des Stolzes auf die Vorfahren.

Ganze Familien wurden vertrieben

Unter den mehr als 300 slowenischen Familien aus Südkärnten, die Mitte April 1942 von ihren Höfen vertrieben wurden, war auch die Familie Ogris. Vater Janko stand auf mehreren nationalsozialistischen Aussiedlungslisten, weil er in der Zwischenkriegszeit einer der Repräsentanten der slowenischen Kulturpolitik, aber auch der gesellschafts- und volksgruppenpolitischen Orientierung der Kärntner Slowenen geworden war.

Buch Stolz auf die Vorfahren Andrej Mohar

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Stolz auf die Vorfahren - erschienen im Globus Verlag mit Unterstützung des slowenischen Kulturvereins Bilka. Der Künstler Walter Mischkulnig gestaltete das Cover.

Mohar: Plebiszit mündete im Deutschnationalismus

Das Buch beginnt mit den Jahren 1920/21, als die Folgen des Plebiszits im immer offeneren Deutschnationalismus mündeten, so Mohar, die von den Bilka-Vereinsfunktionären wie Janko Ogris senior „ertragen werden“ mussten. Janko beschreibt in seiner Biographie die Zeit zwischen der Volksabstimmung 1920 und der Deportation der Kärntner Slowenen. Den Slowenen seien vor der Abstimmung alle möglichen Versprechen gemacht worden, die von den Deutschnationalen als Vorbereitung für den sogenannten „Anschluss“ und eine Schlussstrich-Lösung der Volksgruppenfrage genutzt worden seien.

13-Jährige musste als Magd arbeiten

Jankos Tochter Anna berichtet in einem eigenen Kapitel vom 14. April. Dem Tag, als die SS-Polizei das Elternhaus stürmte. Die Familie durfte nur das Nötigste zusammenpacken, dann ging es zunächst in ein Kloster nach Schwarzenberg, dann nach Frauenaurach in der Nähe von Nürnberg. Die damals 13-Jährige musste in Deutschland als Magd arbeiten. 1944 wurden Arbeiter in Nieder- und Oberösterreich benötigt, unter den 30 Familien die aus den Lagern dorthin gebracht wurden, war auch Familie Ogris. Alle hofften auf Befreiung, egal von welcher Seite, und verfolgten den Vormarsch der Russen. Sie waren unter den Überlebenden.

Junge Soldaten schlossen sich Partisanen an

Bereits 1938 begannen die Nationalsozialisten an der Lösung der „Kärntner Frage“ zu arbeiten. Ziel war es, wie im Buch von Andrej Mohar nachzulesen ist, die ethnische Gruppe zum Verschwinden zu bringen. So wurde das Slowenische immer mehr aus den Ämtern verdrängt, besonders auch aus dem Bildungsbereich. Vereine wurden verboten, führende Persönlichkeiten verfolgt, deportiert und ins KZ gebracht.

Viele junge Männer, die in der Wehrmacht dienten und auf Heimaturlaub von der Vertreibung ihrer Familie hörten, schlossen sich den Partisanen an. Daraufhin kam es zu einer weiteren Welle der Gewalt gegen die Familien der Partisanen. Wer gefasst wurde, wurde zum Tode verurteilt. Es regte sich Widerstand: Auch junge Mädchen pflegten verwundete Partisanen oder schlossen sich selbst der Befreiungsfront an.

Buch Stolz auf die Vorfahren Andrej Mohar

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Blick ins Buch: Einer der Haftbefehle.

Zehnjährige pflegte Verwundeten

Rezi Valentinitsch war zehn Jahre alt, als Mutter und Großonkel von der Gestapo verhaftet wurden. Auf dem Dachboden war ein verwundeter Partisane versteckt. Nun musste die Zehnjährige die Pflege und Verantwortung übernehmen. Essen bekam das Kind von einer Tante, bei der sie wohnte. Sie ging aber jeden Tag in ihr altes Haus, um den Verletzten zu pflegen. Der Mann wurde schließlich von Kameraden abgeholt. Die beiden wurden aber verraten und der Verwundete starb im KZ Dachau.

Buch könnte noch dicker sein

Das nun erschienene Buch hätte, so Mohar, noch umfassender ausfallen können. Es gebe noch mehr Ludmanssdorfer als die genannten, die aktiven Widerstand geleistet hätten. Auch diese hätten zur Erhaltung des Slowenischen in Ludmannsdorf und damit in Kärnten beigetragen. „Jedoch waren wir mit einigen Faktoren konfrontiert. Einige Menschen sind schon gestorben und haben keine Aufzeichnungen hinterlassen, andere sind in einem Alter, dass Traumata aus der Nazizeit wieder aufbrechen.“ Schlussendlich habe auch die Finanzierbarkeit bei der Festlegung des Umfanges ein gewichtiges Wort mitgeredet.

Mohar: „Viel wird über die Leiden der Opfer gesprochen. Das stimmt alles, aber die heutigen Generationen müssen auch etwas daraus lernen. Wir müssen den Begriff positiv besetzen, um weiter in die Zukunft gehen zu können.“

Was hat sich verändert in Ludmannsdorf?

Am Schluss des Buches beleuchtet die beim ORF in Wien tätige und aus Ludmannsdorf stammende Katja Gasser das „Ludmannsdorf von heute“ und hält auch die Veränderungen fest. Auch Andrej Mohar lebt in Ludmannsdorf, und damit „in einer Gemeinde, in der seinerzeit nächtelang über die Ortstafeln und heute über die Ausbildung in slowenischer Sprache debattiert und gestritten wird - und das im schönsten Rosentaler Dialekt der slowenischen Sprache.“

Das Buch „Stolz auf die Vorfahren“ ist in slowenischer Sprache mit deutschen Zusammenfassungen im Globus Verlag erschienen.