„Dagegen sein“ - Protestausstellung an der Uni

An der Uni Klagenfurt ist noch bis 4. Dezember eine Doppelausstellung zum Thema „Dagegen sein“ zu sehen. Sie zeigt politische Aufkleber einst und jetzt sowie eine Fotoausstellung über protestierende Menschen 2013 im Gezi-Park in Istanbul.

Aufkleber sind heute überall. Fußballer in Sammelalben, aber eben auch rechtsradikale Aufkleber im öffentlichen Raum wie „Natürlich deutsch“ der NDP oder linke Aufkleber wie „Refugees welcome!“. Mit „Angezettelt 2.0“ zeigt die Universität Klagenfurt derzeit Aufkleber aus mehr als 100 Jahren und eine Fotoausstellung über die Menschen, die 2013 im Gezi-Park in Istanbul gegen die Regierung protestierten.

Antisemitische Kleber um 1890

„Die Juden sind unser Unglück!“ Marken mit diesem Zitat des deutschen Historikers und Publizisten Heinrich von Treitschke wurden bereits um 1900 auf Briefe geklebt. Die Verbreitung von antisemitischen Aufklebern begann laut Isabel Enzenbach, der Kuratorin der Ausstellung „Angezettelt 2.0“, ganz im Privaten. Ziel war, wie auch später bei den Aufklebern, die Verfestigung eigener Weltbilder und Überzeugungen und ihre gezielte Verbreitung, so Enzenbach. Es sei verblüffend, dass 1897 in der Berliner-S-Bahn Aufkleber „Kauf nicht bei Juden“ hingen. Ein Museumsmann kratzte das ab und bewahrte es auf.

Honoratioren waren Aufkleber „zu billig“

1920 produzierte der deutschvölkische Schutz- und Trutzbund bereits sieben Millionen Aufkleber mit Hetzparolen gegen die jüdische Bevölkerung. Selbstverständlich gab es auch Widerstand gegen diese rassistische Hetze wie zum Beispiel seitens des Zentralvereins der deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens, so Enzenbach. Die Aufkleber waren den Honoratioren zunächst „zu billig“, sie hätten es dann aber auch für sich verwendet, allerdings versuchten sie, ein gewisses Niveau zu bewahren. „Es gab hier einen Aufkleber mit der Parole ‚War je ein großer Geist Antisemit?‘. Dummerweise muss man sagen, ja.“

Die Einschüchterung von jüdischen Menschen funktionierte, wie Polizeiakten belegen, sehr gut. 1935 beklagte eine Berliner Jüdin, dass auf ihrer Haustür Aufkleber mit der Aufschrift „Juden nicht erwünscht“ angebracht wurden. Auch wenn Personen beim Aufkleben rassistischer Parolen erwischt wurden, kam es laut Enzenbach immer wieder zu absurden Urteilen: „In München gab es 1930 einen NS-Mann, der in der Wohnung 300.000 Aufkleber hatte. Er wurde wegen Mangels an Beweisen freigesprochen.“

Protest hat an Uni Tradition

Die Ausstellung behandelt ganz bewusst auch Kärntner Themen, so Barbara Maier von der Universität Klagenfurt. Dagegen sein, protestieren, hat an dieser Institution Tradition. Zu sehen sind zum Beispiel die „Haceks“ des Universitätskulturzentrums Unikum, zum Aufkleben auf Kärntner Ortstafeln gedacht, zum bewussten Sichtbarmachen des Slowenischen, der zweiten Kärntner Landessprache.

Ausstellung vor vier Jahren überklebt

Die Doppelausstellung „Dagegen sein“ geht aber laut Maier aufgrund aktueller Ereignisse noch einen entscheidenden Schritt weiter. Die Ausstellung „Saualm Reflux“ über die Situation der Flüchtlinge auf der Kärntner Saualm wurde bereits vor vier Jahren von politischen Gegnern überklebt. Im Juni dieses Jahres störten die rechtsextremen Identitären eine Lehrveranstaltung zum Thema Flucht und Asyl an der Uni Klagenfurt, so Maier: „Es ist ein deutliches Zeichen nach außen. Mit dieser Ausstellung wird auch die Mehrheitsmeinung dieser Universität repräsentiert, dass man gegen gewisse Strömungen rechtzeitig protestiert.“ - mehr dazu in Rechtsextreme Attacke bei Univorlesung (kaernten.ORF.at; 9.6.2016).

Dagegen sein Ausstellung Protest Uni Klagenfurt

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Dagegen sein, der bewusste politische Protest gegen Aufkleber, führte aber nicht nur in der Vergangenheit zu absurden Urteilen, sagte Enzenbach: „Heute gibt es ein aktuelles Urteil, das irritiert. Eine Rentnerin in Berlin, die immer wieder Aufkleber entfernt, wurde wegen Sachbeschädigung verurteilt, weil sie den Kleber ‚Merkel muss weg‘ übersprüht hat.“ Die Sprühfarbe war größer als der Aufkleber.

Asylwerber eingeschüchtert

Neueste Forschungen zeigen laut der Expertin, dass auch Flüchtlinge die rund um ihre Unterkünfte immer wieder angebrachten Aufkleber durchaus wahrnehmen und sie wie die Juden zur Zeit des Nationalsozialismus eingeschüchtert sind und ihre Umgebung viel genauer beobachten.

Protest gegen türkische Regierung

Eingeschüchtert sind seit dem Putsch in der Türkei im Juli dieses Jahres auch die Menschen, für ihre Rechte im Gezi-Park protestiert haben. Fotos, wie sie Hans Hochstöger und Arnold Pöschl kurz nach den Protesten 2013 machten, wären heute, davon sind die beiden Fotografen überzeugt, kaum noch möglich. Die Angst ist heute zu groß.

Beeindruckt vom Mut der Protestierenden

Auf den Fotos, die an den Außenwänden der Universität Klagenfurt ausgestellt sind, zeigen Hochstöger und Pöschl ganz bewusst die Gesichter der Protestierenden. Hochstöger sagte, es sei ein politisches Dokument und eine politische Aussage. Pöschl reichte es nicht, die Gezi-Park Proteste nur durch „Likes“ auf Facebook zu unterstützen. Der gebürtige Kärntner wollte mit seinen Fotos ganz bewusst einen konkreten Beitrag leisten. Die Begegnung mit den jungen Türkinnen und Türken beeindruckte ihn tief. Besonders beeindruckte ihn der Mut, dass sie sich trauten, auf die Straße zu gehen. Man habe gemerkt, dass es einen Zusammenhalt gab.

Dagegen sein Ausstellung Protest Uni Klagenfurt

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Der 1981 Geborene gab allerdings auch ganz freimütig zu, dass er nicht sagen könne, wie er in einer vergleichbaren Situation reagieren würde. Die leuchtenden Augen der Protestanten des Gezi-Parks wird er aber ganz sicher nie vergessen.