Autor Florjan Lipus erhält Großen Staatspreis

Der Große Österreichische Staatspreis geht 2018 an Florjan Lipus und damit an einen Kärntner Autor, der in seiner Muttersprache Slowenisch schreibt. Die höchste Kulturauszeichnung der Republik, dotiert mit 30.000 Euro, wird Lipus am 1. Oktober verliehen

Schon vor zwei Jahren war Lipus für den Preis vorgeschlagen, bekam ihn aber nicht. Das Argument einiger Jurymitglieder damals: Der Autor schreibe ja nicht auf Deutsch. Das sorgte international für Kritik, nicht nur in der Literaturszene. Slowenisch ist eine von mehreren Sprachen in Österreich, eine Diskussion darüber sollte gar nicht erst geführt werden müssen, so der Tenor damals.

Heuer besann sich die Jury anders. „Seine Literatur baut auf ästhetische Autonomie, sprachliches Experiment und literarische Innovation“, sagte am Donnerstag Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) bei der Bekanntgabe des Preisträgers. In einer Aussendung am Donnerstag begründete der 21-köpfige Österreichische Kunstsenat, der den Preisträger vorschlägt, seine Wahl nicht zuletzt mit Lipus’ bekanntestem Werk aus dem Jahr 1981: Im „Zögling Tjaz“, übersetzt von Peter Handke und Helga Mracnikar, sei bereits „sein gesamtes erzählerisches Opus thematisch angelegt, das er in zahlreichen Romanen und Erzählungen weiterentwickelt und entfaltet hat“.

Fabjan Lipus

Marko Lipuš

Florjan Lipus

Lipus behandle stets „den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, die Vertreibung und Ermordung der Kärntner Slowenen, die Geringschätzung der slowenischen Minderheit durch die Mehrheitsbevölkerung, aber auch die Rettung der schwindenden Welt slowenischer Wörter und Wendungen als Grundlage einer neuen selbstbewussten Identität.“

Wortmächtiger Advokat seiner Minderheit

Mit Lipus bekommt ein Kärntner Slowene und ein wortmächtiger Advokat seiner Minderheit die höchste kulturelle Auszeichnung der Republik. Es wird damit auch erstmals ein in slowenischer Sprache schreibender Autor geehrt. Lipus: „Das ist eine schöne Sache, die wahrscheinlich auch eine größere Wirkung hat. Es ist ja nicht nur eine Ehre, es ist ja auch mit Geld verbunden. Es hilft einem und das ist ja Grund genug, dass man sich freut.“ Sein Schaffen gilt als maßgebliches Zeugnis für die besondere Qualität von Literatur in Minderheitensprachen, seine Auszeichnung ist damit mehr als die Würdigung einer Persönlichkeit.

Florjan Lipus wurde am 4. Mai 1937 in Lobnig/Lobnik bei Eisenkappel/Zelezna Kapla geboren. Er musste als Kind mitansehen, wie seine Mutter - nachdem sie eine als Partisanen verkleidete Gruppe von GESTAPO-Männern bewirtet hatte - vor seinen Augen verhaftet wurde. Sie wurde im KZ Ravensbrück ermordet, während sein Vater in der Wehrmacht dienen musste. Von 1960 bis 1998 war Lipus als Volksschullehrer und -direktor tätig. Zugleich war er von 1960 bis 1980 Herausgeber der Kärntner-slowenischen Literaturzeitschrift „Mladje“ und veröffentlichte zahlreiche Erzählungen, Romane und Essays.

Florjan Lipus

ORF

Zu Lipus’ bekanntesten Werken zählen „Der Zögling Tjaz“, „Die Beseitigung meines Dorfes“, „Die Verweigerung der Wehmut“ und „Herzflecken“ sowie der im Suhrkamp Verlag erschienene Roman „Bostjans Flug“ in deutscher Übersetzung. Für diesen 2003 erschienenen Roman wurde Lipus 2004 mit dem France-Preseren-Preis und 2011 mit dem Petrarca-Preis ausgezeichnet. 2005 erhielt er den Österreichischen Würdigungspreis für Literatur, 2013 den mit 14.500 Euro dotierten Franz-Nabl-Preis der Stadt Graz.

