Antigone: Zeitlose Tragödie am Stadttheater
Sophokles’ Tragödie, uraufgeführt um 442 vor Christus, ist heute das am häufigsten gespielte Stück der Antike. Die darin verhandelten Themen bleiben zeitlos gültig, geht es doch um Selbstbestimmung und Freiheit des Menschen. Neben „Ödipus“ und „Ödipus auf Kolonos“ gehört das Stück zu den Gründungsmythen der europäischen Kultur: Kreon, der Herrscher Thebens, lässt seine Nichte Antigone, Tochter des Ödipus, lebendig begraben, weil sie entgegen seinen Anweisungen ihren toten Bruder Polyneikes bestattet hatte. Antigone, die Kreons Sohn Hämon heiraten soll, beruft sich auf die Götter, der Herrscher besteht auf seiner politischen Macht. Dieses Duell endet unentschieden und für alle fatal.
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Antigone begeht Selbstmord, ebenso Hämon. Kreons Einsicht kommt zu spät. Zwischen den Fronten steht Antigones gesetzestreue Schwester Ismene. Sie weigert sich, ihrer Schwester bei dem verbotenen Ritus zu helfen, beugt sich der Autorität, auch wenn sie mit ihrer Zerrissenheit zwischen Pflicht und Neigung hadert.
Regisseurin sieht starken Gegenwartsbezug
König Kreon verbietet, dass sein aufständischer Neffe Polyneikes bestattet wird. Die Totenruhe wird ihm verwehrt. Seine Schwester Antigone nimmt das nicht hin. Recht, das für sie zu Unrecht wird, erfordert Widerstand. Das gelte vor 2.500 Jahren ebenso wie heute, sagt Regisseurin Lore Stefanek: „Gerade wenn sich auf der Welt ein politisches Klima neu bildet, mit dem man nicht gerechnet hat und mit dem man vielleicht auch nicht einverstanden sein kann, ist dieser Text hochaktuell.“
Antigone ist hin und her gerissen und steht zwischen dem Erfüllen von Befehlen und dem moralisch-menschlichen Anspruch, dem sie sich nicht entziehen kann, auch wenn ihr dafür der Tod droht.
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„Mensch ist belehrbar“
Immer wieder gab es junge Menschen, die sich gegen Unrecht der Regierenden Auflehnten: Ob Antigone, ob die Weiße Rose im Dritten Reich, ob Greta mit ihrem Kampf gegen die Weltzerstörung durch den ungehemmten Kapitalismus. Antigone-Darstellerin Claudia Kainberger sagt, es gebe ihr Hoffnung, dass das jetzt auch viele Frauen machen würden: „Das zeigt, dass der Mensch schon belehrbar ist.“
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Düstere Umgebung am Theater
Düster ist das Klagenfurter Szenenbild (Bühne: Karl Kneidl), in dessen Vordergrund Erde aufgeschüttet ist. Dahinter lässt Regisseurin Lore Stefanek auf der Drehbühne die Leiche des toten Bruders rotieren, immer wieder erscheint ein Männerchor, mahnenden Untoten gleich. Kreon steht im Zentrum, verkörpert mit Militärstiefeln und kraftvoller Gestik selbstgewisse Männlichkeit. Doch Tim Grobe legt den Machthaber differenziert an, wird zum liebenden Vater, der fast unterwürfig um das Verständnis seines Sohnes buhlt, wechselt vom sturen Tyrannen zum heulend Trauernden, schillert zwischen sinnlicher Brutalität und verzweifeltem Irrwitz.
Moderner Abschluss für antiken Stoff
Die widerborstige Aufrührerin Antigone trotzt ihm und bekennt sich stolz zu ihrer „frommen Freveltat“. Claudia Kainberger verkörpert diese zarte und zähe Kämpferin aufrecht und leidenschaftlich, ist leicht und übermütig in einer imaginierten Kinderspiel-Szene mit ihren Geschwistern, geknechtet aber unbeugsam als Gefangene. Katharina Schmölzer als mahnender aber letztlich machtkonformer (Ein-Personen-)Chor steht Kreon stets zur Seite, Sarah Zaharanski (Ismene) und Barbara Schnitzler als Seher Teiresias vervollständigen mit Magda Kropiunig als Kreons erstarrte Ehefrau das starke weibliche Team der Produktion. Am Ende ist alles zerstört. „Aber was tun wir jetzt?“, fragt Ismene, ganz heutig gekleidete Frau, ins Publikum.
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Nähere Informationen
„Antigone“, Tragödie von Sophokles, übersetzt von Friedrich Hölderlin, bearbeitet von Martin Walser und Edgar Selge, Stadttheater Klagenfurt. Regie: Lore Stefanek, Musik: Primus Sitter, Bühne: Karl Kneidl, Kostüme: Stephanie Geiger, Mit Claudia Kainberger (Antigone), Tim Grobe (Kreon), Katharina Schmölzer (Chor), Sarah Zaharanski (Ismene), Jacob Keller (Hämon), Barbara Schnitzler (Teiresias), Robert Hollmann (Wächter), Michael Rothmann (Polyneikes/Bote), Magda Kropiunig (Eurydice). Bühnenmusiker: Primus Sitter. Sängerinnen: Praprotnice (Rozka Tratar, Hanca Pörtsch, Terezija Kravcar).
Weitere Aufführungen: 16., 18. April, 10., 17., 21., 22., 23., 26., 29. Mai, jeweils 19.30 Uhr, Karten: 0463 / 54064,