„Aufgezeigt“: Wer zahlt Lymphstrümpfe?
Veronika Asprian litt schon als Kind an einer Kniegelenksluxation, das bedeutet, dass die Kniescheiben seitlich wegrutschten und sie immer wieder zu Sturz kam. Diese Krankheit wurde zunächst aber nicht erkannt. „Der Hausarzt sagte zu meiner Mutter, ich sei einfach ungeschickt“, so die Betroffene.
Es vergingen schmerzvolle Jahre, bis Veronika Asprian operiert wurde und Jahrzehnte, bis sie zwei künstliche Kniegelenke bekam. Als Folgeerscheinung der OP verschlimmerten sich die Lymphödeme auf beiden Beinen.
Stauung in Armen und Beinen
Bei einem Lymphödem sammeln sich große Mengen Flüssigkeit in Armen oder Beinen. Es muss schnell behandelt werden, sonst drohen bleibende Schäden. Im Landeskrankenhaus Wolfsberg - der einzigen Lymphklinik Österreichs - hat man sich auf die Behandlung dieser chronischen Krankheit spezialisiert.
Tagsüber trägt Veronika Asprian immer Kompressionsstrümpfe, jeden Abend kommt das Ritual: Gute 40 Minuten lang müsse sie ihre Beine bandagieren und in der Früh dann die Bandage wieder abnehmen, die Beine reinigen - da die Tag-Strümpfe sonst kaputt werden - und den Verband aufwickeln. „Die Leute haben keine Ahnung, was das wirklich heißt.“
Während Reha lernen Patienten Technik
In Kärnten sind 700 Patientinnen und Patienten betroffen, sagte Primarius Christian Ure von der Lymphklinik. Alle zwei Jahre kommen Lymphpatienten zur Entstauungstherapie nach Wolfsberg. Beim letzten Aufenthalt lernte Veronika Asprian auch den Nacht-Kompressionsstrumpf kennen, der ihr als Alternative das abendliche Bandagieren ersparen könnte. Laut Christian Ure sei diese neue Alternative für die Patienten wesentlich bequemer, als die Kompressionsbandagierung: „Erstens muss die Bandagierung erlernt werden. In den Nacht-Strumpf brauchen die Patienten nur hinein zu schlüpfen, das ist eine immense Zeitersparnis.“
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Bandagierung jedes Beines dauert 20 Minuten
Der Patient müsse sich jeden Abend bei der Bandagierung die entsprechende Zeit nehmen. Das betreffe aber nicht nur die Nachtbandagierung, sondern gelte am nächsten Morgen auch für das Aufwickeln der Bandagen, sodass sie wieder verwendet werden können.
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Rund 20 Minuten braucht Veronika Asprian, um ein Bein zu bandagieren. Lymphpatienten, die schon mit dem Nacht-Strumpf versorgt sind und nicht mehr bandagieren müssen, erzählen, dass sie besser schlafen, weniger Schmerzen und Schwellungen haben. Ure sieht das differenzierter. Der Strumpf sei von der Indikation her gleichwertig mit einer gut angelegten Kompressionsbandage. Die Vorteile der Bandagetechnik sei, dass sie immer an die individuellen Veränderungen angepasst werden könne: „Es gibt ja Patienten, deren Ödem sich verschlechtert. Der maßgefertigte Strumpf passt dann nicht mehr.“
Klinik empfahl Strumpf
Veronika Asprian sei seitens der Klinik der Strumpf empfohlen worden, da sie auf Alternativen zur zeitaufwändigen Nachtbandagierung aufmerksam gemacht worden sei: „Nur dass das Ganze eben mit der Versicherung abzuklären ist - das ist ein zweites Thema.“
Sendungshinweis:
„Aufgezeigt“, 19.2.2019
Denn auch, wenn die Lymphklinik den Strumpf statt der Bandagen empfiehlt, ist dies für die Krankenversicherungen nicht bindend. Diese neue Strumpfversorgung für die Nacht muss bei allen Krankenversicherungen vom Chefarzt genehmigt werden. Das sei immer eine Einzelfallentscheidung. Veronika Asprian ist bei der Gebietskrankenkasse versichert. Chefarzt Otto Liechtenecker sagte, der Nacht-Kompressionsstrumpf bringe aus medizinischer Sicht keinen Vorteil, außer, dass er bequemer anzulegen sei.
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GKK: 800.000 Euro für Kompressionen
Natürlich geht es auch ums Geld. Ein Lymph-Bandageset kostet zwischen 30 und 90 Euro pro Patient, der Strumpf kostet rund 550 Euro pro Bein. Otto Liechtenecker holte sich daher Unterstützung von Monika Hasenbichler, die in der Gebietskrankenkasse die Abteilung für Vertragspartner leitet. Sie sagt, die Kärntner Gebietskrankenkasse versorge im Bereich der Kompressionen im Jahr durchschnittlich 12.400 Patienten mit fast 16.000 Leistungen. Es gebe einen Gesamtaufwand von 800.000 Euro. 75 Prozent der Patienten seien Lymphpatienten.
„Alleine im Bereich der Heilbehelfe/Hilfsmittel verbucht die Kärntner Gebietskrankenkasse einen Jahresaufwand von über zwei Millionen Euro. Wenn man bedenkt, dass sich die Kompressionsversorgung mit rund 800.000 Euro zu Buche schlägt ist das ein großer Anteil. Dieser sei aber auch - aufgrund des Krankheitsbildes - gerechtfertigt“, so Hasenbichler. Denn Lymphpatienten leiden lebenslang, das ist auch den Kassenverantwortlichen bewusst.
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Verordnung wird neu beurteilt
Deshalb reagiert man auch auf die Anfrage von „Aufgezeigt“ für Veronika Asprian sehr sensibel. Man sei auf bislang unbekannte Befunddetails gestoßen. Vor allem orthopädische Befunde und die vielen Operationen würden eine neue Beurteilung notwendig machen, sagt Liechtenecker. Auf die Frage, ob sich dadurch etwas ändern werde, sagt Liechtenecker zu, dass das gut möglich sei.