Wieser: Enorme Bedeutung für die Literaturwelt

Der Verleger Loize Wieser machte das Werk von Lipus einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Anfang der 1980-er Jahre gab er mit seinem Verlag zuerst das Buch „Der Zögling Tjaz“ heraus, damals noch in Slowenisch. Zehn Jahre lang wurden dann alle Bücher von Lipus auch auf Deutsch verlegt.

Die Bedeutung von Florjan Lipus für die Literatur sei enorm, sagt Wieser am Donnerstag. Peter Handke habe einmal gesagt, das Lipus‘ Roman „Bostjans Flug“ eines der wichtigsten Bücher der Weltliteratur sei. Dass Lipus nun doch den Staatspreis erhält, ist für Wieser ein wichtiges Signal: „Es bedeutet für die Demokratie sehr viel. Die Reibung zwischen Vergangenheit und Zukunft ging zu Gunsten der Zukunft aus.“

Ehrenbürgerschaft zurückgelegt

Zuletzt sorgte der Autor im April für Aufsehen, weil er die Ehrenbürgerschaft von Sittersdorf/Zitara vas zurücklegte - mehr dazu in Dichter Lipus gibt Ehrenbürgerschaft zurück. Der Kärntner Slowene protestiert damit gegen einen Beschluss des Gemeinderats, keine zweisprachigen Ortsbezeichnungen in der Ortschaft Sielach aufzustellen.

Rat der Kärntner Slowenen gratuliert

Valentin Inzko, der Obmann des Rates der Kärntner Slowenen, gratulierte Florjan Lipuš zur Verleihung des großen Staatspreises für Literatur. Inzko sagte, nun werde ein breiterer Kreis der Leser die Möglichkeit erhalten, über Lipuš und das Schicksal seiner Mutter, die im Konzentrationslager ermordet wurde, zu lesen. Dabei gehe es auch um das Schicksal der Kärntner Slowenen, einer immer kleiner werdenden Volksgruppe.

Die Entscheidung des Kunstsenates sei erfreulich, sagte Inzko. Die frühere Jury habe Lipuš ja abgelehnt, weil seine Werke nicht in deutscher Sprache verfasst waren.

Die bisherigen Preisträger

Der Große Österreichische Staatspreis wurde 1950 vom damaligen Unterrichtsminister Felix Hurdes (ÖVP) geschaffen. Er geht jedes Jahr an eine Künstlerpersönlichkeit aus den Bereichen Architektur, Bildende Kunst, Literatur oder Musik in nicht festgelegter Rotation. Im Vorjahr war die Künstlerin Renate Bertlmann ausgezeichnet worden, erst 2016 kam mit Gerhard Roth ebenfalls ein Literat zum Zug. Der aus Protest gegen das ÖVP/FPÖ-Regierungsprogramm aus dem Kunstsenat ausgetretene Autor Peter Waterhouse hatte an der Abstimmung über den heurigen Staatspreisträger noch teilgenommen.

  • 1950 Josef Leitgeb
  • 1951 Felix Braun
  • 1952 Martina Wied
  • 1953 Rudolf Henz
  • 1954 Max Mell
  • 1955 Franz Theodor Csokor
  • 1956 Franz Nabl
  • 1957 Heimito von Doderer/Franz Karl Ginzkey
  • 1958 Imma von Bodmershof
  • 1959 Carl Zuckmayer
  • 1961 Albert Paris Gütersloh/Alexander Lernet-Holenia
  • 1962 George Saiko
  • 1963 Kurt Frieberger
  • 1964 Johannes Urzidil
  • 1966 Fritz Hochwälder
  • 1967 Elias Canetti
  • 1968 Ingeborg Bachmann
  • 1969 Christine Busta
  • 1970 Christine Lavant
  • 1972 Friedrich Heer
  • 1974 Hans Carl Artmann
  • 1977 Manes Sperber
  • 1979 Friedrich Torberg
  • 1982 Friederike Mayröcker
  • 1984 Ernst Jandl
  • 1987 Peter Handke
  • 1989 Oswald Wiener
  • 1991 Gerhard Rühm
  • 1994 Wolfgang Bauer
  • 1995 Ilse Aichinger
  • 1998 Andreas Okopenko
  • 2001 Gert Jonke
  • 2007 Josef Winkler
  • 2012 Peter Waterhouse
  • 2016 Gerhard Roth
  • 2018 Florjan Lipus

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