Österreichische Sprache in Nöten

Das österreichische Deutsch scheint in Nöten zu sein. Immer mehr Worte werden durch rein deutsche Begriffe ersetzt. Beispiele sind etwa die Ausdrücke „Tschüss“ und „Lecker“ statt der österreichischen Begriffe „Pfiati“ und „Gut“.

Der Sprachwissenschafter Heinz Dieter Pohl sagte am Dienstag in der Radio Kärnten Sendung „Family“, dass zu beobachten sei, dass die typisch österreichischen Ausdrucksweisen zurück gehen würden. „Immer mehr Begriffe werden durch allgemeine deutsche oder nördlich gefärbte deutsche Ausdrucksweisen ersetzt. Als ich noch im Gymnasium war, sagte man zum monatlichen Einkommen ‚der‘ Gehalt. Heute wird nur noch von ‚das‘ Gehalt gesprochen.“

Eine Auswahl der ersetzten Begriffe:

  • Kissen statt Polster
  • Krümel statt Brösel
  • Pfifferling statt Eierschwammerl
  • Meerrettich statt Kren
  • Aprikose statt Marille
  • Bescheuert statt Blöd
  • Blumenkohl statt Karfiol
  • Brötchen statt Semmel
  • Eisbein statt Stelze
  • Gardine statt Vorhang
  • Hühnchen statt Hendl
  • Klamotten statt Kleidung
  • Klauen statt Stehlen
  • Ausgebüchst statt Ausgebrochen

Tschüss und Pfiati

Das „Tschüss“ sei von Jugendlichen in den 90er-Jahren noch teilweise provokant und nur vereinzelt verwendet worden. Heute ist das „Tschüss“ fast die Regel, sagte Pohl: „Es ist auch interessant, dass Tschüss auch zu Personen gesagt wird, mit denen man per Sie ist. Servus sagt man ja normalerweise nur zu Personen, mit denen man per Du ist. Dasselbe gilt für die mundartlichen Ausdrücke Pfiati und dergleichen.“

Vereinheitlichung statt Aussterben

Auf die Frage, ob denn die österreichische Sprache in einer der nächsten Generationen aussterben könnte, sagte Pohl, das sei schwer voraus zu sagen. „Aussterben wird sie wohl nicht. Wahrscheinlich ist aber, das sich der allgemeine Trend durchsetzen wird, dass es zu einer Vereinheitlichung des Deutschen im gesamten deutschen Sprachgebiet kommen wird und die regionalen Besonderheiten immer mehr in den Hintergrund treten werden. Es ist ja auch zu beobachten, dass der Dialekt mehr oder weniger zurück geht und nicht mehr diese allgemeine Verbreitung hat.“

Dieser Trend der Vereinheitlichung sei weltweit zu beobachten, sagte Pohl. „Von den 6.000 Sprachen, die es auf der Welt gibt, werden bestenfalls 1.000 noch die Jahrhundertwende überleben.“ Man könne das auch in Europa beobachten. In Irland zum Beispiel sprechen weniger als zehn Prozent der Bevölkerung Irisch. Die meisten sprechen Englisch, sagte Pohl.

„Vor 150 Jahren sprach in Kärnten etwa ein Drittel der Bevölkerung Slowenisch, heute sind es nur noch zwei bis drei Prozent. So einen Sprachwandel gibt es. Und in Zeiten der Globalisierung ist es eben so, dass immer mehr Einheitlichkeit erzeugt wird.“

Werbung bringt viele Ausdrücke

Woher der Trend zu deutschen Begriffen komme, sei schwer zu sagen, so Pohl. „Viele blicken zuerst in den Duden, wenn sie eine Frage haben und nehmen dann dieses Wort, statt in das Österreichische Wörterbuch zu blicken, wo die österreichischen Besonderheiten als Regel angeführt sind.“

Auf die Verantwortung der Medien - vor allem Radio und Fernsehen - angesprochen, sagte Pohl, dass es vor allem die Werbung sei, die deutsche Ausdrücke zu uns bringe. Dabei würden auch umgangssprachliche Worte zu uns kommen, die gar nicht der deutschen Hochsprache entsprechen, sagte Pohl: „Dazu zählt auch der berühmte Reinfall, der eigentlich Hereinfall heißen müsste, oder auch der Rausschmiss, der Herausschmiss heißen müsste.“

Anrufer: Aufmerksamer Umgang mit Sprache

Eine der Anruferinnen wunderte sich auf Sendung darüber, dass gerade in einer Radiosendung mit dem Namen „Family“ über Probleme der österreichischen Sprache gesprochen werde. „Warum heißt die Sendung nicht ‚Familie‘“, fragte die Hörerin. Auch andere Hörer mahnten die Moderatoren des ORF, aufmerksamer mit der heimischen Sprache umzugehen.

Der Sprachwissenschafter Pohl bestätigte, dass die Verwendung englischer Wörter zunehme. Er wies aber darauf hin, dass auch früher Ausdrücke aus anderen Sprachen übernommen worden seien. „Früher waren es lateinische Ausdrücke, im 19. Jahrhundert waren es dann vor allem französische Begriffe, im 21. Jahrhundert hat sich eben das Englische als Weltverkehrssprache durchgesetzt und wirkt so ziemlich auf alle Sprachen ein. Englisch ist einfach modern geworden. Man sollte es aber nicht übertreiben.“ Der Erhalt der österreichischen Ausdrücke sei aber eine ganz andere Sache, sagte Pohl. Er rate dazu, vor allem im täglichen Leben österreichische Ausdrücke zu verwenden.

Amtssprache schützt österreichisches Deutsch

Der Rückgang der Sprache bedeute auch den Verlust eines Stücks der Identität, sagte Pohl. Die Sprache sei ein Teil der Identität. Allerdings dürfe die Identität der Bevölkerung oder einer Nation nicht alleine auf die Sprache reduziert werden. „Hier muss ein vernünftiger Mittelweg gefunden werden. Österreich ist ein eigener Staat, also im modernen Sinn eine Nation und durch diesen Rahmen des Staates haben sich in Österreich besondere Ausdrucksweisen durchgesetzt und gelten damit als Standard, also als das, was wir umgangssprachlich als Hochdeutsch bezeichnen.“

Insbesondere gehöre dazu die Sprache der Administration, sagte Pohl, also die Rechtssprache. In zweiter Linie gehöre dann die Sprache der Alltagskultur dazu, vor allem die der Küche. „In der Küche finden wir prozentuell den höchsten Anteil an österreichischen Besonderheiten.“

Hyperkorrektur: „Sobald als möglich...“

Pohl erläuterte auch die Sprachveränderung durch Hyperkorrektion. Dabei werden Begriffe - beim Versuch, vorbildlich zu sprechen - entgegen der Norm verändert. Als Beispiel nannte Pohl den Vergleich „sobald als möglich“, der korrekt „so bald wie möglich“ lauten müsste. „Manche sagen ja auch ‚er ist größer wie ich‘. Hier muss das falsche ‚wie‘ durch ein ‚als‘ ersetzt werden. Und bei dem Vergleich ‚sobald wie möglich‘ wurde dann das ‚wie‘ durch ein falsches ‚als‘ ersetzt.“

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