Apropos Musikforum: Paul Gulda im Gespräch

Das Musikforum Viktring steht ab dem nächsten Jahr unter der Leitung von Paul Gulda. Der vielseitige Musiker tritt nach Jahrzehnten in die Fußstapfen seines Vaters Friedrich Gulda, der das Festival 1968 gründete.

Heuer geht die Ära von Werner Überbacher als Leiter des Musikforums zu Ende. Sein letztes Jahr steht noch bis Freitag unter dem Motto „Durchatmen“. Das Musikforum Viktring ist ein Fest für Klassik, Jazz und Improvisation und damit „anders“ als die üblichen Musikfestivals. Im zauberhaften Ambiente des Stiftes Viktring treffen sich Musikerinnen und Musiker für Konzerte, aber auch, um ihr Wissen an musikhungrige Schüler weiterzugeben. Paul Gulda unterrichtet seit Jahren, hat auch unzählige Male beim Musikforum konzertiert. Fühlt er sich nun, als dessen neuer musikalischer Leiter, „angekommen“?

„Wann wenn nicht jetzt und wer, wenn nicht ich?“

Gulda: „Ich habe auf jeden Fall eine Art von Station oder Plateau erreicht. Als 11-jähriger Bub war ich in jenem Sommer in Viktring, als mein Vater das Musikforum gehalten hat. Auf diese Weise ist es schon ein Ankommen – da gebe ich ihnen Recht – diese Stationen und Plateaus haben es aber eben an sich, dass man merkt: Es ist gar nicht die oberste Station, bis zum Baumwipfel wäre es noch viel weiter. Aber ja, ich habe mir damals diese Frage gestellt und wie folgt beantwortet: Wann wenn nicht jetzt und wer, wenn nicht ich?“.

Paul Gulda

ORF

Paul Gulda hat mit ORF-Kärnten-Redakteurin Angelika Benke über die Zukunft des Musikforum Viktring, Familienbande und das Glück, junge Menschen beim Entdecken ihrer Musiker-Persönlichkeit helfen zu können, gesprochen.

Viele Jahre lag die Verantwortung für das Festival in den Händen von Werner Überbacher, der die Agenden mit dem heurigen Jahr aber abgibt. Das Besondere an der „Viktring-Familie“ dürfte sein, dass die Familienmitglieder aus verschiedenen Weltgegenden und Musikrichtungen kommen und trotzdem gut miteinander können. Die Stimmung beim heurigen Musikforum scheint - fragt man das Publikum - besonders gut.

„Über Jahre Gewachsenes“ sei zu respektieren

Was die zukünftige Leitung des Festivals betrifft, sagt Gulda: „Wenn man etwas übernimmt, ist man gut beraten, sich einzuarbeiten und das zu respektieren, was über Jahre gewachsen ist und Veränderungen über den Zeitraum mehrerer Jahre einzuführen. Da sind auch ganz viele menschliche Verbindungen zu respektieren, von Dozenten und Studenten, die mit dem Ort verwachsen sind, das ist ein sehr wichtiges Kapital.“

Eines der wichtigsten Anliegen für die Zukunft des Festivals sei eine längere Verweildauer von Studenten und Dozenten zu erzielen, indem man z.B. das Konzert-Angebot noch attraktiver gestalte. Auch das Publikum solle stärker mit einbezogen werden. Gulda: „Man kann singen, musizieren und auch in der Klavierklasse von Paul Gulda etwas lernen.“

Wichtig sei auch die Arbeit mit Kindern und Noch-Nicht-Musikern. Der Wunsch verschiedene Musikrichtungen einzubeziehen, betreffe zum einen die Nachbarregionen Italien und Slowenien, zum anderen Musiken, die mit migrantischen Gemeinden in Kärnten und Österreich in Zusammenhang stünden. „Wenn mir das auch gelingt, dann gehe ich in Pension oder so.“

Freizeit nach der Schule? Beethoven auf der Flöte

Als Kind wollte Paul Gulda entweder Bauer, Priester oder Musiker werden. Den Ausschlag für ein Leben als Musiker gab der Fund einer kleinen Blockflöte. Gulda: „Ich habe diese Blockflöte versteckt in einer Lade gefunden, die niemandem gehörte, bzw. die mein Vater zurückgelassen hatte, als er einige Jahre zuvor auszog. Dann hat mein älterer Bruder mir die Griffe gezeigt. Zwei Wochen später beherrschte ich das ganz gut und bemerkte: Hallo, das bin ja ich – ich kann eigentlich jede Melodie spielen, die ich will.“

