Diskussion „Raus aus der Gewaltspirale“

In der Radio Kärnten „Streitkultur“ am Montagabend ist über Gewalt gegen Frauen diskutiert worden. Ein typisches Muster für Täter gebe es nicht, es sei ein generelles gesellschaftliches Problem, für das eine Lösung gefunden werden müsse, hieß es.

In Kärnten spricht die Polizei von etwa 500 Fällen an häuslicher Gewalt pro Jahr, also ein bis zweimal pro Tag rückt die Polizei zu solchen Fällen aus. Österreichweit wurden seit Jahresbeginn sechs Frauen ermordet, bei der Hälfte der Fälle gibt es einen Migrationshintergrund und die mutmaßlichen Täter stammen zumeist aus dem engsten persönlichen Umfeld der Opfer.

„Kein typisches Muster“

Ein typisches Muster für den Täter gibt es laut Angelika Hinteregger, die Sprecherin der ARGE der Kärntner Frauenhäuser, nicht. Gewalt gegen Frauen sei generell ein gesellschaftspolitisches Problem, bei dem es früh anzusetzen gelte: „Prävention gehört ab dem Kindergartenalter gemacht, in der Schule verpflichtend, damit die Selbstwertstärkung der Mädchen von Beginn an da ist und auch dem Mann gezeigt wird, wie man ein partnerschaftliches Leben führen kann.“

Man sei zwar gut auch mit der Polizei vernetzt, man könne die stark gefährdeten Frauen aber nicht im Frauenhaus einsperren. Oft sei es so, dass die Frauen es den Kindern ermöglichen wollen, weiter in Schule bzw. Kindergarten zu gehen und da könne es zu einer Eskalation kommen. Es sei oft besser, wenn die Frau im Frauenhaus bleibe, aber zwingen könne man niemanden, so Hinteregger. Jeder Fall sei gesondert zu betrachten, es gebe aber viele Fälle, wo der Mann erst, wenn er sehe, dass die Frau wirklich nicht zurück zu ihm komme, hunderte Anrufe pro Tag tätige. Man bitte die Frauen dann, das Handy auszuschalten, aber es hänge von der Kooperation der Frauen ab.

Schild Plakat Gewalt Frauen schlagen

ORF

Solche Plakate hängen u.a. beim Jugendamt

Viele wollen Täter nicht belasten

Von einem immensen Anstieg an Personen mit Migrationshintergrund bei Gewaltdelikten sprach Strafrichter und Sprecher des Landesgerichts Klagenfurt, Christian Liebhauser-Karl: „Es gibt Wochen am Landesgericht, wo wir die Hälfte der Fälle mit Dolmetsch führen müssen. Da reist die ganze Familie an und jeder zweite meldet sich freiwillig als Zeuge und versucht, den Verwandten als Angeklagten zu entlasten. Das haben wir in dieser Intensität in den letzten Jahren nicht erlebt.“ Man sei auf Beweise angewiesen, die bekomme man manchmal aber auch deswegen nicht, weil Frauen nicht verpflichtet sind, den Mann oder Freund zu belasten. Oft gebe es keine Zeugen oder Sachbeweise, daher komme es dann zu Freisprüchen. Manche sagen sogar aus, aber falsch positiv für den Angeklagten, dann drohe der Zeugin eine Anklage wegen falscher Beweisaussage, das sei tragisch, so der Richter.

Arbeit mit Gefährdern und Tätern

So früh wie möglich heißt es auch in diesem Bereich ansetzen sagte Rainer Tripolt, Obmann des Vereins Man(n)agement. Wenn ein Mann etwa nach einer Wegweisung und rechtlicher Aufklärung zum Verein komme, werde er einmal eingeladen, seine Sicht der Dinge zu erzählen. Dabei könne man schon Denk- und Verhaltensmuster erkennen, die für die Täterarbeit wichtig seien. Man könne dann an seiner Einstellung und an seinem Verhalten arbeiten. Den Menschen müsse man mit psychologischer und psychiatrischer Professionalität begegnen und schauen, welche Auffälligkeiten sie haben. Es gebe eine Kooperation mit allen vier Frauenhäusern, dem Gewaltschutzzentrum und der Polizei. Manche erkennen von sich aus, dass sie etwas verändern müssen.

Umgang mit Gewalt verändert

Roswitha Bucher, die Leitern des Gewaltschutzzentrums Kärnten, sagte, bei der aktuellen Mordserie merke man, dass Gewalt besonders in Trennungssituationen eskaliere. Über die Jahre habe die Gewalt nicht zugenommen, die Opfer gehen heute aber öfter in Beratung und suchen sich Hilfe. Der Umgang mit dem Thema Gewalt habe sich geändert. Rund 1.000 Opfer werden pro Jahr betreut. Die Hälfte der Gewaltopfer melden sich von selbst beim Gewaltschutzzentrum, die andere Hälfte werde mit den Daten der Polizei kontaktiert. Bucher wünscht sich eine Neuordnung der Weisungen: „Dass auch sanktioniert wird, wenn jemand opferschutzorientierte Täterarbeit abbricht. Auch Kindergärtnerinnen und Lehrer und Lehrerinnen müssen lernen, wie sie helfen können, wie sie ansprechen können.“

„Täter-Opfer-Umkehr kommt oft vor“

Alfred Gschwendner Leiter des Vereins Neustart sagte, Straftäter werden von der Justiz und Androhung von Konsequenzen zugewiesen. „Wir plädieren dafür, dass Männerberatungen relativ rasch einsetzen können. Es kommt immer noch unheimlich viel zu Geldstrafen, meiner Meinung nach geht es aber nur mit bedingten Haftstrafen, dazu Antigewalttraining.“ Viele Männer sehen die Schuld bei den Frauen, es komme zu einer Täter-Opfer-Umkehr, diese Einstellung müsse man in der Arbeit ändern, so Gschwendner. Jeder sei für seine Handlungen verantwortlich, das müsse jeder verstehen, dann werde die Rückfallgefahr geringer. Solange immer die anderen Schuld seien, bestehe Rückfallgefahr.

Zur Mordserie sagte Gschwendner, in einer Trennungssituation gebe es Gefühle von Verlust und Hilflosigkeit, die werden oft von Wut überdeckt. „Diese Aggression und Wut können viele Männer nicht steuern, das explodiert und dann kommt es zu solchen Taten. Denn sie glauben, wenn sie den Auslöser, also die Frau, die sich trennen will, töten, geht das Gefühl der Hilflosigkeit weg. Das ist aber ein Trugschluss.“

Polizei kann Wegweisung ausweiten

In Kärnten wurden im vergangenen Jahr nach häuslicher Gewalt 482 Betretungsverbote ausgesprochen. Sollte ein Weggewiesener zurückkehren, könne das bis zur Festnahme gehen, Polizeisprecherin Waltraud Dullnig. Letzte Woche habe es so einen Fall gegeben, drei mal kehrte ein Mann zur Wohnung zurück, er wurde verhaftet. „Es ist möglich, dass Wegweisung und Betretungsverbot, wenn Kinder betroffen sind, ausgeweitet werden auf die besuchten Kinderbetreuungseinrichtungen.“ Der Gefährder müsse dann 50 Meter Abstand zu Wohnung und Kinderbetreuungseinrichtung halten. Die Hauptaufgabe der Polizei sei es, Gewalt zu verhindern bzw. sie zu beenden. Der Gefährder könne die wichtigsten Dinge packen und müsse dann 14 Tage nicht zurückkehren. Wenn er wirklich noch etwas holen müsse, dann nur mit einem Polizisten, so Dullnig.