Lavant! Text-Experiment mit Pop
Wer eine chronologische Lebensgeschichte Christine Lavants auf der Bühne erwartet, geht leer aus. Dem Regisseur und Textmonteur Bernd Liepold-Mosser geht es um etwas anderes, nämlich die Dichterin als Rätsel bestehen zu lassen. Das Stück darf durchaus als experimentell bezeichnet werden.

ORF
„Das Selbst ist niemals darstellbar“
„Das Selbst ist niemals darstellbar“, heißt es bald zu Beginn, das Zitat der Dichterin darf durchaus als Überschrift für den Abends verstanden werden. Das Stück bleibt eine Interpretation, eine Sicht, eine Meinung, die sich um eine Person dreht, die sich vielleicht hinter der Lyrik und Prosa von Christine Lavant befunden hat. Neben dem intensiven, sehr präsenten und lauten Schauspiel prasseln in den elf Szenen viele weitere Eindrücke auf das Publikum ein.
Insgesamt sieben Darsteller schlüpfen in die Rolle der Dichterin. Für Bindung sorgt die österreichische Band Clara Luzia, die live auf der Bühne performt.

ORF
Ruhiger Pop kontrastiert Bühnentrubel
Lavant-Texte wurden speziell für die Produktion von Clara Luzia vertont. Ob des sonstigen Trubels auf der Bühne bilden die melancholischen Pop-Song-Einlagen, obwohl alles andere als langweilig, einen wohlig-ruhigen Kontrast. Die Band lässt überwiegend vertonte Lavant-Texte hören, bringt aber auch eigenes mit.

ORF
Fremder Blick auf ein Klischee
Das an sich schlichte Bühnenbild, das über weite Strecken aus einer mit zerknitterter weißer Folie bedeckten Wand besteht, wird mit Visuals bespielt, eine wackelige Kamera zeigt Lippenstiftschmierereien und Alltagsspielereien. Karnevalseinlagen mit Glitzeranzug-Parade zum eingespielten Zillertaler Hochzeitsmarsch oder an anderer Stelle der Schlager „Du bist die Rose vom Wörthersee“ bleiben auch nicht aus.
Sendungshinweis:
Kärnten heute, 8.10.2015
Gepaart mit dem Aufzug der Besetzung, mondäne Gestalten mit Frisuren und Kleidern, wirkt der Blick auf die Lavant, dieses kränkliche Weiblein mit Kopftuch, das sein Leben fast zur Gänze in Armut am Land verbrachte, fremd. Die schrille Inszenierung legt sich über die Textcollage wie ein urbaner, von aktuellen Sichtweisen geprägter Filter.

ORF
Texte voll Schmerz und Unglück
Im Vordergrund steht die Emotion, der Schmerz, das Unglück. Die Texte werden weitgehend gebrüllt, geheult, gewispert, schmerzverzerrt in den Raum geschleudert. Die Worte werden gefressen und ausgespien. Dieses Stück ist eben keine Lesung. Man hätte die Texte mehr für sich stehen lassen können, aber wer Lavant lesen will, der kann das auch zuhause mit einer Tasse Tee tun. Damit stellt sich am Ende der Titel des Abends als durchaus treffend heraus - wobei der Fokus definitiv auf dem Rufzeichen liegt.