Geisterfahrer wegen Mordversuchs angeklagt

Ein 56 Jahre alter Ungarn, der alkoholisiert einen schweren Geisterfahrerunfall auf der Südautobahn verursacht hat, ist wegen sechsfachen Mordversuchs angeklagt. Ein Geschworenengericht verhandelt den Fall am Landesgericht Klagenfurt.

Der 56-jährige Mann, der in Kärnten lebt, war Anfang September 2018 in Unterschütt bei Villach falsch auf die Südautobahn (A2) aufgefahren, laut Vorwurf in selbstmörderischer Absicht. Er hatte drei Promille Alkohol im Blut. Nach einer kurzen Geisterfahrt prallte er mit seinem Auto frontal gegen den Pkw zweier Frauen und gegen ein Wohnwagengespann - mehr dazu in A2: Verletzte bei Geisterfahrerunfall (kaernten.ORF.at; 10.9.2018). Fünf Menschen und der Lenker wurden bei dem Unfall zum Teil schwerst verletzt.

Prozess Geisterfahrer Mordeversuch

ORF/Bernd Radler

Auftakt Prozess

Ankläger: Tod anderer in Kauf genommen

„Während der Fahrt wurden seine Suizidgedanken immer stärker und er beschloss, als Geisterfahrer auf die Autobahn zu fahren, um einen Verkehrsunfall zu verursachen und sich so zu töten“, sagte die Anklägerin. Der 56-Jährige habe es billigend in Kauf genommen, dass dabei andere Menschen sterben.

Keine Suizidabsicht: „Wollte Mitleid erregen“

Vor den Geschworenen sagte der Angeklagt, er habe sich nicht umbringen wollen. Warum er das dann in seinen ersten zwei Einvernahmen gegenüber der Polizei behauptet habe, wollte die vorsitzende Richterin Ute Lambauer wissen. Der Ungar entgegnete, dass er damit im Krankenhaus Mitleid erregen habe wolle. Zudem sei er unter Alkohol- und Medikamenten-Einfluss gestanden. Nach einem Jobverlust habe er aber bereits Jahre der Alkoholsucht hinter sich, samt Aufenthalten in einer Entzugsklinik, schilderte der Wahlkärntner.

Am Unfalltag, dem 9. September, hatte er mehr als drei Promille Alkohol im Blut. Er habe bereits in der Früh - noch im Italien-Urlaub - Wodka getrunken, sagte der 56-Jährige. Am Nachmittag sei er dann ins Auto gestiegen, habe während der Rückfahrt nach Kärnten die Flasche ausgetrunken, sich an einer Tankstelle eine Flasche Magenbitter gekauft und diese während der Weiterfahrt geleert. Er könne sich wegen seiner starken Alkoholisierung aber an den Geisterfahrerunfall auf der Autobahn nicht mehr erinnern. Zwei der beim Unfall schwer verletzten Frauen leiden bis heute an den Spätfolgen.

Geisterfahrer VU A2 Südautobahn

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Es gab bei dem Unfall auch Schwerverletzte

Anwalt: Kein Vorsatz

Verteidiger Andreas Nowak sagte vor Prozessbeginn, der Unfallhergang werde vom Angeklagten nicht bestritten. Mord bedeute aber, jemanden vorsätzlich zu töten, das sei hier nicht der Fall, der Angeklagte habe sich nicht umbringen wollen. „Das Beweisverfahren wird ergeben, dass die Anklage übertrieben und unrichtig ist.“

Nowak verwies auf die geringe Geschwindigkeit, mit der der 56-Jährige unterwegs war, und den Umstand, dass er im Auto angeschnallt war. Seine Lebensgefährtin und deren Tochter hätten auch bestätigt, dass er nicht selbstmordgefährdet gewesen sei. „Die Frage ist natürlich, warum hat er getrunken und fährt falsch auf die Autobahn? Weil er Alkoholiker ist.“ Im Familienurlaub habe er nicht oder nur heimlich trinken können. Sobald er dort weggefahren sei, habe er deshalb zur Flasche gegriffen. Das mache seinen Mandanten aber noch nicht zum Sechsfachmörder. Vielmehr müsse er wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt werden, sagte der Anwalt.

Sachverständiger: Alkoholiker mit Kontrollverlust

Der psychiatrische Sachverständige beschrieb den Angeklagten als Alkoholiker mit wiederkehrenden Episoden von Kontrollverlusttrinkens. Seine Zurechnungsfähigkeit sei zum Tatzeitpunkt eingeschränkt, aber nicht aufgehoben gewesen. „Er konnte kurze Zeit vorher noch zielgerichtet und geordnet handeln, bis zum Kaufen einer Autobahnvignette.“ Ob sie auch geklebt wurde, konnte nicht mehr festgestellt werden. Dass der Angeklagte bei der ersten Polizei-Befragung durch die Medikamente wesentlich beeinträchtigt war, glaubt der Sachverständige nicht. „Ob er die Wahrheit gesagt oder geschwindelt hat, kann ich nicht beurteilen.“

Auch wenn im Gutachten die Fragen nach Selbstmordgefährdung nicht gestellt wurde, ging der Gutachter kurz darauf ein. „Es gibt keine Hinweise, dass er suizidal war.“ Der Mann habe im Gegenteil Zukunftspläne gehabt. „Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass jemand, der eine Suizidabsicht hat, noch eine Autobahnvignette kauft.“

Staatsanwaltschaft hält an Mordversuch fest

„Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass der Angeklagte die Verbrechen des versuchten Mordes zu verantworten hat“, sagte Staatsanwältin Johanna Schunn in ihrem Plädoyer. Die erste Aussage, in der der Angeklagte von Selbstmord sprach, sei völlig glaubwürdig gewesen. Er sei in die gleiche Richtung wie die Opfer unterwegs gewesen, habe also umdrehen oder ab- und falsch wieder auf die Autobahn auffahren müssen. Als ihn eine Krankenschwester nach dem Unfall bergen wollte, habe er sich im Wrack festgehalten - für Schunn ebenfalls Beweis für die Suizidabsicht.