Winiwarter ist „Wissenschafterin des Jahres“

Der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten hat die 52-jährige Umwelthistorikerin Verena Winiwarter (52) zu Österreichs „Wissenschafterin des Jahres 2013“ gewählt. Sie lehrt seit 2007 Umweltgeschichte an der Uni Klagenfurt.

Die Auszeichnung wurde Österreichs einziger Professorin für Umweltgeschichte am Dienstag in Wien überreicht. Die ausgebildete Technikerin und Historikerin lehrt Umweltgeschichte an der Uni Klagenfurt und ist Dekanin der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF), geboren wurde sie 1961 in Wien. Winiwarter machte im Vorjahr unter anderem mit der Rekonstruktion des Verlaufs der Donau seit Beginn der Neuzeit von sich reden.

Mit der Ehrung würdigen die Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten vor allem das Bemühen von Forschern, ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen und damit das Image der österreichischen Forschung zu heben. Der Kontakt zur Öffentlichkeit sei für die Wissenschaft sehr wichtig, sagte Winiwarter im Gespräch mit der APA. Dadurch werde „entschieden, ob das, was wir als Wissenschafter tun, Sinn macht. Wenn das unbekannt bleibt und keinen Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklung hat, wozu tue ich es dann?“ In der Wissenschaft gehe es nicht nur um präzisen Inhalt, sondern „auch darum, eine Geschichte zu schreiben, die auch jemand lesen will“.

Winiwarter Verena Umwelthistorikerin Wissenschafterin des Jahres 2013 Uni Klagenfurt

APA/Herbert Oczeret

Neue Forschungsprojekte

Die Umweltgeschichte beschäftige sich mit dem Verhältnis zwischen Gesellschaft und Natur in der Vergangenheit, erklärt Winiwarter. So untersucht sie mit ihrem Team derzeit etwa die grundlegenden Veränderungen der Wiener Gewässerlandschaft zwischen 1683 und 1918, also die zahlreichen Donau-Nebenflüsse auf Wiener Stadtgebiet, die ja im 19. Jahrhundert alle kanalisiert wurden. In einem anderen aktuellen Projekt steht die Umweltgeschichte des Wintertourismus in Österreich im Mittelpunkt.

Forschung als politische Entscheidungsgrundlage

Die Historikerin wünscht sich dabei, dass das von ihrer Gruppe erarbeitete Wissen wirksam wird und sie „politikrelevante Informationen“ liefern können. „Ich möchte ein Set an Argumenten, Fakten, Überlegungen zur Verfügung stellen, mit denen man seine Entscheidungen anders fundieren kann“, so Winiwarter.

Winiwarter Verena Umwelthistorikerin Wissenschafterin des Jahres 2013 Uni Klagenfurt

APA/Herbert Oczeret

Wissenschafter des Jahres seit 2005

Die Auszeichnung „Wissenschafter des Jahres“ haben bisher u.a. der Ökologe Georg Grabherr (2012), die Archäologin Sabine Ladstätter (2011) der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal (2010), der Experimentalphysiker Rudolf Grimm (2009), die Allergieforscherin Fatima Ferreira (2008), der inzwischen verstorbene Literaturwissenschafter Wendelin Schmidt-Dengler (2007), der Philosoph Konrad Paul Liessmann (2006) und die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb (2005) erhalten.

Im Frühjahr erscheint rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse Winiwarters erstes populärwissenschaftliches Buch. Mit 60 Umweltgeschichten von Tasmanien bis Grönland will sie die Leser dazu animieren, über die (Umwelt-)Vergangenheit nachzudenken und „Lehren daraus zu ziehen“. Letztlich will die Historikerin einen Beitrag zu einer nachhaltigen Gesellschaft leisten: „Der Staat muss seine Aufgabe wahrnehmen, was er derzeit nicht gut macht, aber Staat und Zivilgesellschaft müssen miteinander arbeiten und ich möchte in beide Systeme unsere Informationen hineinbringen.“

Warnung vor "unerwünschten Nebenwirkungen“

„Unerwünschte Nebenwirkungen“ beim Umgang des Menschen mit der Natur sind in Winiwarters Forschung deswegen immer wieder Thema. Mit der Rekonstruktion des Verlaufs der Donau seit Beginn der Neuzeit konnten die Umwelthistorikerin auch aufzeigen, dass „jede Regulierungsmaßnahme, die je an diesem Fluss gemacht wurde, neben den erwünschten auch unerwünschte Wirkungen gehabt hat.“

Unterhalb des Kraftwerks Freudenau müsse jeden Arbeitstag des Jahres ein großer Güterwaggon voll Schotter in die Donau geschüttet werden, damit sich das Flussbett nicht weiter eintieft. „Dieses Ausmaß an Selbstbindung der Gesellschaft durch eine Intervention in die Natur in der Vergangenheit zu vermitteln, erscheint mir eine Bildungsaufgabe“, so Winiwarter.

Von der „Labormaus“ zur Umwelthistorikerin

Winiwarter besuchte in Wien das Realgymnasium, sie interessierte sich früh für Chemie und absolvierte nach der Matura ein Kolleg für technische Chemie. „Das war das Paradies auf Erden, den ganzen Tag im Labor stehen“, erinnert sie sich. Danach arbeitete sie jahrelang an der Technischen Universität (TU) Wien im Bereich Umweltanalytik. Da sie nicht immer „Labormaus“ bleiben wollte, begann sie nebenbei Geschichte und Publizistik zu studieren und war 1998 die erste, die im Fach Umweltgeschichte dissertierte.

Es folgte 2003 die Habilitation in Humanökologie und - nach 26 Jahren ausschließlich in Projekten angestellt - schließlich 2007 der Ruf auf die erste und bisher einzige Professur für Umweltgeschichte am Institut für Soziale Ökologie an der Fakultät für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Universität Klagenfurt. Auch als Historikerin blieb Winiwarter der technische Zugang zur Welt: „Das unterscheidet mich von vielen in der Geisteswissenschaft, dass ich letztlich immer wieder als Ingenieurin denke und mich frage, was könnte ich denn tun, um zur Lösung beizutragen.“

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