„Stadt ohne Juden“ im Open-Air-Kino

90 Jahre hat es gedauert, bis der Film „Die Stadt ohne Juden“ wieder in den Kinos zu sehen ist. Der Film gilt als das erste filmische Statement gegen den Antisemitismus und wird am Donnerstagabend im Open-Air-Kino in Klagenfurt gespielt.

1924 entstand der Stummfilm „Die Stadt ohne Juden“, seit März ist er wieder in seiner ursprünglichen Länge verfügbar. Seither wurde er bei zahlreichen Aufführungen gezeigt, am Donnerstag kann man ihn, auf Initiative des Landesmuseums Kärnten und des Volkskinos, im Burghof erleben.

Stadt ohne Juden Kino Klagenfurt Film

Filmarchiv Austria

Viele Juden wurden gezwungen ihre Heimat zu verlassen

„Juden als austauschbares Wort“

Die Einführung zum Stummfilm wird mit Alexandra Valent von Filmarchiv Austria eine gebürtige Kärntnerin halten. Sie studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Berlin und Wien. Seit 2017 arbeitet sie für das Filmarchiv Austria. Alexandra Valent sagt, dass der Film heute für sie aktueller denn je sei: „Damals waren es die Juden, heute sind es die Ausländer, entweder die Moslems oder alle anderen Nationen, die ja unserem Land schaden und es ausbeuten. Juden ist ein sehr austauschbares Wort. Leider.“

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Filmarchiv Austria

Film und Realität erschreckend nahe beieinander

Die Handlung des Films liegt der Realität erschreckend nahe: Arbeitslosigkeit und Inflation treiben in Wien die Menschen auf die Straße. Schnell wird den Juden die Schuld dafür in die Schuhe geschoben. Die Politik sieht es als geeignete Lösung an, Juden aus der Stadt zu entfernen. „Juden, die uns die Arbeit wegnehmen“ ist im Film auf einem der Zwischentitel zu lesen.

Erschreckend sind auch andere Sätze, die dort präsentiert werden: „Eine krankhafte Gier hat die Spekulanten ergriffen!“ oder der verständliche Wunsch der Menschen: „Wir wollen Arbeit und Lohn, von dem wir leben können.“

Die Handlung des Films zeigt das Problem, dass die Vertreibung der Juden noch größere wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt. Also wird am Ende des Films der erste jüdische Heimkehrer mit größten Ehren in Wien begrüßt.

Im Film zugespitzte Stimmung wurde Realität

Alexandra Valent betont, dass man bei der Entstehung des Films 1924 nicht erahnen konnte, dass die auf dem Roman von Hugo Bettauer basierende Filmhandlung Wirklichkeit werden würde: „Es sollte keine Prophezeiung sein. Die damalige Stimmung wurde eingefangen und bis ins Extreme zugespitzt. Das so etwas tatsächlich eintritt, hat zu diesem Zeitpunkt glaube ich niemand erahnen können. Im Film war es ‚Ende gut alles gut‘ und dass Film und Realität so weit auseinander klaffen ist traurige Wahrheit.“ Die kongeniale Musik von Gerhard Senz verleiht den unter die Haut gehenden Bildern auf der Leinwand zusätzliche Dramatik.

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Filmarchiv Austria

Szenenbild aus dem Film

Schriftsteller von Nationalsozialisten ermordet

Auch die Lebensläufe, der Menschen, die an diesem Film mitgearbeitet haben, sind ein Spiegel der Geschichte: Ida Jenbach, die maßgeblich am Drehbuch mitgearbeitet hatte, starb 1941 im Ghetto in Minsk. Regisseur Hans Karl Breslauer distanzierte sich sehr rasch von „Die Stadt ohne Juden“ und trat 1940 der NSDAP bei. Johannes Riemann spielte im Film die Hauptrolle, den Juden Leo Strakosch, er machte später bei den Nationalsozialisten Karriere und wurde „Staatsschauspieler“.

Der jüdische Schriftsteller Hugo Bettauer, auf dessen Roman der Film beruht, wurde 1925 von einem Nationalsozialisten ermordet. Sein Roman war in den 1920er Jahren mit 250.000 Expemplaren ein absoluter Verkaufsschlager. Sein Mörder, der arbeitsloser Zahntechniker Otto Rohstock kam vor Gericht mit seiner Tat mehr als glimpflich davon.

Alexandra Valent: „Der war einige Monate in einer Nervenheilanstalt und man hat ihn für unzurechnungsfähig erklärt. Im Prinzip war er zwei Jahre später wieder auf freiem Fuß und hat sich später in Interviews mit der Tat sehr geschmückt. Er hat es nie bereut.“

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Filmarchiv Austria

Trotz gefährlicher Zeiten war Bettauer aktiv

1872 geboren war Hugo Bettauer ein Klassenkollege des Schriftstellers Karl Kraus. Nach einem bewegten Leben mit Stationen in Ägypten und New York lebte er wieder in Wien und eckte mit seiner Haltung immer wieder an. Alexandra Valent: „Er war sehr offen und hat sich Minderheiten angenommen. Er hat sich zum Beispiel für die Rechte von gleichgeschlechtlichen Paaren und Ehen eingesetzt und viel Aufklärungsarbeit als Autor und Journalist betrieben. Er war einfach sehr neugierig, aktiv und offen in alle Richtungen.“

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Filmarchiv Austria

Romanvorlage von Hugo Bettauer

Dass diese Haltung gefährlich war, wusste Hugo Bettauer seit langem. Trotzdem machte er bis 1925 unbeirrt weiter. „Die NSDAP war zu diesem Zeitpunkt schon sehr stark. Die Gesinnung der Leute, auch zum Teil der Medien, war sehr hetzerisch. Gegen Hugo Bettauer wurde ja schon jahrelang Hetze betrieben, als der ‚Feind der Nation‘. Er bekam sehr viele Drohungen und das war dann eine Drohung, die in die Tat umgesetzt wurde“, sagte Valent.

Die gebürtige Feldkirchnerin empfiehlt auch, den Roman von Hugo Bettauer zu lesen. Er sei noch um einiges drastischer als der Film. Valent, die in den Film einführen wird, komme immer gerne nach Kärnten zurück: „Das ist superschön. Ich komm jedes Mal gerne nach Kärnten und habe sehr viel Familie in Kärnten. Ich freue mich heute meine ganze Familie zu sehen und sie dann zur Filmvorführung zu begleiten.“

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