Grausames Märchen von Christine Lavant
Auf den Wiener Theaterbühnen ist er längst ein Star: Puppenspieler Nikolaus Habjan. Jetzt gibt es auch in Kärnten die Gelegenheit, eines seiner Theaterstücke zu erleben. Die Christine-Lavant-Gesellschaft holte „Das Wechselbälgchen“ vom Wiener Volkstheater für zwei Aufführungen in das Veranstaltungszentrum KUSS nach Wolfsberg, Premiere ist am Sonntag.
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„Das Wechselbälgchen“ beleuchtet das schwere Leben der Mägde und Knechte in der Zwischenkriegszeit. Wie Museumsstücke steigen die Figuren anfangs aus Glasvitrinen. Abbilder einer Zeit, in der Aberglaube und Verbote das Leben einfacher Menschen bestimmen.
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Hässlich und liebenswert
Im Mittelpunkt der Geschichte steht das behinderte Mädchen Zitha. Es wird im Dorf für ein Wechselbalg gehalten und soll der Mutter vom Teufel untergeschoben worden sein. Die Puppe ist hässlich, aber unglaublich liebenswert, mit wenigen Haaren, die vom Kopf abstehen. Sie kann nur ein Wort sagen, das sie aufgeschnappt hat: „Ibillimutter“ - ich bin die Mutter. Im Stück setzt sie ihr Leben aufs Spiel, um die Schwester zu retten.
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Auch Euthanasie spielte eine Rolle
Franz Bachhiesl von der Christine Lavant-Gesellschaft sagte, die Botschaft sei, dass die Behinderung von Kindern zur damaligen Zeit eine böse Sache war. Der Krieg sei nicht lange zu Ende gewesen, die Euthanasie spielte eine große Rolle.
Uralte Sage
Die Sage vom Wechselbalg, der der Mutter von dämonischen Mächten untergeschoben wird und dem Elternhaus Unglück bringt, ist rund 1.00 Jahre alt, sie ist in ganz Europa in verschiedensten Abwandlungen verbreitet. Erst 1998 wurde die Erzählung von der Ausgrenzung der Schwachen von Christine Lavant veröffentlicht.
Puppe nimmt Emotionen des Publikums auf
Christine Lavant schrieb die Erzählung 1946. In einer Zeit, in der immer noch vom unwerten Leben die Rede war. Die Ermordung von behinderten und psychisch kranken Menschen war noch nicht lange her. Dramatisiert von Maja Haderlap dienen in der Inszenierung Nikolaus Habjans Puppen als Projektionsfläche: „Irgendwann wird es als Lebewesen angenommen, aber filterfrei. Alles, was die Puppe tut, geht ins Herz, wir füllen das durch eigene Emotionen und Gedanken auf.“ Das Wechselbälgchen ist ein grausames Märchen mit einer eindeutigen Botschaft: Unwertes Leben gibt es nicht.