Gewalt in der Pflege

Es ist eines jener Themen, die in der Altenpflege gerne verschwiegen werden: Aggressionen durch alte Menschen und gegenüber alten Menschen. Immer wieder kommt es in Heimen oder in Familien zu Zwischenfällen.

Zahlen gibt es kaum, denn die meisten Betroffenen haben Angst oder schämen sich darüber zu sprechen. Gewalt kann verbal geschehen, viele Angriffe gegen Pfleger passieren aber auch mit Händen, Füßen oder Gegenständen, sagt die Gesundheitspsychologin Christine Leyroutz. Sie hält in Heimen und Krankenhäusern Vorträge zum Thema „Ältere Menschen und Gewalt“.

Sendungshinweis:

Radio Kärnten Mittagszeit; 14.12.2016

Gewalt kann viele Gründe haben

Die Gründe dafür, dass Pflegebedürftige aggressiv werden, sind vielfältig, sagte Leyroutz. „Es gibt krankheitsbedingte Veränderungen im Gehirn, Kontrollverlust über die Gefühle, das kann hadern mit dem eigenen Schicksal sein, fehlende Selbstbestimmung, Pflegewiderstand, Gefühl der Abhängigkeit und der Hilflosigkeit, es gibt Persönlichkeitsveränderungen, die durch Medikamente hervorgerufen werden, Angst und Verzweiflung, die ungewohnte Umgebung, manchmal ist es auch Freiheitsentzug oder ein überschreitendes Eindringen in die Intimsphäre.“

Dass die Patienten plötzlich und unerwartet aggressiv werden, passiert selten. Meist haben Gewalt und Aggression eine längere Vorgeschichte, sagte Leyroutz. Wichtig sei, den Dingen auf den Grund zu gehen, Beruhigungsmedikamente würden wenig helfen. „Die Menschen werden aggressiv, weil sie uns etwas aufzeigen. Wenn die Möglichkeit besteht, sollte man sich Zeit nehmen für den Betroffenen und schauen, was er braucht und warum er aggressiv reagiert. Dann kann man die Aggression vielleicht auch minimieren, aber das geht nicht immer. Es gibt auch kein Wundermittel, aber wenn ich mir das Leben des Betroffenen empathisch und biographisch ansehe, dann finde ich vielleicht den Grund, warum er so aggressiv reagiert“, so Leyroutz.

Schuldgefühle bei Betreuung Angehöriger

Vor allem Familienangehörigen, die ihre Eltern betreuen, fällt der Schritt oft schwer, die Situation von außen zu betrachten und die Problematik anzusprechen. „Es gibt oft Schuldgefühle, wenn man mit dem eigenen Elternteil nicht mehr klar kommt, wenn man überfordert ist, weil man 24 Stunden um jemanden herum ist. Das ist ja anders, als in der professionellen Pflege, wo man aus dem Raum gehen kann, oder eine Kollegin hinein schicken kann. In der Familie ist das meist nicht möglich, weil nur einer für die Betreuung und die Pflege zuständig ist. Das ist ja eine wahnsinnige Leistung, in der emotionalen Verbundenheit noch zu pflegen.“

Auch Pfleger können zu Tätern werden

Aus Überforderung kann die Aggression dann in der Folge oft auch von der anderen Seite ausgehen. Immer wieder werden auch ältere Menschen zu Opfern und die Pfleger zu Tätern. Überbelastung, Schlafdefizite, finanzielle und gesundheitliche Probleme können oft der Auslöser für Gewalt von Seiten der Pflegenden sein. Die Gesundheitspsychologin rät deswegen so früh wie möglich Hilfe in Anspruch zu nehmen. Essen auf Rädern oder eine Haushaltshilfe können dabei schon eine erste Unterstützung sein.