ZAMG: Analyse verheerender Hochwässer

Experten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) haben die Unwetter und Hochwässer von Ende Oktober analysiert. Die Rechenmodelle stießen an ihre Grenzen, die Meteorologen mussten ihre Vorhersageinstrumente immer neu anpassen.

Am Mittwoch zogen die Meteorologen in Klagenfurt ihre Analyse des verheerenden Unwetters Ende Oktober in Kärnten. Zunächst wurde mitgeteilt, dass der Dammbruch im Gailtal möglicherweise ein verheerendes Hochwasser in Lavamünd/Drau mit verhindert hätte. Doch wie sich am Donnerstag herausstelle, waren es eher doch andere Faktoren: Einerseits das massive Absenken der Stauseen, andererseits die vorgesehenen Rückhaltebecken im Gailtal, die Schlimmeres verhinderten.

Damals wurden Höchstmengen an Regen und Höchststärken beim Sturm gemessen. Meteorologe Gerhard Hohenwarter sagte, die Situation sei damals paradox gewesen. „Am Montag, dem 22. Oktober, habe ich Anfragen aus Gemeinden im Gailtal bekommen, wann denn endlich Regen kommt, da die Wasserstände niedrig seien - da konnte ich schon sagen, dass es am Wochenende starke Regenfälle geben würde.“

Hochwassser Unwetter Oberkärnten Gailtal Rattendorf

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Rückhaltebecken im Gailtal

Doch bereits kurze Zeit später war klar, dass sich die Lage zuspitzen würde: Die Prognose für einen Niederschlag von 130 Millimetern pro Quadratmeter wurde gegen Ende der Woche auf 200 Millimeter und mehr hinaufgesetzt. Gleichzeitig wurden die Behörden alarmiert, in Kärnten wurde damit begonnen, Staubecken abzusenken, um die Regenmassen aufnehmen zu können.

Regenmengen im Gailtal sprengten Vorhersage

Was dann aber wirklich kam, sprengte noch die Vorhersagen: Stellenweise wurde im Gailtal an drei Tagen eine Niederschlagsmenge von 550 Millimetern pro Quadratmeter gemessen. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Jahresregenmenge für Wien liegt bei 680 Millimetern. „An manchen Orten hat es an einem halben Tag 100 Millimeter, also 100 Liter pro Quadratmeter geregnet. Stellen Sie einmal zehn Stück Zehn-Liter-Kübel Wasser auf eine Fläche, die einen Quadratmeter groß ist - dann können Sie sich vorstellen, was das für Massen waren“, sagte Hohenwarter.

Unvorstellbar war so etwas bis zu diesem Zeitpunkt nicht nur für die Meteorologen, wie Hohenwarter zugab: „Das sind Niederschlagsmengen, die kein Meteorologe aus eigener Erfahrung kennen kann.“ An die Grenzen stießen auch die Rechenmodelle der ZAMG - sie waren mit den Mengen überfordert, auch das Warn-Tool kannte solche Messwerte nicht, weshalb am Wochenende sogar kurzfristig ein Programmierer einrücken musste. Generell seien die Prognosen aber sehr gut gewesen, sagte Hohenwarter. „Schon mehrere Tage vor dem Ereignis wurde eine erste Warnung ausgesprochen, dann wurden die Regenmengen täglich nach oben gesetzt und die Regenmengen flächenmäßig sehr gut erfasst.“

Dammbruch Gailtal

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Die verwüstete Region, nachdem der Damm wieder geschlossen wurde

Regenpause führte zu Beruhigung

Heute wissen die Meteorologen, dass das Hochwasser noch viel schlimmere Folgen für Kärnten hätte haben können. Doch die Zusammenarbeit aller beteiligten Einsatzkräfte habe einwandfrei funktioniert. Dazu habe eine Regenpause am Sonntag, dem 28. Oktober, zu einer vorübergehende Beruhigung geführt, das Wasser hatte Zeit, ab zu fließen. Auch waren die Pegelstände vor dem Regen so niedrig, dass viel mehr Wasser bewältigt werden konnte.

Funktioniert habe das Absenken der Staubecken. Lavamünd, die 2012 von einem Drau-Hochwasser verwüstete Gemeinde am tiefsten Punkt Kärntens hatte diesmal aber das größte Glück - mehr dazu in Lehren aus dem Hochwasser.

Felssturz Lesachtal Soldaten

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Niedergemähte Wälder

Sturm verwüstete Wälder in Kärnten

Aber nicht nur was den Regen angeht, verzeichnete die ZAMG Spitzenwerte - am Wochenende brach nämlich auch ein Sturm los, der vor allem in Oberkärnten hektarweise Wald verwüstete. Punktuell erreichten die Sturmböen eine Geschwindigkeit von bis zu 200 km/h. An den Messstationen in Oberkärnten wurden Spitzenwerte von 130 bis 180 km/h gemessen, erklärte Hohenwarter: „Zum Beispiel auf der Mauthner Alm im Gailtal - da hat die Messstation noch 163 km/h gemessen, bevor der Sturm sie umgerissen hat.“ Die Bilder von den stark beschädigten Fichtenwäldern sollen idealerweise zu einem Überdenken von Fichten-Monokulturen führen, lautete ein Appell der Wetterexperten.

Gailtal Rattendorf nach Unwetter nach Hochwasser

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Gailtal bei Rattendorf nach dem Hochwasser

Warnungen können Schäden minimieren

Das Fazit der ZAMG lautete, dass Schäden durch Warnungen minimiert werden können, auch wenn sie nie ganz zu verhindern sein werden, sagte Stefan. Im aktuellen Fall hätten die diensthabenden Experten den Mut gehabt, die Prognosen zu kommunizieren und auch zu warnen. Wie Hohenwarter präzisierte, stehe auf der anderen Seite aber auch die Gefahr, dass man zu häufig warnt und die Leute dann die Warnungen nicht mehr ernst nehmen: „Prinzipiell kann man aber sagen: Wenn wir warnen, dann ist das keine Kleinigkeit.“

Forstschäden Unwetter

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Die schwer beschädigte Straße ins Lesachtal bleibt gesperrt, es gibt eine Ersatzstraße

Keine Vorhersage zu Häufigkeit von Unwettern

Ob man sich in Zukunft auf mehrere solcher heftigen Unwetter einstellen kann, darauf wollten sich die Experten bei der ZAMG nicht festlegen: „Da bräuchte man eine extrem lange Messreihe. Man kann noch nicht sagen, ob das wirklich häufiger auftritt.“ Fakt sei aber, dass die Lufttemperatur steigt - und wärmere Luft könne mehr Feuchtigkeit aufnehmen und auch abgeben. Wenn die Temperatur steigt, könnte das also zu mehr Niederschlägen führen.

„Aber mein Lieblingsbeispiel ist die Wüste - eine hohe Temperatur allein heißt nicht, dass es häufiger regnet“, gab Hohenwarter zu bedenken. Bei so einem Ereignis müsste viel zusammenkommen, etwa Luftfeuchtigkeit, Temperaturen und Luftströmungen. Zudem komme noch die Möglichkeit eines „statistischen Ausreißers“ hinzu wie in den Jahren 1965 und 1966, als es gleich drei Mal extreme Hochwasser gab. Bei einem sind sich die Meteorologen aber einig: „Das Bewusstsein der Leute, dass etwas passieren kann, ist auf jeden Fall erhöht.“

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