Cardenal: Der Revolutionär las Gedichte

Ernesto Cardenal, der fast 90 Jahre alte Revolutionär, Theologe, Dichter und ehemalige Kulturminister Nicaraguas las in St. Veit Gedichte. Eingeladen wurde er von der Katholischen Frauenbewegung, er ist gerade auf Lesereise.

Papst Johannes Paul II rügte Cardenal 1983 bei seinem Nicaraguabesuch öffentlich: Das Priesteramt und politische Ämter seien unvereinbar. Cardenal blieb dennoch Kulturminister, als Priester wurde er suspendiert. Bei seiner Lesung am Montagabend in St. Veit ging es Cardenal nicht nur um seine neuesten Gedichte, sondern nach wie vor um Revolution: „Mein Traum ist, dass es noch eine weitere Revolution gibt wie in Nicaragua.“

Ernesto Cardenal St. Veit Lesung Nicaragua

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Offizielle Rüge durch den Papst - Cardenal kniend vor Johannes Paul II.

Auf Seiten der Sandinisten

Cardenal wird am 20. Jänner 90 Jahre alt. Seit mehr als einem halben Jahrhundert kämpft er für eine gerechtere Welt, gegen Gewalt und Unterdrückung. Er unterstützte die Sandinisten beim der April-Revolution gegen den Diktator Somoza in Nicaragua. Als sie scheiterte, musste er das Land verlassen. Ein Bürgerkrieg brach aus. Als Somoza 1979 aus Nicaragua floh, kehre Cardenal zurück und wurde Kulturminister der neuen Regierung. Auch heute noch ist Cardenal Schriftsteller, Theologe und Revolutionär: „Ich bin mit der Berufung zum Dichter geboren, sie hat mich zu Gott gebracht, Gott hat mich zu meiner Berufung als Revolutionär gebracht.“

Auseinandersetzung mit modernen Themen

Das erste Gedicht, das Cardenal aus seinem neuen Buch vortrug war „Das Handy“. Es handelt davon, dass die Menschen zwar den ganzen Tag telefonieren, aber keine Ahnung davon haben, wie es hergestellt wurde. Im Kongo sterben Tausende Menschen weil das Erz Koltan für die Kondensatoren der Handys gebraucht wird.

Ernesto Cardenal St. Veit Lesung Nicaragua

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Standing Ovations im Blumensaal St. Veit für Cardenal und seine Band.

Also schreibt Ernesto Cardenal: „Die Bibel setzt sie gleich Gerechtigkeit und Wahrheit.“ Mit Gerechtigkeit und Wahrheit hat für ihn auch der Kanal nichts zu tun, den Präsident Daniel Ortega quer durch Nicaragua bauen lassen will. Er soll Pazifik und Atlantik verbinden. Ernesto Cardenal gehört zu den schärfsten Kritikern dieses Projekts: „Ich sehe das wie einen furchtbaren Alptraum.“ Ortega werde nicht von selbst zur Vernunft kommen, davon ist Ernesto Cardenal überzeugt: Die Menschen müssen das verhindern und zwar mit der Unterstützung der internationalen Solidarität auf der Welt.