Tagebuch einer jungen Hitler-Anhängerin

Mit 16 Jahren hat die Mutter der Schriftstellerin Helga Glantschnig begonnen, ein Tagebuch zu führen. Als das „Kriegstagebuch meiner Mutter“ sind diese Aufzeichnungen einer glühenden Verehrerin Adolf Hitlers jetzt als Buch erschienen.

Die Einträge reichen von Oktober 1943 bis Dezember 1945. Zitat aus dem Buch: „Seit 1938, der großen Wende für Österreich, bin ich bei den Jungmädeln, und seit 1940 bin ich als begeisterte Führerin bei ihnen tätig.“ Helga Glantschnig macht es sich bei der Beurteilung der Rolle ihrer Mutter und der Zeit des Nationalsozialismus nicht leicht.

„Menschen sind verführbar“

Sie verzichtet auf eine einfache Verurteilung: „Ich würde behaupten, wer heute so über diese Zeit spricht in einer Position der moralischen Überlegenheit, hat überhaupt keine Ahnung, was es bedeutet in einer Diktatur zu leben. Die Menschen sind derartig verführbar. Man sieht das jetzt, sie lassen sich durch alles belügen und verführen.“

Kriegstagebuch Helga Glantschnig

Verlag Klever

Helga Glantschnig Das „Kriegstagebuch“ meiner Mutter Mit einer Einleitung der Autorin, 16 Euro ISBN 978-3-903110-41-0

Die großen Erziehungskomponenten im Nationalsozialismus seien Hass und Lüge gewesen. „Wenn man in so einem Umfeld aufwächst, wo es nichts anderes gibt, ist der Mensch nach wie vor verführbar.“

Keine Veränderung der Texte

Helga Glantschnig war es wichtig, dass die Aufzeichnungen ihrer Mutter so veröffentlicht werden, wie sie sind. Sie in Literatur zu verwandeln, wäre für die Schriftstellerin nicht denkbar gewesen. Drei Schulhefte erzählen vom Alltag einer Jugendlichen in Kärnten. Erste Schwärmereien für junge Männer, Kinobesuche, das Erleben des Krieges und die Begeisterung für den Nationalsozialismus und Adolf Hitler.

2009 starb Helga Glantschnigs Mutter. Die drei Hefte mit den Tagbuchaufzeichnungen wollte die 1927 Geborene später wegwerfen, tat es aber nicht. Also ist nachzulesen, wie die junge Frau es zuerst verurteilt, dass überzeugte Nationalsozialisten das politische Lager wechseln und Sozialdemokraten werden. Später sei sie selbst zum Sozialistischen Lehrerverein gegangen, sie habe auch meistens Sozialdemokratisch gewählt, so Helga Glantschnig: „Dass sie jetzt eine überzeugte Sozialdemokratin war, heißt nicht, dass sie nicht gewisse nationalsozialistische Tendenzen in sich weiter getragen hat.“

Kein Unrechtsbewusstsein

Helga Glantschnig stellte den Tagebuchaufzeichnungen ihrer Mutter fast 50 Seiten Einführung voran, denn sie wollte sie nicht unkommentiert veröffentlichen. Hier stellt sie klar, dass ihre Mutter bis zu ihrem Tod keine Einsicht oder gar ein Unrechtsbewusstsein hatte.

Ihrer Biografie stellt sie jene von Gleichaltrigen gegenüber, die eine ganz andere Weltanschauung hatten: Die Widerstandskämpferin Anna Jug aus Zell Pfarre und Ingeborg Bachmann gehören dazu. Glantschnig geht es mit diesem Buch darum, zu informieren, einen Einblick in die Gedankenwelt einer Schülerin während der NS-Zeit zu geben.