73-Jähriger plant Motorradreise nach Usbekistan

Alfeo Carnelutti, von allen „Cocco“ genannt, ist der einzige ständige Bewohner von Pozzis. Der 73-Jährige plant eine abenteuerliche Reise über fast 6.500 Kilometer nach Usbekistan. Aber nicht mit Flugzeug oder Zug, sondern mit seinem Motorrad, das älter ist, als er selbst.

Der Monte Pizzat trennt Pozzis von der Gemeinde Verzegnis, zu der er gehört. Auch die Nachbarorte befinden sich hinter einem weiteren Berg und die einzige Straße führt nicht direkt in den Ortskern. Ab den 1960er Jahren zog es immer mehr der Bewohner weg aus dem Ort in die umliegenden Städte Tolmezzo und Udine.

Pozzis Samarcanda Cocco Motorrad

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Im Zweiten Weltkrieg in Pozzis und Umgebung Kosaken stationiert.

Zahlreiche Legenden ranken sich um Pozzis

Wohl nicht zuletzt, weil sich um Pozzis einige seltsame Geschichten und Legenden ranken: im 19. Jahrhundert waren angeblich gleich an die 25 Bewohner vom Teufel besessen und wurden ins „Narrenhaus“ nach Udine gebracht. Eine wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen wurde der Überlieferung nach nie gefunden. Es soll hier auch einmal ein blutrünstiger Mord passiert sein.

Alfeo Carnelutti ist trotz der auf den ersten Blick widrigen Bedingungen bis heute geblieben. Der 73-Jährige ist der einzige ständige Bewohner von Pozzis - nur während der Sommermonate verschlägt es immer wieder Naturliebhaber und Erholungssuchende und Verwandte der ehemaligen Bewohner nach Pozzis.

SSC Cocco Pozzis Motorrad Eremit

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Wer Ruhe vom hektischen Alltag sucht, findet sie in Pozzis garantiert - Handy- oder Internetempfang sucht man hier vergebens.

Nach zahlreichen Stationen zurück zur Natur

Die Abgeschiedenheit komme ihm aber gerade recht, wie er sagt. Er war schon immer ein Eigenbrötler und habe sich in den 1980er Jahren bewusst für ein Leben hier entschieden, nachdem es den gelernten Maurer in seinen „jungen Jahren“ beruflich in die Schweiz, nach Deutschland und nach Libyen verschlagen hatte, als Ghadaffi dort an der Macht war.

Die Ruhe, die er in seiner Wahlheimat genießt, ist sein willkommener Begleiter. Keine lästigen Fragen oder verwunderte Blicke - hier kann er tun und lassen, was er will. Cocco macht sich einen Spaß aus seinem Einsiedler-Dasein und stellte kurzerhand an der Einfahrt zu seinem Anwesen ein Schild auf, auf dem in roten Lettern „Repubblica libera di Pozzis“, also "freie Republik von Pozzis, zu lesen ist. Sogar eine eigene Währung hat er kreiert, den „Cocco-Dollar“.

Pozzis Samarcanda Cocco Motorrad

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Dieses Schild trägt die Aufschrift: „Freie Republik von Pozzis“.

Pozzis Samarcanda Cocco Motorrad

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Cocco-Dollar

Damit können Besucher ihre Konsumationen „bezahlen“, die er ihnen in seiner hauseigenen Motorrad-Bar serviert. Generell seien Besucher bei ihm jederzeit willkommen, sagt er: „Wenn jemand nur kurz vorbeischauen will, serviere ich ihm einen Kaffee oder selbstgebrautes Bier. Wenn jemand Hunger hat koche ich ihm eine Pasta und wenn jemand hier übernachten möchte ist es auch kein Problem - Platz habe ich ja genug.“

Pozzis Samarcanda Cocco Motorrad

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Cocco in seiner Werkstatt

Von der Ziegenzucht zum Motorradparadies

Als es ihn hierher verschlug widmete er sich der Ziegen-Zucht und hatte zeitweise zwischen 70 und 80 Tiere zu versorgen, aus deren Milch er selbst Käse herstellte. Insgesamt drei Mal sei er verheiratet gewesen - jedes Mal aus voller Überzeugung und der Liebe wegen, erzählt er. Leider wollte es das Schicksal so, dass diese Liebe nicht immer auf Gegenseitigkeit beruhte. So gilt seither seine volle Aufmerksamkeit und Leidenschaft seinen Motorrädern. Meistens ist er in seiner kleinen Werkstatt anzutreffen, wo es für ihm immer etwas zu tun gibt.

Seit den 1970er Jahren ist der Motorsport seine Leidenschaft - vor allem für englische Motorräder mit Seitenwagen schlägt sein Herz: „Auch wenn sie viel Öl verlieren sind sie die Besten.“ Viele Bestandteile bekannter Marken, wie Harley Davidson, zählen zu seiner Sammlung und er optimiert damit seine „heißen Öfen“.

Pozzis Samarcanda Cocco Motorrad

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Motorrad-Satteltasche

Besondere Beziehung mit Motorrad

Der ganze Stolz des 73-Jährigen ist eine Maschine Marke Eigenbau mit einem Harley-Motor aus dem Jahr 1939. Sie soll ihn auf seiner Reise quer durch Osteuropa führen.

