Die chemischen Waffen der Wurzeln

Wurzeln haben im Lauf der Evolution chemische Abwehrstoffe gebildet, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Und genau diese machen sie zu wertvollen Heilmitteln für den Menschen – besonders in der jetzigen Erkältungszeit.

Grundsätzlich besteht eine Pflanze aus drei „Organen“, erklärt Botaniker Helmut Zwander vom Naturwissenschaftlichen Verein für Kärnten: „Aus Wurzel, Stängel bzw. Stamm und Blättern.“ Die Wurzeln befestigen die Pflanze und dienen der Aufnahme von Wasser und Mineralsalzen aus dem Boden.

Die Kraft der Pflanzen liegt nun im Winter in den Wurzeln. Denn im Lauf der Evolution wurde sie auch zum Speichermedium, etwa für Stärke, Fette und Eiweiße. „Eine wichtige Entwicklung auch für den Menschen“, so Zwander. „Der Mensch hat natürlich gelernt, die Wurzeln für seine Ernährung zu nutzen.“ Viele Kilogramm an Wurzelgemüse nimmt jeder Mensch im Jahr zu sich.

Wurzeln entwickelten Verteidigungsstrategie

Auch Tiere wissen um den Nährgehalt der Wurzeln. „Tiere, Bakterien, Viren und Pilze versuchen die Speichersubstanzen der Wurzeln zu nutzen“, so Zwander. Diese Fressfeinde waren ein Problem für die Wurzeln, denn eigentlich braucht sie ihre gespeicherten Nährstoffe im Frühjahr wieder, um austreiben zu können. „Sie kann nicht weglaufen, hat keine Zähne und Klauen“, sagt der Botaniker. „Also musste sie eine andere Verteidigungsstrategie entwickeln.“

Also begannen die Wurzeln im Lauf der Evolution chemische Abwehrstoffe zu produzieren, die ihre Fressfeinde fernhalten soll. „Die Menge an diesen so genannten Sekundärstoffen ist fast unüberschaubar groß“, so Zwander. Diese „Verteidigungsstoffe“ nennt man anti-virale, -bakterielle und –fungale Inhaltsstoffe. Und auch diese Abwehrstoffe sind für den Menschen sehr wertvoll, sagt Botaniker Helmut Zwander. Daher können Wurzeln bei verschiedensten Krankheiten helfen.

Antibakterielle Blutwurz

Die Blutwurz beispielsweise zählt zu den bekanntesten Kärntner Heilkräutern, die Wurzel der kleinen, gelbblühenden Pflanze ist sehr kraftvoll. Sie enthält zum Beispiel wertvolle Gerbstoffe und das antibakterielle Tormentilrot. Im Vergleich zu ihrem Gesamtgewicht habe die Blutzwurz in der heimischen Pflanzenwelt den höchsten Anteil an Gerbstoffen, so Zwander.

Blutwurz getrocknet

ORF

Wenn man aus der Blutwurz eine Tinktur macht, hat man jene Inhaltsstoffe zur Verfügung, mit denen sich die Pflanze gegen Bakterien zur Wehr setzt. Zwander: „Die Tinktur ist zum Beispiel als Gurgellösung bei Hausentzündungen sehr wirkungsvoll.“

Bibernelle gegen die Pest

Auch die antibakterielle Wurzel der Bibernelle ist ein altbekanntes Heilmittel, auch ihre ätherischen Öle wirken heilend. „Esst Kranewitt und Bibernell und ihr werd‘ sterben net so schnell“, hieß es schon im Mittelalter. Die antibakterielle Bibernelle wurde schon im Mittelalter in Kärnten gegen die Pest und bei Infektionskrankheiten eingesetzt.

Krenwurzel für die Abwasserreinigung

Auch die Krenwurzel ist für ihre heilbringende Wirkung bekannt. „Die Krenwurzel ist eine Wucht, eine Antibiotikum-Bombe“, sagt Zwander. Kren enthält eine sehr große Menge an Senfölglycosiden, die eine antibiotische Wirkung haben. Deshalb wird die Krenwurzel in großen Mengen angebaut und sogar für die Abwasserreinigung verwendet, weil sie die darin enthaltenen Bakterien abtöten kann.

Abwehrkraft der Züchtungen wesentlich schwächer

Um das Wurzelgemüse schmackhafter zu machen, züchtete der Mensch allerdings die Abwehrstoffe größtenteils weg. Deswegen ist die Heilwirkung dieser Kulturpflanzen wesentlich schwächer. Im Gegenzug wurden Inhaltsstoffe wie Carotinoide, Stärke, Aromen und Zucker in den Züchtungen verstärkt. „Bei der Zuckerrübe wurde der Zuckergehalt auf über 20 Prozent hinaufgezüchtet“, so Zwander: „Dann darf man natürlich nicht glauben, dass das eine abwehrstarke Wildpflanze ist.“

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