Lucy Christalnigg: Die „rasende Gräfin“

Gräfin Lucy Christalnigg war ihrer Zeit weit voraus. Als Rennfahrerin machte sie sich als „rasende Gräfin“ einen Namen. Vor hundert Jahren kam sie während einer Reise von Klagenfurt nach Görz ums Leben. Sie gilt als das erste zivile Opfer des Ersten Weltkrieges am Isonzo.

Die Grafen Christalnigg waren Ende des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Bestandteil der Kärntner Oberschicht, so Wilhelm Wadl, Direktor des Kärntner Landesarchivs: „Dieser Adel war ja länderübergreifend - auch in seinen Verwandschaftsbeziehungen. Man sieht es ja sehr schön an diesem Stammbaum der Gräfin Lucy, dass sie Ahnen aus der ganzen habsburger Monarchie und darüber hinaus auch aus dem westeuropäischen Raum hatte.“ Fast ein Dutzend Schlösser und Villen zählen zu Spitzenzeiten zu ihrem Besitz, erwirtschaftet durch ihr Engagement in der Montanindustrie. In Klagenfurt befand sich das Stadtpalais der Familie.

SSC Lucy Christalnigg

ORF

Leidenschaft Autorennen

Reichtum und Ansehen waren für Lucy Christalnigg aber zweitrangig. Sie galt als eigenwillig und ihre Leidenschaft galt schnellen Autos und dem Rennfahren. Für damalige Verhältnisse fast schon skandalös für eine Adelige.

SSC Lucy Christalnigg

ORF

Wilhelm Wadl.

Sendungshinweis:

Servus, Srečno, Ciao; 10.1.2015

Ihre Ehe galt als nicht sehr erfüllt und der frühe Tod ihrer Tochter trieb die Gräfin fast rastlos von einem Ort zum nächsten, so Wadl: „Das ist natürlich nur denkbar durch die doch exklusive gesellschaftliche Stellung, die diese Herrschaften hatten. Ein Auto war ein Luxusgegenstand gigantischen Ausmaßes damals. Die Autos waren ja lange Zeit so unhandlich, dass man das Auto mitsamt Chauffeur kaufen musste, weil man es selber noch gar nicht lenken konnte. Die Gräfin Christalnigg gehörte zur ersten Automobilistengeneration, die dann ihr Gefährt selber chauffiert hat. Für Damen war das damals sicher noch etwas ganz Außergewöhnliches.“

Im Auftrag des Roten Kreuzes

In der Nacht auf den 10. August 1914 war sie im Auftrag des Roten Kreuzes unterwegs. Auf der Fahrt von Klagenfurt über den Predil nach Görz ereilte sie ein tragisches Schicksal: Sie wird in der Flitscher Klamm von einem Grenzposten erschossen, der eigentlich Warnschüsse abgeben wollte, weil Lucy - wieder einmal - zu schnell unterwegs war. Wadl dazu: „Es war natürlich auch ein Zeichen für die allgemeine Nervosität. Wir sind im Jahr 14. Der Krieg mit Italien hat ja noch garnicht begonnen, aber man weiß, Italien ist ein unsicherer Kadett. Man weiß um die Labilität der politischen Situation in diesem Grenzraum. So kann es dann zu so einem fatalen Ereignis kommen, dass ein Posten einfach darauf los schießt, wenn jemand nicht gleich stehen bleibt.“

Große mediale Aufmerksamkeit

Viele Zeitungen der Monarchie berichteten über den Vorfall des ersten zivilen Opfers des ersten Weltkrieges am Isonzo. Zunächst wurde sie in Srpnica bestattet. Später wurden ihre sterblichen Überreste nach Kärnten gebracht. Am Friedhof in St. Michael am Zollfeld fand Lucy Cristalnigg schließlich ihre letzte Ruhestätte. Militärseelsorger Emmanuel Longin: „Leider Gottes ist der Grabstein so weit heruntergekommen, dass ich eigentlich sehr dankbar bin, dass die Marktgemeinde Maria Saal sich grundsätzlich vorbereit erklärt hat, diesen Grabstein wieder zu restaurieren und in seinem alten, gebührenden Glanz erstehen zu lassen.“ Im nächsten Jahr soll mit der Restaurierung begonnen werden.

SSC Lucy Christalnigg

ORF

Zeitungsausschnitt zum Tod von Lucy Christalnigg.

Buch über Lucy

Einer, der ebenfalls darum bemüht ist, das Andenken an die „rasende Gräfin“ zu bewahren ist Nello Cristianini. Er wurchs in der Gegend um Görz auf. Seit vielen Jahren arbeitet er im Ausland als Wissenschaftler.

SSC Lucy Christalnigg

ORF

Nello Cristianini.

Persönliche Beziehung zu Lucy

Die Geschichte und die Geschichten aus seiner alten Heimat haben es ihm aber besonders angetan: „Meine Oma war als Kind die Nachbarin von Lucy. Ihr Schicksal hat hier alle sehr berührt, aber die genauen Details über den Vorfall sind mit der Zeit verloren gegangen. Ich habe zwei Jahre lang gebraucht, um alles, was über sie zu finden war, zusammenzutragen - ich war in Archiven, Museen und habe alte Zeitungsausschnitte gesammelt und so versucht, die Geschichte von Lucy Cristallnig und ihrem verhängnisvollen Unfall - genau hundert Jahre danach - zu rekonstruieren.“

Görz war zur Jahrhundertwende ein Sehnsuchtsort für Viele. Das „Nizza von Österreich“ lockte mit mildem Klima, gutem Essen und mondänem Flair. In Adelskreisen galt es als schick, hier einen Zweitwohnsitz zu haben. Jener der Familie Christalnigg befand sich im slowenischen Teil von Görz. Ein Teil des Eingangsportals ist das Einzige, was heute noch übrig ist. In der Villa Liebenwald verbrachten Lucy Christalnigg und ihr Mann viele Sommer. Wie das Leben hier damals, zu Beginn des Krieges, war und Details zum Tod von Lucy Christalnigg hat Nello Cristianini in seinem Buch „Der letzte Sommer“ dokumentiert - auf Italienisch, Deutsch, Slowenisch und Englisch.

SSC Lucy Christalnigg

ORF

Die Villa in Italien.

Ihrer Zeit voraus

Damit die Leser besser verstehen können, wie das Zusammenleben in dieser Stadt mit ihren vielen Völkern, Kulturen und Sprachen so war, sagt er. Denn Görz war eine Stadt, in der die Menschen schon damals so zusammenlebten wie es heute im vereinten Europa alltäglich ist. Auch Lucy Christalnigg war in vielen Dingen ihrer Zeit voraus. Als eine, die das Wohl der anderen vor ihr Eigenes stellte, soll sie - diesseits und jenseits der Grenze - in Erinnerung bleiben.