Gedenken an die Judenvernichtung

Am Sonntag hat in Klagenfurt eine Matinee zum Gedenken an die Shoa, den nationalsozialistischen Völkermord an Juden, stattgefunden. Rednerin Charlotte Knobloch erinnerte sich an ihre Kindheit, als sie erst fragen musste, was ist denn ein „Judenkind“?

Wie die Klagenfurter Bürgermeisterin Maria Luisa Mathiaschitz (SPÖ) bei der Begrüßung sagte, wurde bei der Befreiung von Auschwitz am 27. Jänner 1945 zum ersten Mal das unvorstellbare Ausmaß der Naziverbrechen und des Grauens der ganzen Welt vor Augen geführt. Es war die fünfte Matinee, zu der die Stadt in das Künstlerhaus lud. Gekommen war auch Charlotte Knobloch, langjährige Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

Video von Studenten gestaltet

Ein Video, das Studenten und Studentinnen der Alpen-Adria-Universität zum Thema Holocaust-Gedenken drehten, wurde gezeigt. Dafür wurden Menschen unterschiedlichen Alters zu ihrem Bezug und ihren Erinnerungen zum Begriff Holocaust interviewt und die Sequenzen mit stillen, bewegenden Bildern kombiniert. Viele erzählten, wie das Thema noch vor Jahren totgeschwiegen wurde.

Mathiaschitz betonte, wie wichtig es sei, bei solchen Veranstaltungen an die Unmenschlichkeit zu erinnern. Besonders für junge Menschen sei es wichtig und notwendig, sich damit zu beschäftigen. Es gehe nicht nur um das Erinnern, es gehe auch um eine Mahnung für Gegenwart und Zukunft, so Mathiaschitz. Man müsse heute wieder gegen Rassismus, Intoleranz und Respektlosigkeit auftreten.

Holocaust Gedenken Klagenfurt

ORF

v.l. Maria Luise Mathiaschitz, Charlotte Knobloch, Stadtrat Jürgen Pfeiler

Erinnerungskultur in Klagenfurt

Die Stadt habe wichtige Schritte in der Erinnerungskultur gesetzt. So gebe es einen Gedenkbeirat unter dem Vorsitz von Peter Gstettner. Vor den letzten Wohnadressen verschleppter und ermordeter jüdischer Mitbürger und Mitbürgerinnen erinnern Stolpersteine an ihr Schicksal, am Ort des einstigen jüdischen Bethauses wurde eine würdige Gedenkstätte installiert und mit der Partnerschaft Dachau gebe es auch eine Gedenk-Partnerschaft. Außerdem werde an einem „Netzwerk des Erinnerns“ gearbeitet, um möglichst viele Menschen zu erreichen.

Knobloch: Erinnerungen an jüdische Kindheit

Als Gedenkrednerin sprach in diesem Jahr Charlotte Knobloch. Sie begann mit Erinnerungen an ihre Kindheit, als sie selbst als „Judenkind“ missachtet wurde. Ihre Familie wurde zerrissen, Vater und Großmutter deportiert.

Holocaust Gedenken Klagenfurt

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Knobloch bat die Studenten um das Video, um es in Deutschland zu zeigen

Sie erinnerte sich, dass der Spielplatz vergittert wurde und sich ihre Spielkameraden von der Vierjährigen abwandten, die hinein wollte. Ein Frau erklärte ihr barsch, dass Judenkinder hier nicht spielen dürften. Die erste Frage der Kleinen an ihre Oma: Was ist ein Judenkind? Damals habe sie erkannt, dass ihr das Anderssein aufgezwungen worden war. Ihre Welt als Jüdin sie dann immer kleiner geworden. Die Nachbarn schauten das kleine Kind hasserfüllt an, der Sohn der Nachbarin spuckte sie auch an. Die Eltern mussten sich trennen, der Vater, ein Anwalt, verlor die Kanzlei. Das Kindermädchen und die Klavierlehrerin mussten sie verlassen.

Bauern retteten das kleine Kind

Sie selbst konnte nur vor dem Holocaust gerettet worden, weil eine nahe stehende katholische Familie sie auf ihrem Bauernhof aufnahm und als ihr eigenes Kind ausgab. „Sie alle markieren den Gegenpol und stehen für die Ablehnung von Hass, Kälte und Intoleranz.“ Dass diese Gedenkveranstaltung bereits zum fünfte Mal stattfand, erfülle sie mit Hoffnung. „Ich knüpfe meine Hoffnung nicht daran, dass in Europa gewiss alles einen guten Lauf nehmen wird. Ich knüpfe meine Hoffnung an die Menschen.“ Sie zähle auf die Jugend, der sie zurief, „lasst Euch nicht von irgendjemand vorschreiben, wen ihr zu lieben und wen ihr zu hassen habt.“

Gedenken an Ari Rath

Mit einer Trauerminute wurde auch des erst vor knapp zwei Wochen verstorbenen Ari Rath, des unermüdlichen Mahners wider das Vergessen, gedacht. Ari Rath, gebürtiger Wiener und langjähriger Chefredakteur der Jerusalem Post war Gedenkredner bei der Klagenfurter Matinee 2016. Er schilderte damals in berührenden Worten wie er mit 13 Jahren mit einem Kindertransport vor den Nazis nach Palästina flüchten mußte, wie mit dem Anschluss 195.000 österreichische Juden über Nacht vom Mensch zum Unmensch erklärt wurden, wie niemand gegen die Plünderungen protestierte, wie jüdische Mitbürger verfolgt und verhaftet wurden.

Die Erinnerung bleibt

Peter Gstettner stellte seine Gedenkworte unter den kurzen, einprägsamen Satz: „Es bleibt“. Der Vorsitzende des Klagenfurter Gedenkbeirates und Gründer des Mauthausen Komitees Kärnten/Koroška und des Vereins Memorial Kärnten Koroška wies in seiner Rede darauf hin, dass Menschen, die den Holocaust überlebten, noch „Jahre nach ihrer Befreiung Gefangene ihrer Erinnerung“ blieben. Die Gnade des vergessen Könnens sei niemandem beschieden, auch nicht, wenn Jahre vergehen. Es bleibt. Und dies sei, so Gstettner, auch der Leitsatz für die engagierte Erinnerungsarbeit in Klagenfurt. „Es bleibt - dieses Thema am Programm“.

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