Weg von der Ilias, hin zum iphone

Lesen und Schreiben befinden sich in stetem Wandel, was sich nicht zuletzt an der international geführten Diskussion zur Abschaffung der Schreib- bzw. Handschrift in Finnland zeigt. An der Uni Klagenfurt diskutieren mehr als 300 Experten über die Zukunft der Kommunikation.

Lesen und Schreiben sind durch technologische und soziale Veränderungen einem rasanten Wandel unterzogen. Wie darauf bestmöglich reagiert werden kann, wird von mehr als 300 Experten aus über 40 Ländern während der Tagung diskutiert.

Tagung an der Uni

„Literacy in the New Landscape of Communication: Research, Education, and the Everyday“ heißt die internationale Tagung an der Alpen-Adria-Universität.

Die Wissenschaftler, Pädagogen, Literaturvermittler und Bibliothekare, die sich in rund 230 Vorträgen, Workshops und Präsentationen austauschen, bringen dabei auch Good-Practice-Beispiele aus vielen Ländern mit.

„Es geht uns um stärkere Berücksichtigung von situationsangepasster Kommunikation im Unterricht“, so Margit Böck vom Institut für Deutschdidaktik. „Der Motor, der mich dabei antreibt, ist die soziale Ungleichheit und die Frage: Wie kann man ihr entgegenwirken?“.

Ich schreibe - also bin ich?

Ein Ansatz der Wissenschaftler lautet: Weg vom literarischen Lesen, hin zu einer größeren Vielfalt von Lese- und Schreibsituationen. Proteste, die in einer Veränderung des Literaturunterrichts den Untergang des Abendlandes sehen, hält Böck für überzogen. „Das ist nicht das Um und Auf - und es wäre nicht gut, das Lesen von Literatur gegen anderes auszuspielen.“ Auf der anderen Seite plädiert sie stark für das Einbeziehen von Handys und Smartphones in den Unterricht. „Es muss darum gehen, neue Hilfs- und Kommunikationsmittel richtig in den Unterricht einzubeziehen und nicht darum, sie zu verbieten.“

Auch beim positiven Umgang mit unterschiedlichen Herkunftssprachen der Schüler sei man in klassischen Einwanderungsgesellschaften viel weiter als in Österreich. Böck plädiert für ein „Weg mit der Abwehrhaltung!“

Horrorszenario: Eine Gesellschaft ohne Schrift

Szenarien, in denen eine Gesellschaft ganz auf Schrift verzichtet und nur noch auf Sprache und Spracherkennungsprogramme setzt, sind für Böck eine Horrorvorstellung. Dafür fehle ihr „der feste Glaube, dass wir immer in einer Gesellschaft leben werden, die ständig und ausreichend über Strom verfügt.“

Die Vorsitzende der „Austrian Literacy Association“ (ALA) ist gegen ein komplettes Abschaffen der Handschrift im Unterricht, wie es in Finnland gemacht wurde: „Handschrift hat etwas mit Identität zu tun. Wenn ich etwas mit der Hand mache, dann produziere ich etwas, anstatt bloß etwas auszuwählen, ich aktiviere dabei auch ganz andere Gehirnprozesse.“

Wie Sprache besser unterrichten?

In Südafrika, Australien, Großbritannien oder Skandinavien sei man in der Sprach-Didaktik deutlich fortschrittlicher, so Böck. „Für uns ist die Tagung gerade angesichts der PISA- und PIRLS-Ergebnisse wichtig, weil wir so Anschluss bekommen können an das, was sich anderswo bei der Gestaltung von Sprach-, Lese- und Schreibunterricht tut. Wir sollten uns fragen: Was werden die Schülerinnen und Schüler brauchen - und wie kann man das vermitteln?“

Die meisten Tagungsteilnehmer kommen aus den USA und Kanada, aber auch aus China, Japan, Nigeria, dem Irak oder Kamerun gibt es Anmeldungen. Keynote-Speakers sind die Kanadierin Jennifer Rowsell, eine der Vorreiterinnen einer „multimodalen“ Perspektive auf Texte, sowie die Britin Teresa Cremin und die Kanadierin Shelley Stagg Peterson, die sich mit der laut Böck in Österreich vernachlässigten Lese- und Schreibdidaktik in Volksschulen befassen werden. Eröffnet wird die Tagung mit einem Vortrag des Leiters des Musil-Instituts, Fabjan Hafner. Er wird sich mit Kärnten als Region, in der verschiedene Sprachen zusammenkommen, und dem Stellenwert der Literatur in Kärnten befassen.

Information zur Veranstaltung

Die „19th European Conference on Literacy“ findet von 13. bis 16. Juli an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt statt. Die von der 60.000 Mitglieder umfassenden „International Literacy Association“ (ILA) gegründete Konferenz findet seit 1981 alle zwei Jahre statt. In Österreich wurde sie bisher ein einziges Mal ausgerichtet, 1983 in Wien. 2013 wurde in Jönköping getagt, 2017 wird die Konferenz in Madrid stattfinden.