Präzisionszucht als neue Form der Gentechnik

Seit der Mensch Pflanzen anbaut, experimentiert er mit Zucht und Kreuzungen. Heute ist Gentechnik - auch wegen Fehlern in der Vergangenheit - ein umstrittenes Thema. Der Kärnten Molekularbiologe Joseph Strauss arbeitet an einem anderen Zugang: Der Präzisionszucht.

An der Universität für Bodenkultur in Wien arbeitet man an Pflanzenzüchtungen, bei denen die Wissenschaftler auch Gentechnik zu Hilfe nehmen. Der Zugang zu dieser Forschung unterscheidet sich aber wesentlich von den bisherigen Intentionen. Das Ziel ist es nämlich, die Artenvielfalt zu erhalten. Joseph Strauss, ein Kärntner Biologe an der BOKU, sagt, viele Kulturpflanzen sind in europäischen Breiten nicht heimisch: „Sie kommen aus dem Nahen Osten, dem amerikanischen Kontinent wie Kartoffeln oder Tomaten.“

Doch die Pflanzen sehen heute ganz anders aus als ihre Vorfahren: "Vor tausenden Jahren haben die Leute angefangen, die Samen zu selektieren, die besonders gut schmecken, guten Ertrag bringen, resistent sind. Vor 10.000 Jahren sind die ersten Züchtungen nachgewiesen worden. Die Weiterentwicklung sieht man gut beim Mais: „Der Urmais aus Mexiko hat eine Kolbengröße von drei Zentimetern, heute haben wir eine Kolbengröße von 30 Zentimetern.“

Mais Süßgras

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Maiskolben sind heute zehnmal so groß wie die Urpflanzen

Neue Züchtungen erfolgten schneller

Tausende Jahre dauerten solche Züchtungserfolge, die Methoden verbesserten sich im Laufe der Zeit, so Strauss: „Es hat sich seit den 50er, 60er Jahren besonders beschleunigt. Denn da sind neue, auf naturwissenschaftlicher Basis basierende Züchtungsmethoden entwickelt und angewandt worden. Eine neue Sorte hat nicht mehr hundert, sondern vielleicht 15 oder 20 Jahre gedauert.“ In den letzten 25 Jahren kamen neue technologische Möglichkeiten dazu. Es wurde nicht mehr auf dem Feld, sondern im Labor gezüchtet. Diese Präzisionszucht oder smart breeding ist darauf aufgebaut, dass Selektion auf der DNA basierend erfolgt.

„Wir nehmen die DNA heraus und können vorhersagen, wie sich eine Sorte im Feld verhalten wird.“ Gleichzeitig mit dieser Präzisionszucht wurden die ersten Methoden der Gentechnik eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt gab es aber das Problem, dass die Veränderungen für Eigenschaften gewählt wurde, die für eine naturnahe, nachhaltige Landwirtschaft kontraproduktiv gewesen seien, so Strauss. Dabei geht es um herbizidresistente Sorten: „Die glyphosatresistenten Sorten, total herbizidresistent. Weltweit werden rund 200 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Sorten angebaut, 80 Prozent davon immer noch herbizidresistent. Das ist für die nachhaltige Landwirtschaft und den Naturschutz ein wirkliches Problem.“

Industrielle Landwirtschaft nicht nachhaltig

Die Entwicklung dieser Sorten habe dazu geführt, dass noch größere, noch intensivere, noch stärker konzentrierte Landwirtschaft durchgeführt wird. "Das braucht riesige Landflächen, riesige Wasserressourcen, es benötigt einen großen Aufwand an Spritzmittel und führt - das ist klar nachzuweisen - zu einem riesigen Problem in der Biodiversität. Manche Pflanzenarten gehen zurück, auch der Lebensraum für Nützlinge wird kleiner, die eine ausgewogenen Landwirtschaft erst ermöglichen. „Das Problem ist nicht die Sorte selbst, sondern die darauf folgenden, indirekten Auswirkungen auf Biodiversität und Wasser.“

Die Präsizisionszüchtung möchte diese Auswirkungen der Gentechnik korrigieren. Wenn etwa eine Tomatensorte in Kärnten wächst und anfällig für Mehltau sei, könnte man das in der DNA „reparieren“, so der Molekularbiologe. „Ich nehme aus der Sorte das eine Gen heraus, repariere es und stecke es wieder hinein. Jetzt ist meine Sorte mehltauresistent.“ Bei der alten Methode wurde etwas hinzugefügt, nämlich die Herbizidresistenz: „Ich habe etwas eingebracht, das die Pflanze gegen Gift widerstandsfähig macht. Nur meine Pflanze überlebt. Das ist ja kein nachhaltiger Ansatz.“ Die Präzisionszucht soll gegen Krankheiten und Trockenheit eingesetzt werden. Viele Menschen haben dennoch Bedenken, ob sich diese Art der Zucht langfristig auf Menschen und Pflanzen auswirkt.

Derzeit in EU verboten

Strauss sagte, er verstehe die Sorgen und Ängste. Man müsse sich technologische Neuerungen erklären lassen, hinterfragen und eine Kosten-Nutzen-Rechnung sowie eine Risiko-Rechnung anstellen. Die Wissenschaftler möchten über die neue Art der Züchtung informieren, um gemeinsam Entscheidungen zu treffen: „Was ein großer Fehler in der Diskussion um die alte Gentechnik war, dass die Wissenschaft es nicht für notwendig erachtet hat, mit der Allgemeinheit über das Thema zu spreche. Die Öffentlichkeit hat begonnen, sich zu wehren. Sie hat gesehen, dass das, was hier passiert, nicht im Sinn einer Nachhaltigen Landwirtschaft ist, es passiert im Sinn einer industrialisierten Landwirtschaft.“ Dieses Konzept werde in Österreich, in Europa, richtigerweise nicht verfolgt, so Strauss. Beide Methoden sind derzeit in der EU verboten.