Orgasmustag: Die Tücken des Höhepunkts

Der 21. Dezember ist der Welt-Orgasmus-Tag. Seit Jahrzehnten preisen Wissenschaftler seine zahlreichen Gesundheitsvorteile. Allerdings ticken Frau und Mann auf dem Weg zum Höhepunkt anders, ein „Programmierfehler der Natur“, meinen Sexualtherapeuten.

Wenn es nicht beim Küssen bleibt, kommen laut Umfragen rund 80 Prozent der Männer, aber nur rund 30 Prozent der Frauen zum Höhepunkt. Dass sich das weibliche Geschlecht etwas schwerer mit dem Höhepunkt tut, liege auch daran, dass Frauen meist kopflastiger sind, sagt Sexualtherapeutin Gabriele Maurer-Waitschacher. Dabei wäre gerade der Orgasmus geeignet, den Kopf frei zu schalten: Dabei wird das Hormon Oxitocin im Gehirn ausgeschüttet, es senkt das Stress-Hormon Cortisol und vermindert Ängste. Ein Orgasmus ist also das beste Mittel, um nach einem stressigen Arbeitstag zu entspannen – in der Theorie. In der Praxis ticken Männlein und Weibchen allerdings anders.

Weltorgasmustag Höhepunkt

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„Da ist in der Evolution ein kleiner Programmierfehler passiert“, sagt die Sexualtherapeutin. Für Männer sei der Orgasmus entspannend und bestens zum Stressabbau geeignet. Frauen brauchen allerdings eine „Grundruhe“, um überhaupt in die richtige Stimmung zu kommen. Männer brauchen Sex also zum Stressabbau, während bei den Frauen bei Stress meist nichts läuft.

Wenn sie ihn gut riechen kann…

Abseits von der nötigen Ruhe braucht Frau auch das richtige Parfum zum Höhepunkt. Eine Studie der Berliner Charité zum Sexualleben der deutschen Frauen kam zu dem Ergebnis, dass der Geruch des Partners das wichtigste Orgasmus-Stimulans für Frauen ist. Verliebtheit oder Attraktivität des Partners spielten hingegen keine Rolle, sagte Studienleiterin Sabine Grüsser-Sinopoli.

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Jeder Orgasmus ist gesund

Wenn aber beide das Spiel gewinnen, gewinnen sie auch viel für die Gesundheit. Seit den 1960-er Jahren erforscht die Medizin intensiv die Auswirkungen von Liebesspielen. Fest steht: „Jeder Orgasmus ist gesund – ob alleine oder zu zweit. Es werden viele Hormone und Botenstoffe aktiviert“, so die Sex-Expertin Maurer-Waitschacher.

Wissenschaftlich belegt ist zum Beispiel, dass ein Orgasmus wie ein Schmerzdämpfer wirkt, auch für Migräne-Patienten könne das sehr „hilfreich“ sein, sagt die Sex-Therapeutin. Laut einer Studie einer Universität in New Jersey wird die Schmerztoleranz-Grenze um 74,6 Prozent und die Schmerzerkennungs-Schwelle um 106,7 Prozent angehoben, wenn eine Frau durch Masturbation zum Orgasmus kommt.

Wie Heroin ohne Langzeitfolgen

Obwohl Männer und Frauen den Geschlechtsverkehr häufig sehr unterschiedlich wahrnehmen, zeigen Gehirnscans, dass ihre Gehirnaktivität im Moment eines Orgasmus gleich ist. In diesem Moment setzt die Aktivität im orbitofrontalen Kortex, der Region über dem linken Auge, aus. In dieser Region werden rationale Entscheidungen getroffen und unser Verhalten kontrolliert. Wenn wir einen Orgasmus haben, gleicht unser Gehirn dem eines Menschen, der Heroin genommen hat, wie eine Studie belegt, die im “Journal of Neuroscience” veröffentlicht wurde.

Bei einem Höhepunkt werden bis zu 80 Hirnregionen aktiviert, weit mehr als bei Lösen eines Kreuzworträtsels. Ausgeschüttet wird auch der Botenstoff Serotonin, der Glücksgefühle verursacht und auch in vielen Antidepressiva enthalten ist.

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Sperma wirkt wie ein Antidepressivum

Auch Sperma soll gesund sein: Eine Forschergruppe der State University of New York in Albany stellte in einer Studie fest, dass Frauen, die beim Sex Kondome benutzen, häufiger an Depressionen und Selbstmordgedanken leiden als Frauen, die das männliche Ejakulat in sich aufnehmen. Die Forscher erklären sich das Phänomen dadurch, dass die im Ejakulat enthaltenen Hormone wie Östrogen und Testosteron, die vom Unterleib der Frau in ihren Blutkreislauf gelangen, ihre Stimmung positiv beeinflussen.

Orgasmen können auch das Immunsystem deutlich verbessern. Forschungen an der Ohio University besagen, dass ein Orgasmus unsere Infektionsbekämpfungs-Zellen um bis 20 Prozent steigern kann.

Vorsorge gegen Prostatakrebs

Forschungsergebnisse der University of Montreal zeigten, dass Männer, die mit vielen Frauen Sex haben, seltener an Prostatakrebs erkranken. Das liegt aber offenbar weniger an der Anzahl der verschiedenen Sex-Partner als an der Häufigkeit der Ejakulation: „Es ist möglich, dass viele weibliche Sexualpartner zu einer höheren Zahl von Ejakulationen führt, dessen schützende Wirkung gegen Prostatakrebs zuvor in Kohortenstudien beobachtet wurde“, sagt Professorin Marie-Elise Parent, die die Untersuchung leitete. Eine hohe Anzahl von Ejakulationen reduziert demnach die Konzentration krebserregender Stoffe in der Prostataflüssigkeit.

Sex erhöht die Lebensdauer

Und generell, so Sexualwissenschaftler Kurt Seikowski, sei Sex ein gutes körperliches Training: „Sex hat ähnliche Auswirkungen wie Sport. Er trainiert und stärkt also auch das Herz.“ Während des Vorspiels steigt die Herzfrequenz langsam an, während des Orgasmus erreicht sie den Höhepunkt, fällt jedoch direkt im Anschluss auf ein normales Level zurück. Es ist also ein besonders schonendes Training, das das Herz fit hält. Laut einer Studie aus Großbritannien leben Männer, die regelmäßig Orgasmen haben, sogar länger. Das Sterberisiko war sogar um 50 Prozent geringer als in der Kontrollgruppe, in der die Männer nur selten zum Höhepunkt kamen.

Hormonell bedingte Liebesschwüre

Körperkontakt ist generell gut für das Gefühl der Verbundenheit. Im Bett vervielfacht sich dieses Gefühl durch den Botenstoff Oxytocin. Und dann komme es häufig zu besonders innigen Liebesschwüren, sagt Sexualtherapeutin Gabriele Maurer-Waitschacher.

Sendungshinweis:

Guten Morgen Kärnten, 21. Dezember 2016

Aber egal was die zahlreichen Studien und Umfragen zum Sex besagen – sie seien mit viel Vorsicht zu genießen: „Bei nichts wird so viel gelogen, wie beim Sex. Die Männchen stellen sich halt gerne besonders potent dar.“