„Uns verbindet ein ganz besonderes Gefühl - so als wären wir eins. Ich kenne sie in- und auswendig und höre sofort, wenn etwas nicht so klingt wie sonst. Wenn sie einmal warm gelaufen ist fährt und fährt sie ohne Probleme“, so der Abenteurer.

Ziel: Über 6.500 Kilometer quer durch Osteuropa

Cocco bereitet sich derzeit auf eine ganz besondere Mission vor: Er hat es sich zum Ziel gesetzt, von seinem Heimatort aus quer durch Osteuropa bis nach Samarkand in Usbekistan - die „steinerne Stadt" genannt.

Stefano Giacomuzzi ist ein junger Filmemacher aus Reana del Rojale bei Udine. Der 22-Jährige wird mit seinem Team aus Gemona Cocco auf seiner Reise begleiten und einen Dokumentarfilm darüber gestalten.

Pozzis Samarcanda Cocco Motorrad

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Landkarte mit eingezeichnetem Routenverlauf

Dokufilm lässt Spielraum für Überraschungen

„Samarkand ist das Symbol des Orients und liegt an der Seidenstraße, wo auch Marco Polo unterwegs war. Das klingt exotisch und steht für das Fernweh“, so Stefano Giacomuzzi. Die einzelnen Etappen der Strecke seien geplant und auch ungefähr, was im Film gezeigt werden soll: „Aber - zum Glück würde ich sagen - machen wir einen Dokumentarfilm und wir dürfen uns auch ein bisschen von dem, was passiert, überraschen lassen.“

Pozzis Samarcanda Cocco Motorrad

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Cocco auf seinem Motorrad

Teil einer Flussoase

Samarkand liegt auf einer Hochebene in 720 Metern Höhe. Das Gebiet um die Stadt gehört zur Flussoase des Serafschan, der von Tadschikistan kommend die Stadt nördlich umfließt. Die nächste Stadt flussaufwärts jenseits der Grenze, Pandschakent, ist 62 Kilometer entfernt. Im Südosten beginnen in gut 20 Kilometern Entfernung die Ausläufer der Serafschankette, die eine natürliche Grenze zur Provinz Qashqadaryo bildet. (Quelle: wikipedia.de)

Abenteuer im Alter „ein Geschenk“

Angst hat der Abenteurer keine - er sagt, er habe schon alles im Leben erlebt, ihn könne so schnell nichts mehr aus der Ruhe bringen. Er sei in einem Alter, in dem er auch zu Hause sofort sterben könne - er wolle aber nicht wie viele seiner Altersgenossen über seinen körperlichen Verfall klagen. Ganz im Gegenteil - es sei ein Geschenk, dass er noch einmal „so richtig“ seiner Leidenschaft, dem Motorsport, nachgehen und an einer solchen Reise teilnehmen könne. Ihm sei egal, was passiere.

Sicherheitshalber habe er trotzdem ein Testament verfasst: Sollte ihm etwas zustoßen und er womöglich ums Leben kommen, möchte er dort, wo er gefunden wird, begraben werden. Sein Motorrad solle dann im örtlichen Museum ausgestellt werden.

SSC Cocco Pozzis Motorrad Eremit

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Cocco und Stefano Giacomuzzi bei einer Vorbesprechung

Ein paar Regeln, die ihm wichtig seien, möchte er dennoch auch während seiner Reise nicht hintanstellen: „Ich würde sagen wir bleiben besser außerhalb der großen Städte in den kleinen Dörfern. Dort hilft einem immer jemand. Ich brauche nicht viel: Ich rauche zwar gelegentlich, aber trinke nicht und muss gesund essen, am besten Reis und nichts Frittiertes.“

Auch ausreichend Ruhepausen seien wichtig, sagt Cocco. Er reise am liebsten bei Nacht und wenn es regnet, denn die Hitze mache ihm in seinem Alter schon so schaffen, sagt er.

Pozzis Samarcanda Cocco Motorrad

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Samarquand

Private Spender unterstützen einmonatige Reise

Die Expeditionsteilnehmer wollen - wenn alles gut geht und nach Plan läuft - zwischen 200 und 300 Kilometer pro Tag zurücklegen. Am 8. September werden sie aufbrechen. Einen Monat soll die Reise nach Usbekistan und retour dauern.

Sendungshinweis:

Servus Srecno Ciao, 23.06.2018

Damit die Reisekasse nicht völlig leer ist wurde in den vergangenen Wochen via Facebook „crowdfunding“ betrieben: Insgesamt stellten private Spender 15.000 Euro zur Verfügung. Stefano wird während der Reise die mittlerweile immer größer werdende Fangemeinde von Cocco über die sozialen Medien über den Verlauf der Reise informieren.

Nächstes Jahr will er den fertigen Film bei mehreren Filmfestivals einreichen und er hofft, dass er dann irgendwann auch im Fernsehen zu sehen sein wird.

Wer den Abenteurer Cocco persönlich kennenlernen und ihm alles Gute wünschen möchte hat am 1. September bei einem Treffen für Motorradfreude in Pozzis Gelegenheit dazu.

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