Kritik an Pflegebeitrag für Angehörige

Ab April sollen Angehörige wieder an Pflegeheimkosten beteiligt werden. Vor allem die berufstätigen Kinder sollen mitzahlen, wenn die Eltern ins Alters- oder Pflegeheim kommen. SPÖ, Grüne und Behindertenanwältin üben daran heftige Kritik.

Freiheitliche und ÖVP einigten sich darauf, dass Angehörige von Pflegebedürftigen in Heimen (Pflege- und Behindertenheime) wieder zur Kasse gebeten werden. Wenn sie mehr als 1.160 Euro netto verdienen.

Schwiegerkinder ausgenommen

Dazu zwei Beispiele - ein Alleinstehender mit einem Nettoeinkommen von 1.500 Euro zahlt monatlich 60 Euro - ein Alleinverdiener mit 3.000 Euro netto zahlt 280 Euro. Unterhaltspflichtgen reduzieren die Beiträge. Bei Ehepartnern zählt nur das Einkommen des Sohnes oder der Tochter, nicht aber jenes des möglicherweise gut verdienenden Partners - Schwiegerkinder sind also vom Regress ausgenommen.

ÖVP stimmt mit FPK

ÖVP-Landesparteiobmann Josef Martinz bestätigte die Wiedereinführung des Regresses, allerdings stellt er eine Bedingung: „Wir von der ÖVP wollen eine zusätzliche Unterstützung für die Pflege Zuhause. Deshalb haben wir den Vorschlag von 100 Euro zusätzlich, nach dem Vorarlberger Modell. Bei der Zuzahlung ist ja auch von der SPÖ immer eine soziale Staffelung gefordert worden, das hat der Sozialreferent eingebaut. Also sind wir auf dem richtigen Weg.“

Pilotprojekt „Pflege zu Hause“ startet (kaernten.ORF.at; 29.10.11)

SPÖ: Frauen zurück ans Pflegebett

Die SPÖ sieht dies anders und übt herbe Kritik, ebenso wie die Grünen. Gesundheitsreferent Peter Kaiser (SPÖ) spricht von menschenfeindlicher Sozialpolitik: „Ich habe derzeit die große Befürchtung, dass eine Tendenz beim Sozialreferenten Ragger hinter all dem steht, nämlich Menschen nicht als Menschen, sondern als Kostenfaktor in unserem Sozialsystem zu sehen. Dem treten wir mit aller Vehemenz entgegen. Ich halte nichts davon, statt ‚Frauen zurück an den Herd‘ nun ‚Frauen zurück an das Pflegebett‘ zu propagieren." Denn dies sei die tiefere Absicht der derzeitigen Politik, so Kaiser.

„Lieber Finanztransaktionssteuer“

Rolf Holub (Grüne) wirft Freiheitlichen und ÖVP soziale Bankrotterklärung vor: „Da muss es andere Modelle geben. Da nehme ich zehnmal lieber eine Finanztransaktionssteuer, bevor ich den armen Leuten Geld wegnehme. Von uns ein klares Nein."

Behindertenanwaltschaft lehnt Pläne ab

Der Gesetzesentwurf gehe deutlich über die Regelung in der Steiermark hinaus, reagiert die Behindertenanwältin des Landes, Isabella Scheiflinger. Im Kärntner Gesetzesentwurf würden auch die Angehörigen von Menschen mit Behinderung, welche in einer Einrichtung der Behindertenhilfe voll- oder teilstationär integriert werden, mit Regressansprüchen des Landes konfrontiert. Dies würde beispielsweise für die Eltern von behinderten Kindern künftig bedeuten, dass sie zusätzlich zu der ohnehin lebenslangen psychischen Mehrbelastung im Falle einer notwendigen (teil-)stationären Unterbringung auch noch lebenslang finanziell zur Kasse gebeten werden, so Scheiflinger.

Die Anwaltschaft für Menschen mit Behinderung lehne die Wiedereinführung von Regressansprüchen deswegen ab. Man im Rahmen des Begutachtungsverfahrens ausführlich Stellung beziehen.

Ragger: Ungerechtes System

Sozialreferent Christian Ragger (FPK) verteidigte die Absicht, von Angehörigen pflegebedürftiger Menschen, die in Heimen leben, einen Kostenbeitrag einzufordern. Ragger: „Es ist überhaupt nicht einsichtig, dass man, wenn man heute jemanden Zuhause pflegt, zahlen muss und wenn sich jemand ins Heim begibt, dass er dann keine Zahlung zu leisten hat. Das ist eine Ungleichbehandlung."

1.000 Betten im Bau

Ungleiches System

Laut Ragger sei es nicht einzusehen, dass man für die Pflege Zuhause zahlen müsse, aber nicht für Pflege im Heim.

Man habe sich entschlossen, auszubauen, 1.000 Betten seien im Bau, so Ragger. Da müsse man die Angehörigen in die Finanzierung einbinden. Mit dem Budget des Landes habe der Regress wenig zu tun, sagte Ragger, denn man gebe derzeit für 5.000 Pflegebetten in Kärnten ca. 180 Mio. Euro aus.

Die Gesetzesänderung wurde bereits zur Begutachtung ausgesandt und soll bereits im nächsten Jahr umgesetzt werden. Bisher gibt es den Pflegeregress nur in der Steiermark.