70 Jahre ÖVP: Herausforderung Wertewandel

Die Kärntner ÖVP hat am Montagabend in Pörtschach 70 Jahre im Kärntner Landtag gefeiert. Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner sprach in seiner Rede den Wertewandel, Flüchtlinge und Bildung als Zukunftschance an.

Im gezeigten Video zum Rückblick der Partei kam der mittlerweile in der Causa Birnbacher verurteilte Ex-Parteiobmann Josef Martinz nicht vor. Der jetzige Parteiobmann, Christian Benger, möchte den Blick in die Zukunft richten. Die ÖVP als Partei der Leistungsträger, die rasche Reformen in der Landesverwaltung einfordert, auch gegenüber den beiden Koalitionspartnern SPÖ und Grüne.

„Hinaus zu den Menschen gehen“

Benger fordert die Funktionäre auf, ab sofort hinaus zu den Menschen zu gehen. Dann sieht er großes Potenzial für die ÖVP, die seit 1999 zehn Prozentpunkte bei den Wahlen verloren hatte. Er halte eine Verdoppelung für möglich. Verdoppeln hieße rund 30 Prozent der Stimmen. In Kärnten ortet Benger Rückhalt von der Basis und von den Funktionären. Darunter sind noch immer sehr wenige Frauen, denn es gibt nur eine einzige Landtagsabgeordnete: ÖVP Frauensprecherin Karin Schabus. Sie sagte, die Frauen sollten mehr vor den Vorhang geholt werden. Man brauche sie noch mehr an der Spitze. Benger lädt - wie er sagte - alle Frauen ein, sich zu engagieren.

Der einzige Landeshauptmann der ÖVP in der Kärntner Geschichte, Christoph Zernatto, forderte auf der Bühne eine Öffnung der Partei in Richtung Jugend. Benger sagte, er lebe diese Öffnung bereits, sie solle aber weitergeführt werden.

„Bildung ist die Zukunft“

ÖVP-Bundesparteiobmann Mitterlehner beschwor die Bildung als Weg in die Zukunft. Man müsse Initiativen im Positiven setzen, netzwerken, vermarkten, wie das Ex-Landeshauptmann Zernatto bereits tue. Das sei ein erfolgreicher weg in die Zukunft. Es gehe nicht um Macht, sondern darum, das Land zu gestalten, so Mitterlehner.

Reinhold Mitterlehner ÖVP

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Reinhold Mitterlehner

Er zog den Bogen von den ersten Jahren nach dem Krieg mit dem Wiederaufbau und der Schaffung von Infrastruktur über den EU-Beitritt bis hin zu den sich immer weiter ändernden gesellschaftlichen Werten. Die Politik habe sich auch verändert, sie sei schneller geworden. Wenn man heute über ein Thema referierte, wissen die Menschen schon meistens Bescheid, sie seien viel besser informiert, so Mitterlehner.

„Können nicht alle aufnehmen“

Mitterlehner sprach auch die Flüchtlingsfrage an, auch dieses Thema sei komplex. Man könne nicht einfach sagen, man stoppe die Menschen und lasse sie nicht mehr hinein. Es brauche eine Lösung in Syrien und der anderen geopolitischen Konflikte, in Zusammenarbeit mit der Türkei. Bei diesem Thema merke man, dass man aus Betroffenen Beteiligte machen müsse. Es gehe nur gemeinsam oder gar nicht. Zuerst seien sie willkommen geheißen worden, als aber immer mehr kamen, hätten die Menschen den Eindruck gehabt, der Staat gebe seine Außengrenzen auf. Viele kämen nach Europa die nicht wirklich verfolgt werden und Schutz benötigen. „Aber die, die nur ihre Lebensbedingungen optimieren wollen, können wir nicht alle aufnehmen. Das überfordert das Land, da müssen wir streng trennen.“

Klassische Familie gibt es kaum mehr

Auch die Werte haben sich verändert, so Mitterlehner: „Wir hängen immer noch dem Idealbild der Familie nach mit Vater, Mutter und ein oder zwei Kindern, die Frau ist am Nachmittag Zuhause und versorgt die Kinder. Das Bild stimmt meistens nicht mehr. In Wirklichkeit haben wir Patchworkfamilien, jede zweite Ehe geht auseinander.“ Die Frage sei, wie gehe man damit um? „Ich kann auch andere Lebensentwürfe respektieren und bei den Rahmenbedingungen berücksichtigen.“

Kompromiss oft das Maximum

Mitterlehner zitierte den deutschen Politiker Hans Friedrich Genscher: „Man muss in der Politik nicht nur das Populäre tun, sondern das Richtige tun.“ Wenn man das Richtig tue, müsse man es populär machen und für seine Ideen einstehen, so Mitterlehner. „Wer nicht selbst gestaltet, wird gestaltet werden.“

Man habe klare Wert und ein gutes Parteiprogramm. Aber man lebe in einer Koalition und der Kompromiss sei manchmal das Maximum des Möglichen. Damit müsse man leben lernen, so der Bundesparteiobmann in Richtung der rund 350 Zuhörer.