Das sei ein eindeutiger Impuls gegeben, davor gab es immer wieder „kleine Stationen“, die auf die Zukunft als Musiker hinwiesen. "Ich bin als Dreijähriger im Stadtpark im Wien hinter dem Dirigenten des Johann Strauss-Orchester gestanden und habe mit einem Staberl die Triller durch heftiges Wackeln mitdirigiert. Also mit zehn, elf, zwölf wurde das immer klarer. Ich bin von der Schule nach Hause gekommen und habe eine Beethoven-Sinfonie aufgelegt und – auch aus Vaters Zeiten gab es die Partituren all dieser Werke – mit meiner Blockflöte die erreichbaren Stimmen wie Violine oder Flöte und Oboe mitgespielt. Das war meine Art von genussvoller Freizeitgestaltung.“

„Vor 300 Jahren vielleicht Stadtpfeifer geworden“

Später ist es für Paul Gulda dann doch das Klavier geworden. Der Musiker schöpft die gesamte Palette des Instrumentes aus – spielt Klassik, Jazz und Improvisation, was für Musiker schon fast ein Privileg darstellt. Für Gulda selbst ist es „genau diese Vielfalt und Buntheit, die ich in meinem kindlichen Übermut immer angestrebt habe“.

"Wir wissen alle, es war in der künstlerischen Biografie meines Vaters schon angelegt, also ist es keine große Überraschung. Aber ich habe vielleicht noch ein paar Bereiche gestreift, die er bewusst ausgelassen hat.Also wenn man mich fragt: Was ist ihre Berufsbezeichnung, sage ich doch als erstes Musiker, auch wenn ich komponiere. Wer weiß, vor 300 Jahren wäre ich vielleicht Stadtpfeifer geworden.“

„Beglückend, wenn sich junge Leute entdecken“

Die Besonderheit am Unterrichten besteht für Gulda neben der Freude an sich in der Möglichkeit, „den jüngeren Leuten manche Wege verkürzen“ zu könenn. Das betrifft zum einen die technische Ebene und Hinweise zu Stücken. "Noch beglückender ist, wenn man merkt, dass die jungen Leute sich selbst entdecken, wirklich bei sich sind und auch dort, wo ein Stück sehr gut einstudiert wurde, aus der Rolle des treuen Dieners heraustreten und sagen: Ich verstehe das jetzt und kann es in meiner eigenen Erfahrungswelt spiegeln oder mein Lehrer hat mir dabei geholfen und dabei Räume aufzumachen, die man nicht kannte. Das ist ein Beitrag zu Glück und Gesundheit.“

Vater Gulda - „a household word“

Der berühmte Vater Friedrich Gulda war für Paul Gulda eine zentrale Figur seines Lebens. „Ganz unbedingt ist das so. In der Öffentlichkeit ist der Name meines Vater – es gibt diesen schönen Begriff aus dem Englischen – a household word, also etwas was man geradezu im Haushalt vorrätig hat. Das ist manchmal auch ganz hübsch. Nach dem Abschlusskonzert kam ein Mensch auf mich zu, er sah aus wie ein Bergsteiger, und sagte: Ich bin ein Steirer, mache seit Jahrzehnten hier Urlaub und das Konzert war ein supertolles Erlebnis. Jetzt weiß ich endlich, wie ein Gulda-Konzert ist - dabei habe ich vergleichsweise wenig gespielt. Er meinte sozusagen das Aufrüttelnde, Unerwartete, Inspirierende – und das ist eigentlich ein sehr schönes Kompliment. Weniger gern höre ich als erstes Wort nach einem Konzert: Ja, ich hab auch ihren Vater so oft gehört“.

Muttersprache: „In einer Sprache zu Hause“

Guldas Mutter, Burgschauspielerin Paola Löw, musste im Krieg mit ihrer Familie aus Italien flüchten. Zuerst ging es nach Paraguay, dann nach Argentinien, wo sie Friedrich Gulda kennenlernte und dann mit ihm nach Wien ging. Dass er und sein Bruder deutschsprachig und ohne die Kindheitssprachen seiner Mutter - Italienisch und Spanisch - aufwuchsen, bedauert Gulda nicht.

Gulda: „Ich und mein Bruder haben durch dieses Privileg - die Großeltern in Italien – die Sprache viel gehört, was es uns ermöglicht hat, es in reiferen Jahren ohne formelles Studium fließend zu erlernen. Es würde mir zwar nicht schaden, aber was soll man noch alles machen? Es ist schon gut, wenn man in einer Sprache wirklich zu Hause sein und schlüssig denken kann. Wir sind hier in Kärnten. Es ist nicht leicht, zwei Lebenswelten anzugehören, natürlich ist es vielen in diesem begnadeten Land sehr wohl möglich, mit einem Bein fest in einer Sprachwelt verwurzelt zu sein und trotzdem die andere zu sprechen und zu respektieren.“

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